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„Das Salzburger Ringelspiel”

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Das Salzhurger Ringelspiel geht weiter, wenn auch die Maschine, die es im Gang hält, vergangene Woche ächzte und den eingeweihten und uneingeweihten Kunden gehörigen Schrecken in die Glieder jagte. Die Salzburger Festspiele feierten im vergangenen Jahr ihr SOjähriges Jubiläum mit großspurigen Worten, mittelmäßigen Aufführungen und einem ideenlosen Spielplan. Das für das Programm verantwortliche Direktorium leidet seit Jahren an Verkalkung. Seine Mitglieder sind nicht nur alt — das physische Alter an sich würde gar nichts sagen — sondern auch in ihren künstlerischen Ansichten veraltet. Die Parole heißt derzeit: Die Kasse muß stimmen. Da diese aber stimmt, deshalb denken unsere Kulturbanausen aller politischen Riditungen, daß auch das Programm stimmt. Alles für die Konsumgesellschaft. Nun ist gar nichts dagegen zu sagen, daß die Festspiele Geld, vor allem Devisen einbringen, doch würde es die Kapitulation der Kunst bedeuten, falls es ihr nicht gelänge, den Geschmack des Publikums zu beeinflussen, wenn derartige Mittel wie den Organisatoren der Salzburger Festspiele zur Verfügung stehen.

Worum geht es nun? Das Direktorium der Salzburger Festspiele (Paumgartner, Karajan, Kaut und Haeusserman) konnte sich nicht auf einen Nachfolger Paumgartners, der als Präsident im Herbst dieses Jahres zurücktritt, einigen. Das heißt, im Grunde konnte man sich auf Doktor Kaut einigen mit der Einschränkung, daß seine Amtszeit und die der künftigen Präsidenten auf zwei Jahre beschränkt werden solle. Dann wäre nämlich als nächster Haeusserman an der Reihe und das Ringelspiel liefe, wenn auch krächzend und ohne geistige Investitionen, weiter. Man bliebe schön unter sich. Alles von außen Kommende könnte wie bisher abgewendet werden. Nach schönem alten Brauch aus der Zeit der großen Koalition (man sieht, in welch alten Vorstellungen das Festspieldirektorium noch lebt) kooptiert sich das Direktorium einen der SPÖ nahestehenden Mann, Gerhard Wimberger, der übrigens ein guter Mann ist, und einen der ÖVP nahestehenden Mann, Dr. Friedrich Gehmacher, den Präsidenten der Stiftung Mozarteum. Von ihnen nimmt man an, daß sie tun werden, was das Direktorium will. Und das Direktorium will, was Karajan will.

Hier aber sind wir beim eigentlichen Problem. Paumgartner gab das Signal, als er während der vorjährigen Festspiele den Regisseur Herbert Graf zu seinem Nachfolger vorschlug. Das Direktorium, so schrieb unser Kulturredakteur Prof. Fiechtner im September vorigen Jahres, braucht einen Präsidenten an der Spitze, der mit allen Vollmachten ausgestattet ist und deshalb Entscheidungsfreiheit besitzt. Herbert Graf bot sich deshalb an, weil man ihm zutraut, daß er ein langfristiges Programm vorzubereiten und eine organische Verbindung von der Vergangenheit zur Gegenwart im künstlerischen Bereich herzustellen vermag. Von Karajan abgesehen, der ja nicht als Direktoriumsmitglied in Erscheinung tritt, sondern als künstlerischer Kassenmagnet, sollten die übrigen Mitglieder des Direktoriums bestimmte Ressorts vertreten und dafür verantwortlich sein. Diese naheliegende, weil vernünftigste und effektivste Lösung, dürfte nun vereitelt worden sein. Paumgartner war angeblich mit Kau^s Ernennung zuerst einverstanden, schwenkte dann aber um und machte Schwierigkeiten, sicherlich aus künstlerischer Verantwortung, aber zweifellos auch auf Vorstellungen der ÖVP hin, die nun amh in Salzburg wie an den Bundestheatem ihre Felle davonschwimmen sieht, nachdem sie jahrzehntelang untätig war.

Salzburg hat nur eine Alternative: entweder Herbert Graf, beziehungsweise eine ähnlich profilierte Persönlichkeit, deren Hauptstärke darin bestünde, den Festspielen ein neues Gesicht zu geben, oder Karajan als Präsident. Der Meister, dessen Persönlichkeit und künstlerischer Wille die Entscheidungen des Direktoriums bestimmt, soll aus dem Hintergrund heraustreten und die volle Verantwortung übernehmen. Kaut und Haeusserman haben kein künstlerisches Profil, sie können deshalb nur Ausführungsorgane Kara-jans sein. Doch dafür besitzt der Generalsekretär Dr. Nekola bessere Qualitäten.

Karajan als Präsident der Salzburger Festspiele würde zweifellos eine Ära bedeuten, eine Ringstraßenära zwar, aber besser eine solche, als gar keine, wie dies gegenwärtig der Fall ist. Er würde ähnlich, wie er es mit der Wiener Oper tat, auf der einen Seite einen Kulminationspunkt erreichen, auf der anderen Seite den inneren Zerfall beschleunigen. Karajan, wenn er die volle Verantwortung trüge, könnte eine glanzvolle Übergangsepoche gestalten. Was aber in den letzten Jahren geschieht, ist Mittelmäßigkeit, die durch einige Glanzlichter, die hauptsächlich Karajan setzte, nicht in ihrer ganzen Armseligkeit sichtbar wurde. Die Lösung kann deshalb nur Graf oder Karjan lauten. Entweder hat Karajan den Mut, auch nach außen hin die gesamte Verantwortung zu tragen, oder er muß einem Mann, der dazu das künstlerische Format besitzt, die Verantwortung nach allen Richtungen hin überlassen, wobei es überhaupt keine Frage ist, daß jeder Festspielpräsident Karajans persönliche Wünsche berücksichtigt. Sie lassen sich nämlich in jedes Programm einbauen und bleiben Höhepunkte, selbst wenn sie bisweilen ihre Schattenseiten haben mögen. Das Kuratorium muß nun wählen.

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