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Kampf ums Image
Ihr einnahmeträchtiges Tele-visions-Monsterspektakel, das Silvester- und Neujahrskonzert, haben die Wiener Philharmoniker diesmal mit weniger Kommerzklischees als sonst erfolgreich absolviert. Schon rüsten sie für ihre Ostasientournee unter ihrem international viel beanspruchten Hauptdirigenten Claudio Abbado. Und das Fernsehen hat es sogar übernommen, indirekt die Vermittlerrolle zu Herbert von Karajan zu spielen, der gekränkt scheint, seit das „Spiegel“-Magazin 1972 Details über eine angebliche Schaukelpolitik der Philharmoniker zwischen ihm und Leonard Bernstein triumphierend veröffentlichte. Der ORF, an einem guten Verhältnis des Orchesters zu Karajan wie zum jetzt ebenfalls verstimmten TV-Film-Hauptdarsteller Bernstein sehr interessiert, war daher bereit, ein Statement über den Bildschirm flimmern zu lassen, in dem das Orchester sich von dieser Politik im allgemeinen und von dieser Presseaffäre im besonderen distanziert.
Aber auch in Salzburg, also bei den Festspielen, ist man mit den Philharmonikern weniger „umgesprungen“ als sonst: Sie haben 1973 für ihre neun Festspiele (1972: sieben) Karajan, Böhm, Maazel, Mehta, Muti und Abbado bekommen. Und man hat es ihnen immerhin erspart, dirigierende Protektionskinder von des Maestros Gnaden ausprobieren zu müssen.
Aber ganz glücklich sind die Wiener Philharmoniker auch 1973 nicht. Versuche, wenn schon nicht am Osterfestivalgeschäft teilzuhaben, so doch wenigstens etwas vom künstlerischen Image und vom materiellen Segen des ersten Karajanschen Pfingstfesti-vals abzubekommen, sind trotz mancher Gespräche natürlich gescheitert. Die Berliner Bastion bleibt uneinnehmbar.
Aber auch der philharmonische Einfluß auf ureigenste Belange scheint weiterhin eher bescheiden. So hat man zum Beispiel die sommerliche Uraufführung von Carl Orffs „ Spiel vom Ende der Zeiten“ dem Kölner Rundfunksinfonieorchester übertragen. Wie überhaupt beim Engagement von Gastorchestern die Philharmoniker kaum um ihre Meinung gefragt werden, geschweige denn, daß man sie bei den Abstimmungen über Konzertprogramme entscheidend mitreden ließe. Denn da haben sie ja doch zuerst zu erfüllen, was Schallplattenfirmen von Böhm und Karajan „erarbeitet“ wünschen... Und wenn die Philharmoniker doch einmal eigene Vorstellungen von einer Sache äußern, pflegt man sie als „Opernorchester“ zu klassifizieren und als „Hauptstütze des Festivals“ mit schönen Worten zu besänftigen und zu vertrösten. Und bei den schönen Worten bleibt's auch 1973.
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