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Lex Jungbluth ?

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Nichts, so wird Napoleon zitiert, sei so dauerhaft wie ein Provisorium. Schon der Name dessen, dem diese Formulierung zugeschrieben wird, bürgt dafür, daß es sich dabei nicht um die Beschreibung einer österreichischen Besonderheit handelt. Doch zu den Meistern in der Kunst, mit Provisorien zurechtzukommen, zählen wir Österreicher ganz sicherlich.

Und wenn dann eines Tages so ein viel geschmähtes und doch bewährtes, gut eingefahrenes Provisorium fallen soll, dann fragt sich der gelernte Österreicher ratlos: Ja, warum denn grad jetzt?

Die gesetzlichen Grundlagen für den Betrieb der österreichischen Bundestheater sind zweifellos ein wackeliges Stückwerk und geradezu das klassische Beispiel für ein Provisorium.

Diesem auch bereits vom Rechnungshof bemängelten Zustand soll abgeholfen werden, und zwar sehr bald. Im Entwurf für ein „Bundesgesetz über die Errichtung eines Wirtschaftskörpers Österreichisches Bundesthea-ter (Bundestheater-Organisationsgesetz)" steht als für das Inkrafttreten ins Auge gefaßtes Datum der 1. September 1983.

Doch nicht alle, deren Tätigkeit nun auf eine eindeutige gesetzliche Basis gestellt werden soll, sind mit dem im Bundestheaterverband ausgearbeiteten Gesetzentwurf restlos glücklich. Die Gewerkschaft Kunst, Medien, freie Berufe hat sogar ihrerseits einen „Gegenentwurf' erarbeitet.

Darin wird einiges geregelt, worüber sich der offizielle Entwurf nicht oder nicht eindeutig äußert — vor allem, was die Interessen des künstlerischen Personals betrifft.

Hier soll aber vom offiziellen Entwurf die Rede sein. Und davon, was daran auffällt, wenn man ihn als gelernter Österreicher im Hinblick darauf liest, welchen Interessen mit der Gesetz-werdung vor allem gedient wäre.

Der Entwurf enthält eine Reihe teils begrüßenswerter, teils längst überfälliger Regelungen:

# Flexibilität bei den Spielstätten: Dritte Räume" könnten künftig nun auch an „dritten Orten" eingerichtet werden, sogar Burgtheateraufführungen im Freien wären möglich.

# Volle Kollektivvertragsfähigkeit des neu gegründeten „Wirtschaftskörpers".

# Ubergang von der kamerali-stischen zu einer kaufmännischen Wirtschaftsweise: mit der Mög-

lichkeit, Eigenmittel eigenverantwortlich zu verwenden und Reserven zu bilden.

• Finanzielle Gebahrung nicht mehr im Rahmen des staatlichen Fiskal- (Kalender-), sondern des Spieljahres.

Auch wer sich an der verbalen Mutation des „Osterreichischen Bundestheaterverbandes" in einen „Wirtschaftskörper österreichische Bundestheater" nicht stößt, kann freilich eine den Entwurf wie ein roter Faden durchziehende Tendenz nicht übersehen: den „Wirtschaftskörper" und dessen Direktor gegenüber den einzelnen Instituten Burgtheater, Staatsoper und Volksoper unauffällig, aber wirkungsvoll aufzuwerten.

Nicht der Burgdirektor hat sein Haus, sondern der Wirtschaftskörper das Burgtheater als Repertoiretheater zu betreiben.

Nicht die Direktoren, sondern der Wirtschaftskörper hat dabei auf eine der Eigenart des jeweiligen Theaters entsprechende Ensemblebildung, auf das internationale künstlerische Ansehen, auf die Pflege österreichischer Kultur, auf das zeitgenössische Schaffen, die Bildungserfordernisse der Gegenwart und so fort zu achten, bei der Führung der Bundestheater alle künstlerischen, wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um höchstes künstlerisches Niveau sicherzustellen und so fort.

Eine begrenzte Funktionsperiode des (Wirtschaftskörper-)Di-rektors ist nicht vorgesehen. Darüber hätte also wohl der ihn bestellende Bundesminister für Unterricht und Kunst zu entscheiden.

Viele bisher dem Minister vorbehaltene Kompetenzen sollen auf ein Kuratorium übergehen, das auch unter dem Motto „Divide et impera" gesehen werden kann: Die an keine Weisungen und Aufträge gebundenen 18 Mitglieder werden vom Kanzler, vom Unterrichts-, Wissenschafts-, Bauten-, Finanz- und Außenminister, vom im Bundesrat den Vorsitz führenden Bundesland, von den Betriebsräten des darstellenden, technischen und administrativen Personals nominiert und abberufen.

Der Entwurf macht durchaus den Eindruck, mit einer gewissen Eile verfaßt worden zu sein. Seine Gesetzwerdung vor den nächsten Wahlen könnte sich als Weichenstellung, aber auch als Verankerung des jetzigen Generalsekretärs des Bundestheaterverbandes, Robert Jungbluth, auswirken.

Die elektronische Auswertung von Bundestheaterproduktionen wird im Gesetz nur angedeutet. Doch wurde vor Weihnachten sehr schnell eine „Teletheater Videofilm-Produktions- und Vertriebsgesellschaft m. b. H." (Sitz in der Bundestheaterverwaltung) ins Handelsregister eingetragen. Teilhaber: die Republik (30,6 Millionen) und Heinrich Mayer vom Rechtsbüro der Bundestheater (1000 Schilling).

Auch über die Pläne zur „Repri-vatisierung" eines größeren Gesellschaftsanteiles wüßte man frühzeitig gerne mehr.

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