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Imperator Jungbluth

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Nach vielen Kontroversen mannigfaltiger Art umgibt die Drachenthrone in Burg und Oper schon seit einiger Zeit eine verdächtige Stille. An der Gerüchtebörse werden zwar diverse Nachfolger für Gerhard Klingenberg und Rudolf Gamsjäger gehandelt, wobei dem eher dürftigen Trio präsumptiver Burgkandidaten Boy Gobert, Peter Stein, Ernst Haeussermann, an der Oper die doppelte Zahl gegenübersteht, von Albert Moser, Christoph von Dohnänyi, August Everding, Egon Seefehlner bis zu Rolf Liebermann und Karl Dönch — von konkreten Verhandlungen der zuständigen Stellen ist jedoch nichts bekannt. Dabei ist die Saison 73/74 so gut wie beendet, und Minister Si-nowatz hat verbindlich zugesagt, den Nachfolgern eine ebenso lange Vorbereitungszeit garantieren zu wollen wie den gegenwärtig noch amtierenden Direktoren.

Niemand scheint aber so recht zu beachten, daß der Spiritus Rector aller neuen Verhandlungen nicht am Minoritenplatz sitzt — sondern, im Hanuschhof, und nicht, Sinowatz heißt — sondern Jungbluth.

Nach Hilbert, Morboe, Haertl, Wei-kert, Thalhammer und Heindl ist Robert Jungbluth der erste NichtBeamte und der erste Nicht-Akademiker an der Spitze der nunmehr Bundestheaterverband geheißenen Institution.

Der dynamische AUroundimpre-sario kann allerdings auf eine erstaunliche Karriere zurückblicken: nach erfolglosen Bemühungen um eine künstlerische Laufbahn (Schauspieler (absolvierter Turnlehrer, als solcher im Wiener Stadtschulrat um den Wiederaufbau des Theaters der Jugend bemüht, dann Leiter für kulturelle Veranstaltungen unter Stadthallendirektor Eder, von 1965 bis 1068 Verwaltungsdirektor des ..Theaters an der Wien“, von 1968 bis zu seiner Berufung in den Bundestheaterverband Direktor der Stadthalle.

Nun nennt er sich schlicht „Generalsekretär des Bundestheaterverbandes“. Betrachtet man jedoch seinen Aufgabenbereich in der „Gemeinsamen Dienstinstruktion des Bundesministeriums für Unterricht und des Bundesministeriums für Finanzen betreffend den Österreichischen Bundestheaterverband“, die Leopold Gratz noch herausgegeben hat und die bis zum Inkrafttreten des neuen Bundestheatergesetzes verbindlich ist, so benötigt dessen Darstellung einige Seiten, während die Kompetenzen der einzelnen Direktoren in wesentlich dürftigere Paragraphen gefaßt sind.

Jungbuth wurde geholt, um aus den notorisch defizitären Musentempeln so etwas wie einen kommerziell geleiteten Konzern zu formen, konnte jedoch das Hinaufschnellen des „Betriebsabganges“ (weniger verschleiert auch Defizit genannt) bis jetzt nicht verhindern. Er betrug 1971 445 Millionen, 1972 514, und 1973 bereits 631 Millionen. Es wird (voraussichtlich) der 700 Millionengrenze nahekommen und 1975 (wenn kein Wunder geschieht) die Milliardengrenze erreichen!

Von „Einsparungen“ kann keine Rede sein, ja man gewinnt sogar den Eindruck, daß das Geld noch viel leichter ausgegeben wird als früher, allerdings „just for show“, ob nun für neue, prunkvolle Büroausstattungen, Kassenräume, oder etwa für die Demel-Geburtstagstorte für Karl Böhm, die immerhin 14.000 Schilling gekostet hat.

Völlig unverständlich erscheint auch, daß Robert Jungbluth sich zusätzlich zu seiner Fülle von Kompetenzen als Generalsekretär noch die Leitung der Wien-Film aufhalsen konnte, die er ebenfalls „sanieren“ will.

Es sieht so aus, als geschehe dies vorderhand auf Kosten des Bundestheaterverbandes, der nicht nur eine

ausschließlich für die Wien-Film arbeitende Sekretärin bezahlt, sondern auch die Renovierung der „Fledermaus“-Aus stattung der Volksoper an die Wien-Film vergeben hat (reine Arbeitszeitkosten ohne Material fast eine halbe Million Schilling). In ähnlichen Regionen bewegen sich die Kosten der bei Adlmüller gearbeiteten Kostüme. Um dieses Geld hätten die bundeseigenen Theaterwerkstätten ja fast eine neue „Fledermaus“ herstellen können — umso mehr, als sie durch den Ausfall der Staatsopern-„Meistersinger“ ja genügend Zeit dafür hätten haben müssen ...

Nach außen hat sich Robert Jung-bluth also bisher mit „Schaureformen“ und Oberflächenkosmetik begnügt, nach innen jedoch versucht, seine Stellung zu einer Position auszubauen, die bei weitem nicht auf das Kommerzielle beschränkt blieb. Dem Vernehmen nach sollen sich die Direktoren Klingenberg und Gams-jäger das Hineinreden in künstlerische Belange verbeten haben, während Karl Dönchs Widerstand gegen den Generalsekretär auf wesentlich

schwächeren Beinen steht und manche Künstler sich schon gewundert haben, warum der (autonome) Direktor der Volksoper bei rein künstlerischen Entscheidungen so oft beim Bundestheaterchef „rückfragen“ muß. Auch die Anwesenheit des Generalsekretärs beim Vorsingen dürfte ein Novum darstellen. Nicht gut vereinbar mit der Autonomie der Direktoren scheint auch der Umstand, daß die Künstlerverträge jetzt zuerst dem Generalsekretariat eingereicht werden müssen, wo sie auch geschrieben werden (was oft ärgerlich lang dauert); erst dann gehen sie an die betreff enden Häuser zurück und können von Künstlern und Direktoren unterzeichnet werden. Früher wurden sie von der jeweiligen Direktion ausgefertigt und der Bundestheaterverwaltung zur Kenntnisnahme zugeleitet, nachdem sie von Künstler und Direktor bereits unterzeichnet waren. Wozu also diese neue Umständlichkeit, da doch endlich „reformiert“ werden soll?

Die Prüfung des Bundestheatergesetzentwurfes, das im Herbst dem Parlament vorgelegt werden soll, werden es nicht leicht haben und sie dürfen es sich auf keinen Fall leicht machen.

Keinesfalls aber dürfte es dahin kommen, daß ein übermächtiges Generalsekretariat Burg und Oper zu Satelliten herabwürdigt: an der Gerüchtebörse flüstert man schon, Jung-bluths Traum wäre es, Dönch in die Staatsoper zu transferieren (um dort dann gänzlich den Ton angeben zu können?).

Der „Transparenz“, von der so oft geredet wird, scheint man im Hanuschhof nicht huldigen zu wollen, aber das Publikum, das den Moloch Bundestheater mit Millionen füttert, sollte doch ein Recht auf Information haben und unssen dürfen, ob etwas geschieht, was geschieht und warum. Vor allem sollte es nicht wieder passieren, daß Kandidaten durch Hintertürchen auf Posten lanciert werden, die sie nicht ausfüllen können — nur weil sie Parteifreunde oder „nur“ Freunde der gegenwärtigen Machthaber sind ...

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