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Probespiel für ein Bundestheatergesetz

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ICH finde, es wäre höchste Zeit, zu handeln. Höchste Zeit, mit den Mißständen auf- und Mißverständnisse auszuräumen. Höchste Zeit, Österreichs Bundestheater, die durch gezielte Indiskretionen von Details aus dem Rechnungshof-Bericht in ein wahres Schlamassel von Vorwürfen, Gerüchten, Attacken gegen ihre Existenzberechtigung geraten sind, aus ihrer Zwangslage zu befreien. Denn daß es ein Unsinn ist, die „heiligen Kühe“ Bundestheater hier partout notzu-schlachten, nur damit „was g'schieht“, sehen selbst die notorischen Gegner des „größten Theaterkonzerns der Welt“ ein.

Nach vier Jahren allzu geruhsamen, beiläufigen Lavierens in Burg und Oper, hat sich jetzt jedenfalls Unterrichtsminister

Sinowatz zum Angriff auf die Bastionen seiner autonomen Direktoren aufgerafft. Großaufräumen unter den Direktoren, die uns noch Unterrichtsminister Gratz bescherte. Und mit den neuen Herren von Burg und Oper, mit Achim Benning und Egon Seefehlner, wird jetzt etwas weniger zimperlich umgegangen werden. Sie, die echte Theaterpraktiker sind, würden sich darüber sogar wundern, wenn sie überhaupt keinen Widerspruch zu hören bekämen ...

„Ich fühle mich zwar nicht als Superdirektor“, aber eine mehr „kollektive Führung“ der Häuser werde in Hinkunft schon für die Beseitigung der Mißstände sorgen, die durch den Rechnungshof-Einschaubericht aufgedeckt wurden. So befand jedenfalls Unter-

richtsminister Sinowatz auf seiner Pressekonferenz, vor versammelter Führungsspitze der Bundestheater, nachdem er mit Bundestheater-„General“ Robert Jungbluth, dessen Vertreter Otto Vajda, den designierten Chefs von Burg und Staatsoper und Volksoperndirektor Karl Dönch die Details einer „kleinen Reform“ ausgehandelt hatte.

„Der Rechnungshofbericht war für unsere Reformstrategie wesentlich“, katapultierte sich Sinowatz da aus der Krach- und Skandalatmosphäre ins Konstruktive. „Wenn man erkannt hat, daß etwas getan werden muß, so erfordert das eine Bewußtseinsbildung!“

Entscheidend dafür scheint mir, daß ab sofort eine neue „Dienstinstruktion“ verfügt wurde. Sie vergattert zum Beispiel die Bundestheaterdirektoren — bitte, warum eigentlich erst jetzt, nach all den Katastrophen? — einmal monatlich zu gemeinsamem Gespräch über alle wesentlichen Organisationsfragen. Nur so können zentraler Materialeinkauf und Werkstätten richtig ausgelastet, Arbeitsballungen und damit Uberstunden, überhöhte Ausgaben wegen falscher Planung oder Schlampereien vermieden werden. Jeweils bis 31. März müssen die Direktoren in Hinkunft ihre Pläne für die nächste Spiel-

zeit vorlegen, und zwar mit allen künstlerischen, personellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Details.

Auch für die Politiker und für die Kosmetik hat man einiges getan: Für die Politiker ist es der Slogan „Öffnung der Bundestheater“: Mehr Publikum aus den Bundesländern, mehr Jugend-und Pensionistengruppen in die Theater, eine Burg-Vorstellung für Kinder... Das sind so die ersten Sinowatz-Wünsche. Deshalb hat man übrigens die Abonnements in Burg- und Akademietheater von sieben auf sechs Vorstellungen gekürzt, in Staatsund Volksoper von sechs auf fünf. So werden mehr Karten in den freien Verkauf kommen; und zugleich sollen die seit Jahren wartenden Abonnementsanwärter endlich befriedigt werden.

Mehr „kosmetischer“ Art sind die Freikartenverordnungen, mit denen Sinowatz aufwartet: Die 80.000 bis 90.000 „Wattekarten“, die jährlich in allen vier Häusern übrigbleiben, werden ab September vor der Vorstellung an Studenten, Schüler und Heeresangehörige zu einem Einheitspreis (20 Schilling) abgegeben werden. Politiker müssen ihre Karten selber kaufen. Lediglich eine Loge wird für Gäste „im Interesse des Staates“ zur Verfügung stehen,

Also sprach der Minister. Und

das Reformlicht leuchtete in der Finsternis. Aber als Höhepunkt der Reformshow leisteten die neuen Direktoren ihren Bekenntniseid zur kleinen — wenn auch in etlichen Fragen bloß halbcouragierten — Reform; so Seefehlner, der noch bis Juni Chef an Berlins Deutscher Oper ist: „Dort ist alles schlimmer.“ Und Benning: „Ich stelle mir vor, daß ich nach meiner Uberzeugung entsprechend handeln kann. Wenn mich der Minister zu etwas zwänge, würde ich meinen Posten verlassen. Aber ich sehe die Bundesthater nicht vom Minister bedroht, sondern nur vom Einfluß der Gewerkschaften und der Mi-nisterialbürokratie.

Fürs erste also: Zufriedenheit. Auch wenn es im Grunde unglaublich ist, daß da erst für die Theaterführung Grundsätze verordnet werden müssen, ohne die ein normal funktionierender Betrieb ja gar nicht existieren könnte: nämlich sparsame, korrekte Planung, straffe Organisation, optimale Auslastung und höchste Qualität des Produkts, der Kunst, auf deren Kosten ja schließlich am allerwenigsten gespart werden sollte. Denn um der Kunst willen bestehen schließlich die Theater! Oder sollte mancher diese Institute als Versorgungsanstalten mißverstanden haben?

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