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Verwandlungen des Vorjahres

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Die Salzburger Festspiele haben heuer an Spannung gewonnen. Die Eröffnung des neuen Hauses im Vorjahr hat teils zu Vorsicht gemahnt, teils trat das Künstlerische dadurch irgendwie in den Hintergrund. Heuer gab Mozarts „Idomeneo" festlicheren Glanz und „Jedermann“ in Gottfried Reinhardts interessanter Inszenierung ein Spannungsfeld der Diskussion. Und gerade die wiederaufgenommenen Opern haben, wenigstens was „Cosi fan tutte“ und „Rosenkavalier“ angeht, unleugbar an Feinheit und Intensität zugenommen.

Mozarts „Cosi fan tutte“ wurde wegen der dringenden Erneuerung des Landestheaters in das alte Festspielhaus verlegt. Das war freilich kein Gewinn. Das zarte Bühnenbild verlor ein wenig an Intimität, und die Beleuchtung ist da und dort buchstäblich zu kurz geraten. Aber Elisabeth Schwarzkopfs Fiordiligi, die im Vorjahr eher die ernste Schwester Dorabellas war, ist heuer sc humorvoll köstlich wie Christa Ludwig. Und merkwürdig: es hat auch der Zauber ihrer Stimme gewonnen. Christa Ludwigs Dorabella in ihrer liebenswürdigen Komik wird immer mehr zur feinen Charakterzeichnung; ihre knappen Handbewegungen sind so treffend wie ihre gesangliche Gestaltung. Graziella S c i u 11 i s Despina schien stimmlich nicht ganz die bezaubernden Zartheiten des Vorjahres gehalten zu haben. Waldemar Kmentt als Fer- rando hielt, was er im „Idomeneo“ versprach, vor allem in der kultivierten Klarheit der Intonation und der Linie. Dennoch fehlte nicht die qualitative Einheit mit Hermann Prey als Guglielmo und Carl D ö n c h als Alfonso. Karl Böhm als Dirigent konnte wahrlich musizieren und tat es, spritzig und mit feinem Humor. — Mozarts „Cosi fan tutte“ mahnt, an die Bedeutung des Heiteren in den Festspielen zu denken, an die Buffa, an die Commedia dell’arte. Gerade die Heiterkeit dj der mus aĮį?cW;.Gp»tatyjsf,

in keinem Jahr im Schatten stehen sollte.

Die eine Seite des „R o s e n k a v a- 1 i e r s" von Richard Strauss ist ja auch wahre Komödie. Der „Rosenkavalier“ von 1961 hat aber auf der Seite der fraulichen Tragödie ein so starkes Übergewicht durch Elisabeth Schwarzkopfs Marschallin erhalten, dem Otto Edelmanns Ochs kein Gegengewicht bieten kann. Es ist gewiß eine der schwierigsten schauspielerischen Aufgaben, im Ochs von Lerchenau gleichsam den adeligen Orgelpunkt zu halten, derb und nicht gewöhnlich zu sein. Das ist schon allein wegen des neugeadelten Faninal so entscheidend, den Otto Wiener zwar prachtvoll nervös, aber auch' schon recht nobel gab. Anneliese Rothenberger war eine ebenso jungmädchenhaft-ttotzige wie liebende Sophie, mit allem Charme auch der Stimme. Die ganz außerordentliche Schauspielkunst Christa Ludwigs als Oktavian gewann dadurch im ersten Akt auch den Vorrang in der Komödie vor dem Lerchenauer, war aber im Lyrischen des zweiten Aktes ebenso strahlendes Zentrum. Bis in die Formung der Stimme hinein war sie jungenhaft und dennoch schon ein Herr. Ganze Schönheit in Stimme und Erscheinung war Elisabeth Schwarzkopf, bezaubert von der Liebe, unmerklich alternd in der Enttäuschung. Das Festspiel fand aber auch dadurch volle Erfüllung, daß auch die kleinen und kleinsten Partien ebenso vollgültig besetzt waren und dadurch auch musikalisch gewannen. — Kar] Böhm als Dirigent betonte — anders als Karajan im Vorjahr — die scharfen, aber dennoch feinen Kontraste zwischen dem Erotisch-Derbkomischen und dem Zartlyrischen der Partitur. Das vornehme Rokoko des Bühnenbildes Theo Ottos und die strahlenden Kostüme Erni K n i e- perts bewährten sich ein weiteres Mal.

Die dritte Wiederaufnahme ist M o- z a r t s „Don Giovanni“. Es ist jener dämonische „Don Giovanni“ in Bühnenbild, Kostüm und Regie, in dem nur die makabre Komik Leporellos und die gerade Tölpelhaftigkeit Masettos giocos sind. Alle Leichtfertigkeit des Frauenhelden ist von Anfang an in Düsterkeit versunken, ein Dämon behext Frauen unč Männer und geht in der Verstrickung seiner eigenen Dämonie zugrunde. Es ist unc bleibt — auch ein zweites Mal erlebt - ein packender „Don Giovanni“. Eberhart Wächter hat stimmlich und in de: dämonischen Besessenheit eher gewonnen Wilma Lipps Donna Elvira ist ir Stimme und Darstellung weniger liebend« als bis zur Haltlosigkeit verzweifelnd! Frau. Die Donna Anna Leontyne P r i c e t dagegen ist in ihrer Stimmführung vollkommene Erfüllung gesanglicher Schönheit Sie gewinnt noch durch das Gegenspie aus Nicolai Geddas kraftvoll-schönen Tenor als Dön Ottavio, Walter,,,Ę,# r r y i Jt% 8fell8’ftW.!W''der Beherrschung alle ’ nicnf wenige aber in der Charakterisierung. Auch Gra ziella S c i u 11 i s Zerline hat eine Spu der tragischen Behexung angenommen, wo durch auch Rolando P a n e r a i s Masetti als Rolle gewinnt. Herbert von K a r a j a i gestaltet diesen „Don Giovanni“ mit der ganzen' Schmerz und Feuer des große- dämonischen Dramas und in kaum über bietbarer Beherrschung aller zarten um wilden Aussagen dieser Musik.

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