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Wie aus der Konserve

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Kalte Perfektion bestimmte die beiden Orchesterkonzerte Herbert von Karajans mit den Berliner Philharmonikern im Rahmen der Salzburger Osterfestspiele. Immer wieder wundert man sich, warum Karajan so sehr die glatte Konfektion der Musikkonserve zum Ideal seiner Konzerte macht. Bestimmen doch vorwiegend Effekte, die in der sterilen Atmosphäre der Tonkonserve (Platte, Kassette usw.) die Brillanz ausmachen, auch den „Naturklang“ der Konzerte im Großen Festspielhaus. Warum zum Beispiel die trockenen, überzeichneten Tempi des Allegretto-Menuetts in Mozarts Es-Dur-Symphonie (KV 543) und überhaupt diese Raffung, in der nicht einmal für Wiederholungen ein Platz bleibt? Warum diese profillose Eleganz, diese kalte Klangschönheit für Brahms' „Zweite“, deren Sonnigkeit einem artistischen Glanz geopfert wird? Und schließlich warum diese auf ein Minimum reduzierten Konzertprogramme, in denen nichts, aber auch gar nichts Zeit hat, auszu-schwingen?

„Wir leben in einer raschlebigen Zeit“, begründete Karajan diesen Trend während seines Pressegesprächs, „unsere Großväter haben auch zum Essen mehr Zeit gebraucht.“ Aber ist das wirklich ein Grund? Will Karajan damit seinem Salzburger Osterpublikum ein derart schlechtes Zeugnis ausstellen; will er sagen, daß dessen Verständnis gerade noch für ein gutes Musikstündchen reicht und daß im übrigen das über Stunden ausgedehnte anschließende Nachtmahl, also die Zugeständnisse an die Hotellerie wichtiger sind?

Nicht minder seltsam mutete übrigens die Zusammenstellung der Werke an: Strawinskys „Apollon Musagete“, als Ballettmusik geschätzt, bleibt im Konzertsaal delikate Jausenmusik; was sie neben Brahms verloren hat? Am meisten Freude machten noch Ravels „Daph-nis und Chloe“ (2. Suite) und De-bussys „L'apres-midi d'un faune“.

Das Publikum, „unkritisch wie nur noch in Bayreuth“ — wie ein deutscher Kritikerkollege meinte —, jubelte für alle Fälle mit geradezu professioneller Begeisterung.

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