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Hohler Koloß?

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Nach jahrelangem Tauziehen haben sie es im Verein geschafft: Bundeskanzleramt, Unterrichts-, Finanz-und Bautenministerium, Bundestheaterverband und Gewerkschaften bringen den Gesetzesentwurf für einen „Bundestheaterfond“ voraussichtlich noch heuer ins Parlament. Aber obwohl das Papier gerade erst ausgeschickt wird, droht im sozialistischen Lager deswegen bereits ein Kleinkrieg: die eine Seite sieht nur die wachsende Macht der neuen Bundestheatergeschäftsführung und fürchtet, daß der ohnedies autonom und „entpolitisiert“ konzipierte Koloß Bundestheater ganz der politischen Einflußsphäre entgleiten könnte, die andere Seite denkt mehr an die im Gesetzesentwurf schon einkalkulierten „Nebengeschäfte“ — zum Beispiel, daß sich die Bundestheater gemeinsam mit ORF in größere österreichische Privatuntemeh-mungen, internationale Film- und TV-Anstalten und -gesellschaf ten (wie etwa die Wien-Film) einkaufen und so zu einem wirtschaftlich allzu eigenständigen Riesenapparat “aus-wachsen könnten... zu einem Unternehmen, das letztlich auch Institutionen wie die Salzburger oder Bregenzer Festspiele in seinen wirtschaftlichen Sog ziehen wird.

Nur so kann man zum Beispiel eine demonstrative Feststellung vom Salzburger Festspielpräsidenten Josef Kaut verstehen, der sich — übrigens gegen den Willen seines (sozialistischen) Kollegen, Landesrat Moritz —, beeilte, auf einer Pressekonferenz jeden Einfluß von Kassetten- und Plattenfirmen auf Salzburgs Festspiele abzulehnen. Allerdings, ohne daß er dazu gesagt hätte, ob es ihm tatsächlich um künstlerische Gründe geht, oder um andere, vielleicht im ersten Moment doch noch lukrativer erscheinende Bindungen zu Platten-und Kassettenfirmen auf dem Weltmarkt (man denke an den Karajan-Böhm-Streit im Fall des „Figaro“) — oder weil er sonst gar Schwierigkeiten mit Maestro von Karajan, den Firmen seiner Gunst und schließlich Querverbindungen zu Karajan-Juckers eigenem Unternehmen fürchtet?

Und wieder andere mögen mit einigem Entsetzen sehen, wie hier ein Gesetz aus Gummiparagraphen entsteht, das, im Grunde für einen Geschäftsführer von der Taktik und Dynamik Direktor Robert Jung-bluths maßgeschneidert, in den Händen der Nachfolger, etwa im Falle einer Koalitions- oder gar einer ÖVP-Regierung, zum ewigen Zankapfel der Parteien werden könnte. Weil ja dann in einer Hand die einmal angelaufenen Riesengeschäfte bleiben werden .. .

Finanzminister Hannes Androsch freilich, der erstmals eine Chance sieht, veilleicht doch noch das Drei-viertel-Milliarden-Deflzit der Bundestheater reduzieren zu können, setzte sich bereits zum Wochenende bei Bundeskanzler Bruno Kreisky für den Bundestheaterfonds ein. Für ihn ist dieses Gesetz im Verein mit der Regentschaft Jungbluths und den (zum Beispiel) in Salzburger Gesprächen ■mit OFR-Generalintendant Gerd Bacher bereits locker „eingefädelten“ Nebengeschäften die Garantie für die Lebensfähigkeit des autonomen Wirtschaftskörpers.

Der Gesetzesentwurf selbst, der nun in aUer Eile durchgebracht werden soll, um die bereits entrier-ten Geschäfte anlaufen zu lassen, hat natürlich mit den Problemen „Kunst“, „künstlerische Qualität“

und dem System der Führung der Staatstheater gar nichts zu tun; er regelt bestenfalls materielle Grundlagen und Arbeitsprozesse. Sonst hängt alles in der Luft wie früher und kann je nach Bedarf eingesetzt oder ausgeschaltet werden. Allein der Passus „Repertoiretheater“, als die die Bundestheater laut gesetzlicher Regelung geführt werden müssen, und die Qualitätsforderung „nach internationalen künstlerischen Maßstäben“ sagen nichts, präzisieren nichts.

Man weiß nicht, ob es auch in Hinkunft um Erfordernisse des traditionellen Bildungstheaters gehen wird, das heute tatsächlich kaum noch qualitätsvoll durchzuführen ist, ob das kulinarische Theater dominieren oder gar jemand den wirtschaftlichen Erfolg allein als Maß aller Dinge propagieren wird; möglich wäre nach diesem Gesetz alles.

Aber so erfreulich zum Beispiel eine geplante finanzielle Autonomie, so erfreulich die Möglichkeit „aller Nebengeschäfte“, vor allem die Einstiegsmöglichkeiten in internationale Beziehungen sind, so erfreulich auch eine neue straffe Geschäftsführung und strenge Kontrolle durch ein erst einzusetzendes Kuratorium sind und so modern auf den ersten Blick etwa der neue gesetzlich verankerte Faktor „Publikumsmitbestimmung“ wirkt... bei gründlicherer Prüfung erweisen sich doch so viele, allzu viele Paragraphen bloß als schöne Fassade.

Denken wir konsequent das Problem der „Nebengeschäfte“ zu Ende: wie lange wird es dauern, bis Burg und Oper und ein angehängtes Salzburg und Bregenz aus Rentabilitätsgründen zum Abladeplatz für Film-, Kassetten-, Plattengeschäfte für rentable Produktionen geworden sind? Wer wird in einer monocolo-ren Regierung die allgewaltigen Geschäftsführer (voraussichtlich zwei) letztlich kontrollieren? Etwa das Kuratorium unter dem Vorsitz eines Mannes des Unterrichtsministers (etwa Stefan Vajda aus dem Bundestheaterverband)? Oder anders, ein mit einem Stab von Beamten und Betriebsräten als Paradefall eines „Rätesystems“ geordnetes Unternehmen: wieviele Interventionen und Proporzbesetzungen wird es etwa im Fall einer Koalitionsregierung geben (wie weiland beim ORF)? Und erst die Demokratisierung, das heißt die Publikumsmitwirkung? Wie will man sich Experten holen, die dann nicht doch irgendeiner Clique oder Claque das Wort reden? Hat man es doch letztlich noch nicht einmal geschafft, sich mit dem unzufriedenen Stehplatzpublikum der Staatsoper und seiner Zettelaktion zu arrangieren ! Wie wird man sich erst bei einer derart heiklen Besetzung, einem Mann des Publikums im Kuratorium zwischen der Scylla eines zu wenig meinungsaktiven Abonnementpublikums und der Charybdis des allzu aggressiven Stehplatzes hindurchmanövrieren?

Doch das eigentliche Problem der Bundestheater, die künstlerische Qualität, wird von all diesen Maßnahmen kaum beeinflußt. Fehldispositionen, falsche Besetzungen, verfallende Ensembles werden auch durch dieses Gesetz nicht ausgemerzt werden. Aber das ist es letztlich, was das Publikum, den kunstbegeisterten Steuerzahler, der jährlich Dreiviertel Milliarden auslegen muß, einzig und allein interessiert: was passiert auf der Bühne, wenn der Vorhang aufgeht.

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