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Salzburg halbwegs zwischen Berlin und Wien

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Es gehört zu den konstitutiven Gedanken Karajans, Salzburg zu einer Art Turnierplatz musikalischer Kräfte zu machen. Die Verpflichtung mehrerer führender europäischer Orchester ist zwar im modernen Festspielbetrieb kein Novum. Daß aber zwei solche Orchester wochenlang in engster Nachbarschaft arbeiten, sich gegenseitig hören, wettstreitend voneinander lernen, das erweist sich hier als neu und fruchtbar. Nach dem Böhm-Konzert der Wiener traten unter Karajan die Berliner Philharmoniker in die Arena des Neuen Festspielhauses. Das Programm hatte eine Uraufführung angekündigt, ein Werk von Hans Werner Henze, das aber leider wegen unzureichender Probemöglichkeiten abgesetzt wurde. Schade; die Novität hätte wahrscheinlich wichtige Vergleiche mit der Webern-Stockhausen-Auswahl provoziert, die Pierre Boulez als Dirigent neben eigene Arbeiten gestellt hatte. Mit Bachs Suite in h-moll begann der Abend. Karajan musiziert sie in mittelstarker Besetzung, verwendet aber zwei unisono spielende Cembali, von denen eines er selbst spielt, soweit die Stabführung es zuläßt. In sehr bewegten Tempi, nur die Sarabande feierlich und breit, entwickeln die Streicher transparente Leuchtkraft; mit verblüffender Virtuosität macht Karl Heinz Z ö 11 e r der großen Flötistentradition des Orchesters alle Ehre. Richard Strauss' „H e 1 d e n 1 e b e n“ stand am Schluß des Programms. Das formal nicht sehr haltbare Stück, etwas baufällig auch in der Konfrontierung traditioneller und moderner Harmonik und Tonalität, wurde sozusagen über seinem eigenen Niveau musiziert. Gerade die aggressiven Widersacherepisoden waren mit einer orchestralen Härte herausgearbeitet, die nur als Produkt raffinierten Abwägens der Farbgewichte denkbar ist. Leider bekam auf den dynamischen Höhepunkten der Klang des neunzig Spieler starken Orchesters eine Lautstärke, die selbst auf den entferntesten Plätzen des akustisch fast überall gleichmäßig vorteilhaften Raumes noch betäubend wirkte.

Die Solistenleistung zog Aufmerksamkeit und Schlußapplaus auf den ausgezeichneten Konzertmeister, den Schweizer Michel Schwalbe. Kernstück des Abends jedoch war Strawinskys Symphonie en ut. Karajan stellt sie dar mit einer brillanten Mischung von Sachlichkeit und Vitalität. Alle rhythmischen Kräfte seiner Persönlichkeit werden mobilisiert und übertragen sich auf das Orchester. Es bleibt in dieser Interpretation kein Rest: Form und Inhalt des meisterlich disponierten und auf drei Motivzellen beruhenden Stücks treten in ein helles und kühles Licht, dem Stil gemäß, dem diese Musik sich verschrieben hat.

Die „Z a u b e r f 1 ö t e“ gehört in mannigfachen Wandlungen und Versionen zum alten Salzburger Festbestand. Günter Rennerts Regie in den Bühnenbildern Ita Maximownas geht auf die alte Konzeption des Schikanederschen Volkstheaters zurück. Sie ist in ihren schönsten Momenten von der Naivität einer Kinderszene, wo die Gesichter der tanzenden Mohren entzückt lächeln und es nichts ausmacht, daß die Schlange stirbt, bevor die bezaubernd bewegten drei Damen ihre Pfeile abschießen. Die geflissentlich einfach gemalten Kulissen Ita Maximownas setzen etwa die Linie Goethescher und Schinkelscher Entwürfe fort, am glücklichsten im symmetrischen Firmament und in den von Pyramiden und Obelisken geschmückten Prospekten.

Aus dem Ensemble hebt sich die Leistung Walter B e r r y s als Papageno heraus. Mehr noch als beim Leporello wird hier der naive Mimus der alten Hans-wurstiaden und Jahrmärkte zur Typengestalt; ein paar Übertreibungen in Mimik und Gestik werden sich leicht beseitigen lassen. Gottlob F r i c k hat als nobler Sarastro keine ganz ausreichende Tiefe, Fritz Wunderlich die tenorale Spannung, nicht aber die darstellerischen Qualitäten für den Tamino. Erika K ö t h war als Königin leider stark indisponiert, Lieselotte F ö 1 s e r steht mit ihren ausdrucksreichen stimmlichen Qualitäten ganz außerhalb des Mozart-Stils. Sehr reizvoll Graziella S c i u 11 i als verliebte Papagena. Die drei Damen mit Lisa Otto, Hetty Plümacher und Sieglinde Wagner charakteristisch besetzt. Kurt Marschner (Monostratos), Eberhard Wächter (Sprecher), drei hübsch sordi-nierte Sängerknaben in gefiederten Kleidern ergänzten das Ensemble.

Joseph K e i 1 b e r t h dirigierte mit seiner natürlichen, nachdenklichen, im Ausgleich der formalen und klanglichen Gegensätze vorbildlichen Art. Der Erfolg war herzlich.

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