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Unsere Oper: offenes Haus

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Seit Monaten wurde der Rücktritt Karajans erwartet. Die Zustände rund um die Wiener Oper hatten im Ausland Spott und Verwunderung, im Inland tiefe Beunruhigung hervorgerufen. Diese Beunruhigung wurde nicht durch den Dirigenten Herbert von Karajan ausgelöst, der als gern und selten gesehener Gast am Dirigentenpult erschien. Die häufige Abwesenheit Karajans verhinderte jedoch jede organische Pflege, jeden Aufbau eines Ensembles. Denn es sind ja nicht nur die Philharmoniker, die sich Karajans Nichtliebe zu erfreuen hatten: gut und teuer, recht und billig erschien nur, was aus Italien kam. Uns liegt hier, in der „Furche“, jeder Kantönligeist ferne. Sänger und Sängerinnen aus aller Welt sind uns willkommen. Die Wiener Staatsoper hat aber die Pflicht, als eines der vornehmsten Kulturinstitute Österreichs Weltkunst und Weltkultur zunächst einmal mit österreichischen Mitteln zu pflegen: mit dem reichen Potential künstlerisch hochbegabter Menschen, die uns zur Verfügung stehen. ..,. ,\

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Die Wiener Staatsoper bedarf einer Führung, die sich hier zu Hause weiß. Unsere Oper kann der Welt ihr Bestes geben, wenn sie sich selbst findet, sich selbst finden darf. Patriotismus, Sachlichkeit, Kunstverstand — Dienst am Ganzen —, sie legen die Fundamente. Schon warten erstrangige Künstler, auch Dirigenten, die bisher durch Karajan von Wien ferngehalten wurden, auf Berufungen nach Wien: als Mitarbeiter, nicht als Diktatoren.

Das ist die große Aufgabe, die vor uns liegt. Sie kann nicht von Satelliten eines hohen Gestirnes am Himmel der Kunst geleistet werden, sondern von Menschen, hier, auf dem Boden Wiens, die — immer anwesend — die längst fällige Aufforstung beginnen: in dem schönen Garten der Frau Musica, die gern fremde Gäste empfängt, aber das eine nicht entbehren kann: eine Heimat, ein Zuhause.

Macht die Türe auf! Unsere Oper kann nur gewinnen, wenn sie endlich wieder ein offenes Haus wird: in dem in edlem Wettstreit im Konzert der Nationen und der Dirigenten die Musik der Vergangenheit und Gegenwart in aller ihrer Vielgestalt eine Pflegestätte findet.

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