6845132-1976_16_02.jpg
Digital In Arbeit

“ Feste statt Fasten

Werbung
Werbung
Werbung

ICH bin sicher, daß die „schöne Leich'“ bei uns hoch im Kurs stand und steht — speziell in Wien. Das kann man immer wieder konstatieren. Aber man versteht es auch, Feste zu feiern. Und dafür haben während der letzten Wochen die Bundestheater geradezu klassische, ja brillante Beispiele beigesteuert. Sie kamen wie gerufen. Trotzdem kann man nicht sagen, daß sie sozusagen extra und als „Defensive“ veranstaltet wurden. Denn man hatte sie ja längst geplant , und auch programmiert...

Längst, bevor Details aus dem vorzeitig veröffentlichten Bericht

des Rechnungshofes nicht nur die traditionellen Nörgler, sondern auch ernstzunehmende Kritiker auf den Plan riefen und die öffentliche Meinung mobilisierten. — Diese durch die Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen verbreiteten und mit Zahlen belegten Beispiele von Mißwirtschaft und Verschwendungssucht, von Fehlplanung und unrationeller künstlerischer und technischer Gebarung haben auch bei den Wohlgesinnten, bei Kunstfreunden und bei Leuten, denen man keinen „Neidkomplex“ nachsagen kann, Erstaunen, Verbitterung, ja Empörung

hervorgerufen (wir konnten uns in vielen Gesprächen und Diskussionen davon überzeugen).

Und dann kamen die großangekündigten Jubiläumsfeiern: zwar — derweilen — nicht in Gestalt glänzender Aufführungen, wie es metiergerecht gewesen wäre, sondern durch eine als „Staatsakt“ zu bezeichnende Matinee, einen Festabend im Akademietheater und einen großen Empfang der „Freunde des Burgtheaters“ in dem in farbiger sezessionistischer Pracht erstrahlenden Schubert-Saal im Konzerthaus. — Und ein großer Teil von all dem Interessanten und wirkungsvoll Präsentierten

wurde durch Rundfunk und Fernsehen auch ins Haus geliefert. Da blieb wohl kein Auge trocken ...

In der Tat kann vor allem das Matineeprogramm des Burgtheaters als meisterhaft qualifiziert werden und ist von Kennern als die beste Regiearbeit dieser Bühne bezeichnet worden (als den im Programm nicht genannten Regisseur vermuten wir Doktor Gottfried Heindl). Die Auswahl der meist kurzen, aber um so wirkungsvolleren Texte

stammte von literaturkundlicher Hand, angefangen von Goethes Urworten-Orphisch bis zu einigen ebenso wichtigen wie witzigen historischen Dokumenten; dazu die Vertreter von vier ausländischen und zwei inländischen Bühnen, die — gewandt präsentiert — poetische Grüße in der jeweiligen Originalsprache über- , brachten. Das hatte alles einen Hauch von großer Welt, wie man ihn bei uns selten spürt. Und da auch die Philharmoniker mitwirkten, sind dem Gast — und den vielen Millionen vor den Fernsehschirmen — wohl selten zwei Stunden so schnell vergangen.

Von kaum geringerem Rang war der Festabend im AJcademie-theater mit einem ebenfalls gutgewählten Programm und unseren prominentesten Schauspielern. Nennen wir nur aus Burg und Akademietheater Paul Hör-biger, Hermann Thimig, Paula Wessely, Ewald Baiser, Alma Seidler, Annemarie Düringer, Paul Hoffmann — und bitten die Nichtgenannten, uns zu verzeihen.

Am Schluß des großen Burgtheaterspektakels kamen die „offiziellen“ Reden. Natürlich waren sie vorprogrammiert. Doch nach

dem vorausgegangenen Festlichen, aber nie Pompösen, eher zuweilen Witzigen und Ironischen kam ein ganz besonderer Ton in die Politikerreden: etwas von Wohlwollen und Freundlichkeit, und die unvermeidlichen Ermahnungen zu Sparsamkeit und besserer Organisation waren — man muß es schon zugeben — meisterlich in viel gute Laune verpackt. Und sie bekannten sich alle zum Burgtheater in seiner heutigen Form, damit auch indirekt zum Bundestheaterverband: der Bundespräsident und der Bundeskanzler und der Bundesminister für Unterricht.

Doch halten wir fest: Es wurden zwar Pläne entwickelt, sehr allgemeine, und Versprechungen abgegeben. Doch hat sich, besonders was die Direktion und den Apparat betrifft, bisher nichts Wesentliches geändert. Wir wissen: Das geht nicht von heute auf morgen. Aber die künftigen Direktoren von Burg und Oper mögen sich durch den schönen Schein, das freundliche Licht, das diese Feiern und ein rundes Dutzend Burgtheaterausstellungen ausstrahlten, nicht blenden lassen. Und womöglich das alles bald wieder vergessen....

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung