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Kein Allheilmittel für Budgetknappheit

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Der vom Arbeitskreis „Kunst und Kunstförderung“ der AKTION 20 seit 1967 ausgearbeitete und am 30. Dezember 1968 dem Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percevic vorgelegte Entwurf für ein Bundesgesetz, das sich mit der Neuorganisation der österreichischen Bundestheaterverwaltung befaßt, wurde von der „FURCHE“ in ihrer letzten Nummer für die Öffentlichkeit erstmals zur Diskussion gestellt. In der Folge haben nun der Leiter der Bundestheaterverwaltung, Ministerialrat Dr. Erwin Thalhammer, die Direktoren der Bundestheater, Ho trat Dr. Heinrich Reif-Gin tl (Staatsoper), Paul Hoff mann (Burgtheater) und Albert Moser (Volksoper), in Gesprächen mit „FURCHE“-Mit-arbeiter Karlheinz Roschitz zu diesem Gesetzesentwurf Stellung bezogen. In unserer nächsten Nummer folgen weitere Interviews mit den verantwortlichen Persönlichkeiten des ORF, Generalintendant Gerd Bacher, den Direktoren Doktor Alfred Hartner (Hörfunk) und Dr. Helmut Zi 1 k (TV) sowie Professor Wilfried S ch e ib, Leiter der Hauptabteilung Musik im Österreichischen Fernsehen, also mit den Herren, die sich mit den Möglichkeiten konstruktiver Zusammenarbeit mit den Bundestheatern im Falle einer Neuorganisation befassen werden.

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Der vom Arbeitskreis „Kunst und Kunstförderung“ der AKTION 20 seit 1967 ausgearbeitete und am 30. Dezember 1968 dem Unterrichtsminister Dr. Piffl-Percevic vorgelegte Entwurf für ein Bundesgesetz, das sich mit der Neuorganisation der österreichischen Bundestheaterverwaltung befaßt, wurde von der „FURCHE“ in ihrer letzten Nummer für die Öffentlichkeit erstmals zur Diskussion gestellt. In der Folge haben nun der Leiter der Bundestheaterverwaltung, Ministerialrat Dr. Erwin Thalhammer, die Direktoren der Bundestheater, Ho trat Dr. Heinrich Reif-Gin tl (Staatsoper), Paul Hoff mann (Burgtheater) und Albert Moser (Volksoper), in Gesprächen mit „FURCHE“-Mit-arbeiter Karlheinz Roschitz zu diesem Gesetzesentwurf Stellung bezogen. In unserer nächsten Nummer folgen weitere Interviews mit den verantwortlichen Persönlichkeiten des ORF, Generalintendant Gerd Bacher, den Direktoren Doktor Alfred Hartner (Hörfunk) und Dr. Helmut Zi 1 k (TV) sowie Professor Wilfried S ch e ib, Leiter der Hauptabteilung Musik im Österreichischen Fernsehen, also mit den Herren, die sich mit den Möglichkeiten konstruktiver Zusammenarbeit mit den Bundestheatern im Falle einer Neuorganisation befassen werden.

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Allgemein begrüßten alle Gesprächspartner den Vorschlag, in struktureller, das heißt künstlerischer, organisatorischer, wirtschaftlicher Hinsicht den Bundestheatern eine straffe Führung zu geben; ist doch der Komplex Bundestheater für alle ein Problem, das mit beträchtlichen Steuergeldern belastet ist. Diese „kostbare, aber auch kostspielige Erbschaft des einstigen Kaiserstaates“, diesen aufwendigen Be-itrieb möglichst rationell zu führen, ist heute mehr denn je zu einer Notwendigkeit geworden. Ob nun die Schaffung der Stelle eines Generaldirektors das ideale Heilmittel ist oder ob es nur eine weitere Belastung des Budgets durch eine neue Spitzenposition mit Riesenapparat bringen wird, darüber zeigten sich die Befragten in ihren Antworten nicht einstimmig positiv.

Dr. Eru-in Thalhammer etwa sprach von dem „Vorteil, daß hier die innere Struktur endlich einmal gründlich überprüft und im Sinne der geltenden Verfassung legalisiert wird“. Dennoch hegt er Zweifel, ob das eigentliche Ziel so rasch erreicht wird, wie dies die AKTION 20 gerne sähe: „Bisher liegt kein Zeitplan vor. Man scheint optimistischerweise mit einer Parlamenitssession zu rechnen, diesen Entwurf in Kraft zu setzen. Ich denke, das Vorprüfungsverfahren wird indes wegen neuer Vorschläge und Anregungen mehr Zeit beanspruchen.“ Zur Person des zukünftigen Generaldirektors meint Thalhammer, daß „eine betont politische Besetzung keinesfalls zu befürchten“ ist, weil der Gesetzesentwurf ausdrücklich einen Fachmann verlangt. Thalhammer sieht in diesem Generaldirektor, „der eine starke Persönlichkeit sein muß“, durchaus „keinen Hemmschuh, sondern eher einen Verfechter großzügiger theaterpolitischer Ideen, einen Primus inter pares, einen, der die Tätigkeit der Theaterdirektoren kritisch beurteilt und zugleich tätig unterstützt“. (Dazu Dr. Reif-Gintl: „Er müßte ein Supertheaterexperte sein, der von allem gleich viel versteht!“) „Natürlich darf man auch in dieser Lösung kein Allheilmittel für alle Neuralgien, besonders die Budgetknappheit, sehen, im Gegenteil, sie wird vielleicht vorerst manchen enttäuschen, der mit der Installierung einer solchen Position an eine Verbilligung des Betriebes und an allzu große Einschränkungen denkt. Indes wird der Betrieb hoffentlich beweglicher werden, schneller funktionieren.“

„Die amerikanische Subventionsmethode des Theaters hat vielleicht bei diesem Entwurf ein wenig mitgespielt. Nur, die Theater der USA und die Europas leben unter anderen Voraussetzungen, in anderen Verhältnissen, die nicht transportierbar sind. Die Staatstheater sind hervorragende kulturelle Einrichtungen eines Staates, dessen Bürger diese Leistungen anerkennen. Diese Kulturleistungen weisen das Land vor sich selbst und vor der Welt aus.

Immerhin, in allen Finanzierungsfragen wird ein Generaldirektor größere Bewegungsfreiheit haben und auch das Mäzenatentum ansprechen können. Allerdings wird dieser Gesetzesentwurf keine Novellierung der Steuergesetze für Mäzene erwirken können.“ (Was um so bedauerlicher ist, als die direkte Verbindung Mäzen-Theater dadurch praktisch unterbunden bleibt.) „Etwas problematisch stellt sich schließlich die Kontrolle dar, die in erster Linie von Betriebswissenschaftlern durchgeführt werden soll, die nicht unbedingt Theaterexperten sein werden.“

Hofrat Heinrich Reif-Gintl sieht in diesem Konzept der AKTION 20 ebenfalls keine direkte Möglichkeit zur Einschränkung der Kosten der Bundestheater, zumal die sogenannte „Aufblähung des Apparates“ vor allem situationsbedingt ist: Fünftagewoche, Orchestervergrößerungen aus akustischen Gründen usw. Positiv an diesem Gesetzesentwurf erscheint ihm die „konzentrierte Führung, solange sie die künstlerische Autorität und das Eigenleben der Theaterinstitute garantiert. Nur zu leicht kann ein solcher Verwaltungschef zur Bremse werden, wenn er nicht Mitarbeiter der Direktoren ist. Die künstlerisch-wirtschaftliche Synthese muß letztlich jeder Direktor selbst finden. Massive Einwände erhebt Doktor Reif gegen die Position eines gemeinsamen technischen Leiters, der nur zu leicht den Erfordernissen der einzelnen Häuser nicht gerecht werden wird. „Wer wird für Pannen im technischen Betrieb und die daraus resultierenden Kettenreaktionen für alle Bundestheater verantwortlich sein? Damit muß man schließlich rechnen!“ .....Eine lange Prüfungsperiode und gründliche Vorbereitung“ sind für Dr. Reif zur Realisierung dieses Gesetzes unerläßlich, um so mehr, „als die Oper selbst nur auf sehr lange Sicht operieren kann. Der Übergang zu dieser Periode müßte gleitend vollzogen werden.“ Was die Zusammenarbeit mit Mäzenen betrifft, so wünscht sich Reif nicht so sehr Ausstattungs-finanzierungen, sondern Gastspielfonds, die das Engagement berühmter Künstler unterstützen. „Ich bin nicht für überhöhte Gagen, aber man darf auch nicht dispositionsfeindlich kalkulieren, wenn man bedeutende Künstler einsetzen will.“ Eine Aufgabe für Privatmäzene wäre es auch, in der „theaterarmen Zeit für Konzernbelegschaften Vorstellungen aufzukaufen, und zwar nicht nur kulinarisches Theater, sondern auch einmal eine ,Lulu' oder ,Poppea', ein bißchen Bildungstheater zu treiben. Und nicht um weiß Gott wievielprozentige Ermäßigung! Diese Wege zu gehen, das alles''ziu vermitteln, wären Aufgaben des Generaldirektors, der ein bißchen den .Aufreiß-onkel' spielen müßte.“

Burgtheaterchef Paul Hoffmann findet den „AKTION-20“-Ent-wurf als „ernst au nehmenden Versuch, jedoch noch in Statu nascendi“. Die größte Schwierigkeit? Die Wahl des Generaldirektors, „mit dem alles steht und fällt“, sowie die Stellung des technischen Leiters, der von den Theatern mehr oder minder isoliert arbeiten soll und vermutlich mit dem Terminkalender die größten Probleme haben wird: „Wie stellt man sich vor, in Hinkunft zu gleicher Zeit — wenn auch natürlich zu verschiedenen Terminen — an zwei Theatern große Premieren herauszubringen? Wenn ein Theater da zurückstehen muß, bedeutet das eine Einschränkung des künstlerischen Betriebsablaufes und bringt nur Durcheinander in den organisatorischen Ablauf des Abonnementsystems.“ Wichtig ist ihm der Aspekt, daß der Generaldirektor Kontakte mit der Privatwirtschaft aufnehmen soll, woher Hoffmann sich Zuschüsse zum viel zu geringen Sach-Etat (2,9 Millionen Schilling für alle Pflicht-inszenderungen) verspricht, woher aber auch Beiträge für das Engagement von Spitzenschauspielern gewonnen werden könnten, da soundso viele berühmte Künstler zu heute üblichen „Burg“-Gagen nicht zu bekommen sind.

Direktor Albert Moser hat im Gesetzesentwurf einige „Fehler“ entdeckt sowie auch .Anregungen“, die erst gar nicht realisiert werden müssen, „weil sie längst durchgeführt sind“. Seine Kritik: „Am grünen Tisch ausgedacht“, vor allem „zuviel Hierarchie“, sind seine Haupteinwände, „zuwenig Autonomiegarantien“. Er befürchtet „ein Aufsaugen aller Kompetenzen“ durch die Bundestheaterverwaltung, eine eher unliebsame Konzentration. „In München konnte ich ähnliche Bestrebungen konstatieren, die jedoch bald wieder wegen der Un-durchführbarkeit aufgegeben wurden.“

Ein Kardinalfehler: „Die Konzentration der technischen Leitung.“ Moser erscheint der eigene technische Leiter für seine Bühne und Werkstätte goldeswert, lebenswichtig. Ein technischer Gesamtleiter der Bundestheater könnte alle Termine diktieren und jede Flexibilität des internen Betriebes verhindern. Die Position eines Generaldirektors findet Moser überflüssig, da ein Referent des Bundesministeriums, eben der Leiter der Bundestheaterverwaltung, mit gleichen Kompetenzen ausgestattet werden könnte. Positiv an dem Entwurf ist, daß man sich mit der Durchdenkung des Komplexes Bundestheater befaßt, daß man eine Rationalisierung plant. Was die Bundestheater brauchen, ist ein Fuiblic-Relations-Mann, der Mäzene und Publikum gewinnt, für volle Häuser sorgt, alle Möglichkeiten ausschöpft. Der Trend zur Vereinheitlichung ist ungünstig, im ganzen auch „theaterfremtf, : • Schreibtfech-arblit“, ebenso wie die Trennung des Leiters der Garderobeninspektion vom technischen Leiter, die — nach Moser — „beide eine untrennbare Ehe“ führen müssen. Ebenfalls theaterfremd findet er auch die Bestellung des Generaldirektors und der Direktoren auf fünf Jahre mit bestenfalls fünfjähriger Verlängerung. Die negative Schlußfrage stellt Moser selbst: „Glauben Sie, daß ein prominenter Opern- oder Theatermann als Direktor sich in allen Belangen einem Generaldirektor unterordnen wird?“

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