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Das Ende der Bundestheater Verwaltung

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19. Jänner 1970: „Ich hoffe, der letzte Leiter der Bundestheaterverwaltung zu sein." Mit diesen Worten habe ich mich vier Tage nach meinem Amtsantritt in einer Pressekonferenz vorgestellt. 1. Juli 1971: Mit diesem Tage wird die neue Dienstinstruktion für die Bundestheater wirksam, deren Artikel I lautet: „Mit Inkrafttreten dieses Erlasses wird die Bundestheaterverwaltung einschließlich der von ihr verwalteten Theater in einen österreichischen Bundestheaterverband umgewandelt.“

Es ist also Zeit zu einer Zwischenbilanz, zu einem Rechenschaftsbericht, in welchem Ausmaß der seinerzeitige Auftrag „die administrative Reform der Bundestheater durchzuführen und die legislative Reform vorzubereiten“, erfüllt worden ist. Wenn zunächst eines der erklärten Ziele dieser Reform die „Abschaffung der Bundestheaterverwaltung“ war, dann sollte damit kein Beitrag zum beliebten Gegenwartssport der Beamtenbeschimpfung erbracht werden. Im Gegenteil: Es gibt nur etwas, was noch deprimierender ist als die Kritik an Bürokratie und Bürokraten, nämlich die schweigende Resignation, mit der die Beamtenschaft diese Kritik hinnimmt, anstatt darauf zu verweisen, daß die Änderung längst überholter Strukturen und Kompetenzen die Voraussetzung für ein leistungsfähiges Staatsmanagement wäre.

Die Bundestheaterverwaltung war ein Schulbeispiel dafür. Die Geschichte der Bundestheater seit 1918 ist nicht zuletzt die Geschichte der permanenten Auseinandersetzung zwischen der Vorgesetzten Zentralgewalt der Bundestheaterverwaltung und den auf ihre Autonomie bedachten Direktoren. In dieser ihehr als 50jährigen Auseinandersetzung hat es Siege und' Niederlagen und' 'Viele Opfer auf beiden Seiten gegeben. Rücktritte und Ablösungen von Direktoren und Verwaltern folgten einander mit geradezu zwangsläufiger Automatik. Völlig unveränderlich war diese Automatik allerdings nicht. Es hat im Laufe der Jahrzehnte innerhalb der Auseinandersetzung zwischen Zentralgewalt und Direktoren eine eindeutige Akzentverlagerung gegeben.

In der Ersten Republik, als man noch autoritätsgläubiger und obrigkeitshöriger war als heute, ging fast immer die Bundestheaterverwaltung als Sieger hervor. Ein weithin sichtbarer Höhepunkt war es, als in den dreißiger Jahren aus der Verwaltung zunächst eine Generaldirektion und später sogar eine Generalintendanz mit Einflußnahme auf künstlerischem Gebiet wurde.

„Registraturstelle“

In den letzten Jahren und Jahrzehnten begann sich das Blatt zu wenden. Autoritäts- und Obrigkeitsglaube schwanden dahin und in der pluralistischen Gesellschaft erwuchs ein neues Selbstverständnis der Demokratie. Wen wollte es da wundern, daß gerade die Kunst mehr Freiheit und Selbstverwaltung als bisher forderte. In dieser Entwicklung war das Jahr 1962 ein weithin sichtbarer Höhepunkt. Mit dem damals verfügten Additionale zur Dienstinstruktion aus dem Jahr 1953 wurde den Theatern mehr Autonomie als je zuvor eingeräumt, damit freilich auch mehr Verantwortung aufgelastet, als sie manchmal zu tragen vermochten. Für die Bundestheaterverwaltung dagegen stellte sich das Additionale als ein wahres Cannae dar: Wesentlicher Kompetenzen entkleidet, war sie von diesem Zeitpunkt an vielfach nur noch eine Durchlauf- und Registraturstelle.

Jede Reform der Bundestheater mußte bei dieser Problematik ein- setzen, mußte versuchen, die unendlich heikle Gewaltenteilung zwischen Direktionen und Zentralverwaltung neu zu ordnen. Die nunmehrige Lösung bricht mH der Tradition einer Vorgesetzten und übergeordneten Dienststelle über den Theatern und setzt an ihre Stelle ein koordinierendes und kontrollierendes Generalsekretariat, das auf einer Führungsebene mit den Theaterdirektionen selbst steht.

Dagegen hat es Einwände gegeben, die der Befürchtung entsprangen, das neue Führungssystem könnte zu schwerfällig und ohne klare Entscheidungsgewalt an der Spitze sein. Dem sei entgegengehalten, daß der Bundestheaterverband nicht von einem Kollegialorgan auf Grund von Mehrheitsbeschlüssen geführt werden wird. Die neue Dienstinstruktion ist letztlich nichts anderes als ein Kompetenzkatalog für die fünf Leitungsfunktionen des Verbandes mit klarer Aufgabenverteilung in eigenverantwortlichen Bereichen. Vor allem aber sei auf die Lehren der Vergangenheit verwiesen: Das System der Vorgesetzten Dienststelle über den Theatern hat sich als störungsanfällig erwiesen; das andere Extrem der völligen Autonomie der Theater hätte den Verzicht auf rationelle Zusammenfassung gemeinsamer Agenden bedeutet. Daß die nunmehrige Lösung ein vernünftiger und optimaler Mittelweg ist, werden wir durch die tägliche Arbeit in der Praxis dec nächste» .MönaW zu beweisen haben.

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Aufgabendennition

Reform der Bundestheater kann sich nicht darauf beschränken, Bestehendes zu verbessern; es ist an der Zeit, Neues zu schaffen. Die vorliegende Dienstinstruktion unternimmt es erstmalig, zu definieren, was die Bundestheater überhaupt sind und welche Aufgaben sie zu erfüllen haben. Im § 3 werden nicht nur die eigenständigen Funktionen von Burgtheater, Staatsoper und Volksoper, sondern darüber hinaus auch die gemeinsamen Verpflichtungen der Bundestheater formuliert, wobei darauf verwiesen wird, daß sie neben der Pflege österreichischer Kultur unter Einhaltung internationaler Maßstäbe

• die Bildungserfordernisse,

• die Förderung des Theaterwesens in den Bundesländern und

• die kulturelle Auslandsrepräsentation Österreichs itefaf ibirufcfelt besonders zy berücksichtigen haben.

Diese Verpflichtungserklärung beruht nicht zuletzt auf den Erfahrungen der Vergangenheit. Es war und ist deprimierend, daß im Zuge der Reformdebatte die Bundestheater immer wieder — erstaunlicherweise vor allem in konservativen Publikationen — als überholte „Anachronismen", als nutzlose .heilige Kühe“ und gar als „Denkmäler bürgerlicher Verfallskultur“ apostrophiert wurden. Die Gefahr, als obsolet angesehen zu werden, teilen die Bundestheater mit den Theatern schlechthin. Begegnen werden wir dieser Gefahr nur dann, wenn die Bundes theater nicht nur für jene 1,5 Millionen Menschen da sind, die sie im Laufe einer Spielzeit besuchen, sondern wenn sie sich darüber hinaus als ein zentraler Faktor des kulturellen Lebens des Gesamtstaates, in dem immerhin sieben Millionen Menschen leben, erweisen. Ansätze zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit., mit Iden , kulturellen Institutionen insbesondere auf dem Bildungssektor in ganz Österreich sind gegeben. Weitaus bedeutendere Perspektiven für die Zukunft eröffnen sich. Martin Esslin hat dieser Tage in einem Vortrag in Wien darauf verwiesen, daß das Theater notwendiger denn je sein wird, vorausgesetzt, daß es sich über den abendlichen Spielbetrieb hinaus buchstäblich von früh bis spät als eine Institution erweist, von der Impulse und Initiativen in alle Bereiche der Bildungsund Freizeitgesellschaft ausgehen. Bei der Bewältigung solcher Aufgaben wäre freilich die Bundesthea-

Eine Frage bleibt offen: Die Bundestheaterreform hat unter einer Koalitionsregierung begonnen, wurde unter einer monokoloren ÖVP- Regierung fortgesetzt und erreicht unter einem sozialistischen Minderheitskabinett eine wichtige Zwischenetappe. Womit sich geradezu zwangsläufig die Frage erhebt, ob über diese politischen Veränderungen hinweg eine Generallinie der Reform eingehalten wurde. Ich bin zu sehr Partei, habe an der nunmehrigen Lösung zu sehr mitgewirkt, als daß ich diese von mir selbst aufgeworfene Frage konkreter beantworten würde als mit dem Hinweis, daß die nunmehrige Lösung lediglich die Vorstufe zu einem Bundestheatergesetz darstellt und daß die parlamentarische Debatte über dieses Gesetz eine Konfrontation der Auffassung aller Parteien bringen wird. In der eingangs erwähnten Pressekonferenz vom 19. Jänner 1970 habe ich auf die Frage, ob ein allfälliger Regierungswechsel im Gefolge der Nationalratswahl (der dann auch prompt eintrat) die Neuordnung der Bundestheater beeinträchtigen werde, geantwortet, daß hinsichtlich der Existenz, der Funktion und damit auch der Reform dieser Theater ein nationaler Konsensus herbeigeführt werden solle. An dieser Auffassung halte ich fest. Ein System, in dem die jeweilige Regierung die Bundestheater bedingungslos verteidigen muß, während sich die jeweilige Opposition zu ebenso bedingungsloser Kritik verpflichtet fühlt, erscheint mir nicht ideal. Anzustreben wäre, daß das Kritikwürdige von allen kritisiert, das Anerkennenswerte aber gleichermaßen von allen anerkannt wird. Die kommende Debatte über ein Bundestheatergesetz wird eine Probe aufs Exempel ermöglichen.

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