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Schülerdemokratie im Zwielicht

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Noch unter dem Unterrdchtsmini-ster und jetzigen SP-Bürgermeäster von Wien, Leopold Gratz, hat der Bundesschülerbeirat sein Debüt gefeiert. Auch von Schulreformer Sino-watz war nie bestritten worden, daß in der Versammlung engagierter Jungpoldtiker Idee und Vorschlag des Mittelschülerkartellveirbandes (MKV) Wirklichkeit geworden war.

Freilich haben sich die Farbstudenten unter der ganzen Sache etwas anderes vorgestellt, als schließlich — übrigens nahezu unter Ausschluß der Öffentlichkeit — herausgekommen ist. Der Schülerbeirat gleicht heute einem kranken Fisch, der von den Wellen hin und her geworfen wird, nicht mehr fähig, die Richtung selbst zu bestimmen. Während das Ministerium die Arbeit der letzten Jahre in höchsten Tönen feiert, bilden die Schüller aller Weltanschauungen eine gemeinsame Phalanx: sie fühlen sich gefrotzelt.

Von Anfang an bestanden die Mittelschüler darauf, daß der Beirat nur eine Ubergangslösung auf dem Weg zur gesetzlich geregelten bundesweiten Interessenvertretung sei. Gleich zu Beginn gaben die Initiatoren auch zu, daß es eine Illusion ist, zu glauben, irgend jemand außer politischen Jugendorganisationen könne die Kontinuität in der ministeriellen Diskussion sichern.

Die Befürchtungen von damals sind die Gewißheit von heute. Jährlich neu gewählte Vertreter brauchen einige Monate, den Anschluß an den Vorgänger zu finden, um die bereits behandelten Dauerbrenner vergangener Amtsperioden neu aufzuwärmen. Sie können ja nicht wissen, was geredet wurde, denn die Protokolle sind rar. Daß solcherart die halbe Zeit in nie gelösten Fragen aufgeht, kommt nur denjenigen zu Bewußtsein, die länger als ein Jahr als Sohülercapos fungieren.

Daß Fred Sinowatz diesen Umstand ausgenützt hat, liegt für Österreichs größte Schülervereinigung, die Union Höherer Schüler (UHS), auf der Hand. Eine dauernde Hänhalte-strategie will sich niemand gefallen lassen./

Interessant erscheint, daß seit Bestehen der Institution alle Sprecher oder Vorsitzenden dem bürgerlichen Lager angehörten. Der MKV sieht darin eine weitere Ursache des sozialistischen Boykotts.

Daß der Schülerbeirat nicht gerade mit Machtbefugnissen gesegnet ist, zeigt schon das Fehlen jeglicher Geschäftsordnung, die man zwar seit Jahren verlangt, in endlosen Streitereien immer wieder neu beschließt, aber bis dato nicht genehmigt hat.

Die Auseinandersetzung um Weiterbestehen oder Auflösen des Gremiums hat sich bereits zu Formulierungen wie „Bewedhräucherungs-verein“ und „... für blöd verkaufen“ verschärft. Ein Schüler ging sogar so weit, dem Minister das nötige Demokratieverständnds abzusprechen. Wenngleich hierin doch ein starker Schuß Polemik liegt, gibt das Resümee der insgesamt zwölf Sitzungen zu denken. Denn außer bei Verordnungen zum Schulunterrichtsgesetz (SCHUG) waren mühsam ausgehandelte Forderungen — Jugendliche kämpfen um einiges härter als Parlamentsparteien — allein für den Papierkorb gut. Und dies verärgert.

War doch einer der zentralen Wünsche der unmittelbaren Vergangenheit die Novellierung des Paragraphen 46/3 SCHUG, worin Schülerzeitungen jegliche Werbung untersagt wird. Die Nach wuchs Journalisten fühlten sich abgewürgt und baten um Änderung.

Die Wirksamkeit eines anderen Weges bewies daraufhin die UHS. Nachdem der Beirat dem Minister mit Zweidrittelmehrheit die Aufnahme auch dieser Organisation empfohlen hatte, Sinowatz jedoch mit der Begründung ablehnte, das unterlegene Drittel sei ihm wichtiger als die qualifizierte Mehrheit, gelang in persönlichen Gesprächen mit Beamten und Politikern ein bedeutender Fortschritt. Die engagierten Jugendexperten empfinden Anerkennung für ihre Aktivitäten und das nötige Verständnis für Schüleranliegen. Das Klima der Partnerschaft — und dies erscheint grundsätzlich wichtig — beginnt also nur dort zu gedeihen, wo der zwischenmenschliche Kontakt intensiviert wird.

Wie sieht die Zukunft aus: MKV und UHS stammen darin überein, daß zwei Möglichkeiten offenstehen. Entweder macht sich der Beirat selbständig und versucht mit Hilfe des öffentlichen Interesses Meinungen zu bilden, oder der Minister läßt sich auf Gesetzesebene Zugeständnisse abringen.

Nach dem Motto „panem et dr-censes“ gestalteten die zuständigen Herren der Abteilung 1/9 am Mino-ritenplatz bislang noch ein Tagungsprogramm — auch diese Arbeitsteilung sei vermerkt —, das den leicht verstörten Demokratiefanatikern zumindest an einem der Abende einen Burgtheater- oder Opernbesuch in Aussicht stellte. Geblieben sind davon letztlich nur vorgeschriebene Tagesordnungen, gespickt mit Beamtenreferaten zu blldungspolitischen Themen, was allein nicht befriedigt.

Die Zeit zur Entscheidung ist gekommen: Will Sinowatz die Schüler nicht endgültig vor den Kopf stoßen, wird er sich zu einem Goodwill-Akt aufraffen müssen, um das vorhandene Restchen Bereitschaft zur Zusammenarbeit für sich zu nützen.

Denn blind diktieren lassen sich Jugendliche heute nichts mehr — am wenigsten die Gestaltung ihrer politischen Umwelt.

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