6689275-1962_30_15.jpg
Digital In Arbeit

Vergessene Kostbarkeiten entdeckt

Werbung
Werbung
Werbung

Für ihre Sommerspielzeit im Schön-brunner Schloßtheater wählt die Wiener Kammeroper alljährlich eine Opera buffa und eine Opera seria aus. Der findige und unermüdliche musikalische Leiter. Hans Gabor, ist längst als Schatzgräber alter, vergessener Opern bekannt, unter denen er manche Kostbarkeit ans Licht zog. Fast immer aber ist es die Buffa, die über die Seria triumphiert, und auch heuer ist es nicht anders. Giovanni P a i s i e 11 o s „Barbier von Sevilla“, ein Vorläufer von Rossinis gleichnamiger Oper, erreicht diese wohl nicht an Brillanz, wohl aber in hübschen, dem textlichen Geschehen adäquaten Einfällen, leichten Fluß und gut gebauten Ensembles, deren exakte Wiedergabe ihre Wirkung erhöhte. Von den Ausführenden gab Siegfried Fischer-Fels als Bartolo die eigentliche Zentralfigur und brachte sie auch menschlich nahe, Richard van V r o o-m a n als Graf ließ an Mozart denken, und Rudolf Wasserlof als Figaro und Gelegenheitsdichter blieb zwar mehr behend als profiliert, aber doch mit allem Charme und Schaum eines barbierenden Hausfaktotums. Norma G i u s t i als Posina spielte sich erst im Laufe des Abends frei. Ihre hübsche Stimme ist (im Gegensatz zu den Vorgenannten) noch nicht sicher genug geführt. Neben Basilio (Rudolf Lameraner) sorgten, wenn auch in winzigen Rollen, Johann S k o p a 1 und Leo Szedeczky für Komik, der eine als dickbäuchiger Adonis, der andere als einäugiger Argus. Regie (Ernst P i c h-1 e r), Bild und Kostüme (Alice Maria Schlesinger) und technische Leitung (Paul G i e b n e r) wirkten gut zusammen und schufen auf kleinstem Raum Leben und Bewegung. Das Wiener Rundfunkorchester spielte unter Hans Gabors Leitung sauber, exakt, und das Animo war nicht zu überhören.

Die 1775 entstandene Oper des neunzehnjährigen Mozart .,11 re p a s t o r e“ (Der König als Hirte oder ?nch Der Hirte als König), nach einer Dichtung von Pietro Metastasio konnte in Schönbrunn den Erfolg des

„Barbier“ nicht erreichen. Die ellenlangen Rezitative, die sich durch eine Menge von Balletteinlagen hinziehende Handlung, die am Ende Alexander den Großen zum Heiratsvermittler macht, sind weder komisch noch tragisch. Ihr Leerlauf wurde durch eine allzu geschäftige, nervöse Regie noch unterstrichen. Die Musik läßt stellenweise Mozarts Genie ahnen und erhebt sich in den Ensembles zu dramatischer Wirkung. Neben Mechthild Gessendorf (Tamiri), der sowohl gesanglich als darstellerisch Besten, konnten sich in geringerem oder größerem Abstand behaupten: Werner Hollweg (Alexander der Große), Simon van der Geest (Aminta), Erich Kren (Agenor) und Karin Neumann (Elisa). Die Kostüme (Lucia L i s t o p a d) waren ansprechend und kontrastreich, das Bild (Frank Ulrich Schmidt) wurde durch Veränderungen während der Arien leider gestört, über die Regie (Jens Peter Rasmussen) wurde bereits gesprochen. Dirigent und Orchester leisteten das Ihre. Karl Meise (Cembalo) war unermüdlich. Wir aber freuen uns auf die nächste von Hans Gabor ausgegrabene Opera buffa.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung