Zwei Wiener Orchester, zwei neue CD-Editionen

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Die Wiener Symphoniker haben ein neues Platten-Label, das RSO Wien lädt mit einer 24-teiligen CD-Box zu einer von Bach bis zur Moderne reichenden, kenntnisreich moderierten Hör-Reise.

Nicht weniger als 81 Schallplatten hat Herbert von Karajan in den 1960er-Jahren eingespielt, Wagners "Ring“, Mascagnis "Cavalleria rusticana“ und Leoncavallos "Pagliacci“ nicht eingerechnet. Darunter seine ersten Aufnahmen der Beethoven-, Brahms- und späten Tschaikowski- sowie einiger Sibelius-Symphonien mit den Berliner Philharmonikern. Sie sind in der von der Deutschen Grammophon Gesellschaft (DGG) edierten repräsentativen, Karajans opulentes Musizierideal ideal einfangenden CD-Box "Karajan 1960s“ ebenso vertreten wie Beethovens "Missa solemnis“, Haydns "Schöpfung“, Mozart-Divertimenti, Dvoˇráks "Aus der neuen Welt“, Bartóks Concerto for Orchestra, Strawinskys "Le sacre du printemps“, effektvolle Ballettmusiken, virtuose Opernintermezzi, klassisch-romantische Violinkonzerte (mit dem hochkarätigen Solisten Christian Ferras), populäre Strauß-Walzer, aber auch - heute ungleich lebendiger dargestellte - Barockmusik (u. a. Bach, Corelli, Albinoni).

Begonnen hat Karajan seine Aufnahmetätigkeit für DGG mit "Ein Heldenleben“ von Richard Strauss mit Michel Schwalbé als fulminantem Gestalter des Violinsolos. Dafür waren im März 1959 drei Aufnahmesitzungen angesetzt - ein aus finanziellen Gründen heute nicht mehr denkbarer Luxus.

Brahms unter Celibidache, 1952

Gar vier Aufnahmetermine gab es 1962 für Karajans nicht minder legendäre Aufnahme von Tschaikowskis b-Moll-Klavierkonzert mit Swjatoslaw Richter - zugleich die einzige Einspielung, die Karajan während dieser Zeit mit den Wiener Symphonikern, deren künstlerischer Leiter er vor seinem Berliner Engagement war, realisiert hat. Das Wiener Orchester, in den letzten Jahren nur wenig auf dem Plattenmarkt vertreten, hat seit Kurzem ein eigenes Label. Es nennt sich "Wiener Symphoniker“ und wird in Zusammenarbeit mit den Orchestermusikern betrieben. Der Vertrieb erfolgt durch die Münchner Plattenfirma "Solo Musica“.

Als eine "Chance, auch auf Tonträgern ihre eigene künstlerische Linie konsequent verfolgen zu können“, bezeichnet Symphoniker-Chefdirigent Fabio Luisi diese Initiative. Mit einer unter seiner Leitung im Studio produzierten Ersten Mahlers haben die Symphoniker diese Edition exzellent gestartet. Jährlich bis zu vier Aufnahmen sollen auf den Markt kommen - auf CD, aber auch auf Vinyl, schließlich feiert die gute alte Platte längst ein Comeback. Ebenso gibt es Gelegenheit zum heute besonders beliebten normalen und hochauflösenden Download in Studioqualität. Die beiden nächsten Veröffentlichungen der neuen Reihe: eine Erste Brahms unter Sergiu Celibidache aus 1952 sowie im Frühjahr Mahlers sechste Symphonie unter Luisi.

Warum nicht im Rahmen einer Edition einmal zeigen, wie breit das Repertoire an "klassischen Reißern“ vom Barock bis zur Moderne ist, das sich das RSO Wien im Laufe der Jahrzehnte erarbeitet hat? Das ist die Idee, die hinter dieser - im Stile des samstäglichen Ö1-Pasticcios von Ö1-Musikchefin Elke Tschaikner und dem künstlerischen Leiter des RSO Wien, Christian Scheib, moderierten - 24-CD-Box mit dem Titel "Greatest Hits for Contemporary Orchestra“ steckt. Die Palette der Werke reicht von Bachs Konzert für zwei Violinen (mit David und Igor Oistrach) bis zu Hermann Nitschs Symphonie Nr. 9, dem Violinkonzert von Friedrich Haas (Solist: Ernst Kovacic) oder Olga Neuwirths "Sans soleil“ - schließlich ist eines der interpretatorischen Zentren dieses Klangkörpers nach wie vor zeitgenössische Musik.

Ekstatisches und Sphärisches

Eine weitere Besonderheit dieser (ab Mitte November im ORF und im Fachhandel erhältlichen) Box ist, dass die Werke nicht chronologisch präsentiert, sondern in thematische Zusammenhänge gestellt werden. So führt die Auftakt-CD unter dem Motto "Ekstase“ Ravels "Bolero“ mit Honeggers "Pacific 231“, Skrjabins "Poème de l’exstase“ und Varéses "Amériques“ zusammen, "Bilder einer Ausstellung“ Mussorgskis gleichnamiges Werk mit Debussys "La Mer“ und Haubenstock-Ramatis "Tableau I“. Bei "Böhmen und Mähren“ begegnet man Werken von Smetana, Janáˇcek und Martinu, bei "Sphärenklänge“ Stücken der Strauß-Dynastie, aber auch Lanner und Rihm, bei "Hollywood in Wien“ Filmmusiken von u. a. Max Steiner und Korngold, bei "Americana“ Beispielen aus dem Œuvre von Bernstein, Barber, Copland, Ives, Feldman und Adams. "Affekt und Effekt“ wird am Beispiel von Schuberts "Unvollendeter“, Cerhas "Spiegel VI und VII“ und Kührs Orchesterelegie "Lamento e conforto“ dargestellt. Die abschließende CD, Motto: "Die ganze Welt“, bringt Mahlers Fünfte mit dem John-Cage-Kultstück "4’33“ zusammen.

Zu den Interpreten dieser "Greatest Hits“-Box - ein weiteres Zeichen, dass die längst totgeglaubte CD sich bester Gesundheit erfreut - zählen neben den bisherigen Chefdirigenten des RSO Wien (Milan Horvat, Lothar Zagrosek, Pinchas Steinberg, Dennis Russell Davies, Bertrand de Billy und Cornelius Meister) auch Leonard Bernstein, Michael Gielen, David Oistrach oder Friedrich Cerha, die Solistenprominenz führt Friedrich Gulda an.

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