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„Ein merkwürdiger Wechselbalg“

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Der Krach ums 800-Millioncn-Budget der Bundestheater legt sich allmählich. Der Skandal, den geschickt lancierte Indiskretionen aus dem noch unveröffentlichten Rechnungshofbericht ausgelöst haben, verebbt. Konstruktive Gespräche — das ist es, was sich im Moment alle wünschen. Von den attackierten Künstlern der Bundestheater bis zu Unterrichtsminister Sinowatz. Sie sehen, wie da das Kind „Bundestheater“ beinahe mit dem Bad ausgegossen wird. Und sie fühlen sich allesamt ein wenig in die Situation des Zauberlehrlings gedrängt, der die Rechnungshof-Geister, die da zitiert wurden, nicht mehr loswerden ... Zentralfigur in diesem „Spiel der Mächtigen“ ist aber Robert Jungbluth, Generalsekretär des Bundestheaterverbandes, der Mann, der gerade in letzter Zeit immer wieder heftig beschossen wurde. Der Mann also, der Bundeskanzler Kreiskys Attacken, des Finanzministers Rügen und des Unterrichtsministers Wünsche nach strengster Sparsamkeit, Qualitätsverbesserung und exakterer Planung seinen künstlerisch autonomen Direktoren ausdeutschen muß. DIE FURCHE fragte Robert Jungbluth über sein „Sparkonzept“ aus:

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Der Krach ums 800-Millioncn-Budget der Bundestheater legt sich allmählich. Der Skandal, den geschickt lancierte Indiskretionen aus dem noch unveröffentlichten Rechnungshofbericht ausgelöst haben, verebbt. Konstruktive Gespräche — das ist es, was sich im Moment alle wünschen. Von den attackierten Künstlern der Bundestheater bis zu Unterrichtsminister Sinowatz. Sie sehen, wie da das Kind „Bundestheater“ beinahe mit dem Bad ausgegossen wird. Und sie fühlen sich allesamt ein wenig in die Situation des Zauberlehrlings gedrängt, der die Rechnungshof-Geister, die da zitiert wurden, nicht mehr loswerden ... Zentralfigur in diesem „Spiel der Mächtigen“ ist aber Robert Jungbluth, Generalsekretär des Bundestheaterverbandes, der Mann, der gerade in letzter Zeit immer wieder heftig beschossen wurde. Der Mann also, der Bundeskanzler Kreiskys Attacken, des Finanzministers Rügen und des Unterrichtsministers Wünsche nach strengster Sparsamkeit, Qualitätsverbesserung und exakterer Planung seinen künstlerisch autonomen Direktoren ausdeutschen muß. DIE FURCHE fragte Robert Jungbluth über sein „Sparkonzept“ aus:

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FURCHE: Wo und wie können die Bundestheater in den kommenden Jahren sparen?

JUNGBLUTH: 85 Prozent unseres Budgets sind Personalausgaben, die sich aus Aktivbezügen und Pensionsbezügen (1977 bereits mehr als 200 Millionen Schilling) zusammensetzen. Und sie werden in dem Ausmaß steigen, in dem Lohn- und Gehaltsübereinkommen zwischen der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes und dem Bund abgeschlossen werden. Die Höhe dieser Kosten ist aber durch uns nie beeinflußbar gewesen, sie wurde in den dafür zuständigen Ministerien und im Bundeskanzleramt ausgehandelt. Die Kosten betreffen das Gruppenpersonal, also die künstlerischen Gruppen Orchester, Chor und Ballett, ferner die gesamte Technik und das gesamte Verwaltungspersonal. Daß man hier möglicherweise, dem Rech-

nungshofbericht folgend, aus dem Personal ein höheres Maß an Dienstleistung herausbekommt, ist schwierig. Schließlich gibt es Kollektivverträge ... Außerdem gibt es die künstlerische Personalgruppe der Gäste, Externisten, Substituten. Vor allem im Fall der Gäste setzt man ja bereits auch international Maßnahmen, damit die Sologagen in Hinkunft nicht mehr in solchen Ausmaßen steigen können wie in letzter Zeit. Zum Beispiel die Opernstars: Viele kleinere Opernhäuser der BRD haben sich dank ihrer günstigen Wirtschaftslage plötzlich Spitzensänger leisten können, von denen sie früher nicht zu träumen gewagt hätten. Stuttgart, Frankfurt, auch Hamburg und Berlin haben plötzlich die Stars der „Met“, der Scala, von Covent Garden und Wien engagiert und dadurch den ohnedies sehr be-

grenzten Markt der internationalen Spitzenstars ausgelastet.

FURCHE: Heißt das, daß Sparen ausschließlich in diesem schmalen Bereich der Sängergagen möglich ist?

JUNGBLUTH: Man kann auf ein paar Gebieten sparen. Durch die Wahl kleinerer Werke etwa, in der Ausstattung usw. Aber letztlich geht es darum, Sparen nicht auf Kosten künstlerischer Qualität zu betreiben. Man muß sich endlich bewußt werden, daß „Sparen“ bloß ein Schlagwort ist, daß man nur dort sparen kann, wo man, ohne künstlerischen Schaden anzurichten, Kosten reduzieren kann. Schließlich hat ja der Rechnungshof das Sparen nicht erfunden. Wo einzusparen war, ist das in den letzten Jahren geschehen. Wenn im Rahmen der Autonomie dennoch Dinge vorgekommen sind, die vielleicht zu revidieren wären, und wenn es manche alte Verträge gegeben hat, die geprüft werden müssen, so wird man hier ansetzen müssen. Es gibt solche Fälle (Namen und Beispiel will Jungbluth keinesfalls nennen, Anm. d. Red.). Und es ist Sorge getragen, daß Verträge, die wir nicht aus zwingenden Gründen verlängern müssen, auch nicht mehr erneuert werden. (

FURCHE: Die Verschreendung, die man den Bundestheatern vorwirft, wird doch vor allem mit dem Argument der falchen Planung begründet!

JUNGBLUTH: Da wird viel Falsches gesagt. Wenn zum Beispiel ein Sänger 100 Abende in seinem Vertrag hat und nur 50 singt, heißt es ja nicht, daß er damit nicht ausgelastet ist. 50 Abende sind für einen guten Sänger faktisch eine volle Vertragserfül-

lung. Wenn man trotzdem 60, 70 oder 80 Abende in den Vertrag setzt, ist das ein Mittel der Direktion, aus einem Sänger mehr herauszuholen, ihm für den Notfall nicht noch Sondergagen zu zahlen ... Ich gebe natürlich zu, daß das merkwürdig aussieht.

FURCHE: Wie werden die verordneten Sparmaßnahmen im neuen Bundestheatergesetz verankert?

JUNGBLUTH: Der Fehler der Bundestheater ist, daß ihre momentane Struktur ein Unikum ist. Sie sind nicht Behörde, Ministerium, Betrieb ... Ein merkwürdiger Wechselbalg. Das Gesetz soll den Kompetenzenwirrwarr, diese Unzulänglichkeiten der Struktur, endlich bereinigen und aus diesem vielschichtigen Unternehmen einen Betrieb machen, der sich an künstlerischen und ökonomischen Gesetzen orientiert. Unterrichts-, Finanz-, Bautenministerium und Bundeskanzleramt mischen heute mit... Überall Strömungen, Wünsche, Überlegungen, Gescheitheiten, Ungereimtheiten. Und all das bricht über den Betrieb herein. Das ist doch ein Unding, das

durch das Gesetz geregelt werden muß. Neu wird dabei das Kuratorium sein, ein Aufsichtsorgan, eine Kontrollstelle, die den Jahresabschluß prüft.

FURCHE: Wie weit wurden Sparvorschriften bei den Verträgen mit den neuen Direktoren von Staatsoper (Egon Seefehlner) und Burgtheater (Achim Benning) bereits einkalkuliert?

JUNGBLUTH: Jeder Direktor bekommt sein Budget. Der gute Direktor macht damit gutes, der bessere besseres Theater. An der künstlerischen Autonomie wird nicht gerüttelt. Außerdem haben die neuen Direktoren bereits beim Hearing im Parlament zum Gesetzesentwurf Stellung genommen. Sie waren mit der Gesetzesvorlage einverstanden. Die Direktoren unterfertigten gemeinsam mit mir Verträge. Sollten sich da unterschiedliche Auffassungen ergeben, wird das Kuratorium bzw. bis zum Gesetz der Minister kurzfristig entscheiden.

FURCHE: Was passiert, wenn nun ein Direktor mit seinem Budget nicht auskommt?

JUNGBLUTH: Die Ansätze des Staatsopernbudgets für Direktor Seefehlner sind die Beträge, die für 1976 zur Verfügung stehen, bzw. jene Beträge, die 1977 zu erwarten sind. Wir gehen dabei davon aus, daß sich die Ausgaben 1977 nicht wesentlich erhöhen dürfen. Lediglich eine gewisse Teuerungsquote wird abgegolten. Was Seefehlner also plant, basiert auf den Budgetzahlen für 1976 und dem erwarteten Zuwachs für 1977. Aber diese „Inflationsprozente“ sind ihm noch nicht gesichert, solange das Budget nicht im Parlament beschlossen wurde. Sollte er jedenfalls wirklich nicht auskommen, so wird er beim Programm für die folgende Saison 1977/78 weniger Ausgaben kalkulieren müssen.

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