6839543-1975_35_11.jpg
Digital In Arbeit

Wieder Salzburger Genüsse

Werbung
Werbung
Werbung

Große prominente Aufgebote dominieren in der letzten Woche der Salzburger Festspiele: Karajan dirigiert seine Konzerte, und zwar Bruckners Achte, Strauss' Don Quixo-te mit Rostropowitsch als Solisten, Metha kommt mit der Israel Philharmonie und Leonard Bernstein bereitet zum Finale eine Aufführung von Gustav Mahlers achter Symphonie vor. Den Auftakt zu diesem so glanzvollen Fest gab Karajan selbst mit seiner Aufführung von Verdis Requiem, das er mit den Stars seiner „Don Carlos“-Gala besetzte. Daß die 1874 für Verdis verstorbenen Freund, den Dichter Alex-xandro Manzoni, komponierte Totenmesse zu Karajans Lieblingswer-ken.-zählt, weiß man seit Jahren. Sie vermag den Dirigenten zu faszinierte wie hur wenige Messen und Oratorien. Im Grunde ist die stilistische Mischung in diesem Werk genau das, was Karajan als musikalische Dramatik bevorzugt.

Da kann er seine Freude an der

Italianitä auskosten, kann seine Kunst im Führen großer Opernstimmen zeigen, kann sein Gespür für Chor- und Orchesterfarben und monumentale Steigerungen nach Art der Oper des 19. Jahrhunderts immer wieder unter Beweis stellen. Und so merkte man auch dieser Aufführung im großen Festspielhaus an, wie da Verdis kühne Mischung aus Elementen der madrigalen Polypionie des 16. Jahrhunderts, Psalm-odien der katholischen Liturgie, virtuosem Belcanto des 19. Jahrhunderts und spätromantischen Orchesterfarben zu einem Bogen von imponierender dramatischer Kraft geformt wurde.

Die Wiener Philharmoniker und der Wiener Singverein führte Kafajan dabei zu einem musikdramatischen Eigenleben, wie man das nur von Toscaninis Aufnahme kennt. Beiden verlangt er das Äußerste ab an technischer Sicherheit, was für Karajan eine Selbstverständlichkeit ist, vor allem aber in der Ballung des Ausdrucks, an kunstvollen Schattierungen, an Farberuptionen und deren Verlöschen ... Für die Solistenstimmen sorgte Karajan diesmal besonders aufmerksam und rücksichtsvoll, modellierte Orchester und Chor nach dem Maß der Stimmen: Mirella Freni sang die Sopranpartie wieder mit unvergleichlicher Süße, daß man an Elisabeth und Desdemona denken mußte, Fiorenza Cossotto, kraftvoll und souverän wie in ihrer Glanzzeit, sang berückend schön. Placido Domingo und Nicolai Ghiaurov wirkten hingegen etwas abgespannt, Domingo zum Beispiel im Registerwechsel verunsichert, wenngleich sein Pianoschmelz zum Schönsten gehört, was man zur Zeit von Opernsängern hören kann; bei Ghiaurov wirkte der Beginn zu sehr nach Kraftleistung, was er erst allmählich austarieren konnte.

Galina Wischnewskaja, begleitet von Mstislav Rostropowitsch, sang den letzten Liederabend des Festivals- und hatte mit ihrem russischen Programm — Tschaikowsky, Mous-sorgsky, Prokofieff, Strawinsky —, das man bereits aus Wien kennt, einen spektakulären Erfolg. Wobei das Publikum sich vor allem von der Übereinstimmung dieses Künstlerpaares so begeistert zeigte, von der Art, wie Rostropowitsch seine Gattin vom Flügel her diskret zu führen versteht. Der Liedgesang der Wischnewskaja ist dabei nicht so einfach an Gesangsleistungen irgendwelcher internationaler Opemsängerinnen zu messen, denn die Voraussetzungen sind andere: Die Wischnewskaja pflegt einen typisch russischen Vortragsstil; er wirkt schwerblütig, pathetisch, vor allem expressiv ausgeladen. Und es geht ihr weniger um Stimmbravour, um das Auskosten des Timbres und blanke Schönheit, sondern vielmehr um Tiefe des Ausdrucks. Und da kann ohne weiters manche Passage auch etwas kehlig klingen oder scharf oder zu sehr nach Kopfstimme. Denn gerade in der russischen Liedkunst — man denke nur an Prokofieffs Gesang der Katharina — ist diese Schärfe durchaus beheimatet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung