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Schlechter Abgang

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Statt bei einer groß angekündigten Pressekonferenz in Wien das Wort zu ergreifen, hat es der abgedankte Operndirektor Karajan für richtig gehalten, die „wahren“ Gründe und Hintergründe seiner Demission zwei bundesdeutschen Presseorganen anzuvertrauen: dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und der in München herausgegebenen illustrierten Wochenschrift „Quick“. Zu den (wenigen) sachlichen Argumenten werden wir zu einem späteren Zeitpunkt kritisch Stellung nehmen. Heute und an dieser Stelle sollen nur einige Pointen der beiden Karajan-Interviews festgehalten werden. (Das in „Quick“ erschien in einer Nummer unter dem Titel „Benimm-Schule 1964 für Monokini- Mädchen“ und war mit sieben großen Photos des Maestros und seiner Familie zu Lande, zu Wasser und in der Luft garniert.)

In der Stadt, wo sich mit Hilfe ergebener Helfer und Freunde seit 1946 nach stattgehabter Rehabilitierung Karajans Wiederaufstieg vollzog, wo er sein dankbarstes Publikum und ein Jahresbudget von 124 Millionen Schilling zur Verfügung hatte, in dieser Stadt, be - klagt sich Karajan, „nicht mehr die Luft zum Atmen“ gehabt zu haben. Die Wiener Staatsoper sei „kein Pferd mehr, sondern ein Ackergaul“. Aber hat nicht er selbst während der letzten acht Jahre diesen „Ackergaul“ geritten — er und kein anderer? Der österreichische Unterrichtsminister, der mit ihm wochenlang geduldig verhandelt hat, wird kurz und unhöflich als „der Herr Piffl“ apostrophiert, und Karajans Ko- direktor, der ehemalige Leiter der Bundestheaterverwaltung und Intendant der Wiener Festwochen, erscheint in dem Spiegel-Interview als „diese Person" und „ein Herr Hilbert“. — Das sind nur einige wenige Proben aus einer ganzen Reihe von Niveau- und Taktlosigkeiten, deren sich der „König der Dirigenten“, wie er im Vorspruch zu dem „Quick“-Interview bezeichnet wird, schuldig gemacht hat.

Nach-seiner Demission bestand dis Gefahr, daß phantasiebegabte Leute, einer Karajan-Legende Glauben schenken würden. Um so mehr kann davon wohl kaum die Rede sein. Karajan hat selbst für seinen schlechten Abgang gesorgt.

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