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Orchesterparade

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Die Wiener Philharmoniker gehen mit der Programmgestaltung ihrer Abonnewjentkonzerte neue Wege. Gleich das erste Konzert dieser Saison im Musikverein, übrigens ein glanzvoller Start unter dem „Hauptdirigenten’ Claudio Abbado, hatte als ungeschriebenes Motto des überaus interessanten Programms ein Bekenntnis zum Ungewöhnlichen: „Jugendwerke der großen Komponisten’, Übungen, Studien, Versuche der Meister, sich einen Stil zu erarbeiten…Das war das Thema. Und das begeisterte Publikum bekam durchwegs Werke vorgesetzt, die Dokumente eines geistigen Rei fungsprozesses darstellen. So bilanzierte zum Beispiel Anton Bruckner mit seinen „Drei kleinen Orchesterstücken’ und dem Marsch. d-Moll, von 1862 sein Lernpensum, vor allem, was er auf dem Gebiet der Instrumentationslehre kennengelernt hatte. Die formal höchst bescheidenen Stücke erfüllen natürlich noch keinen „Werk’-Anspruch, aber sie zeigen, wie Bruckners Fähigkeiten allmählich geweckt wurden. Daneben hat Anton von Weberas Opus 1, die „Passacaglia’, bereits alle Anzeichen einer persönlichen Handschrift: Webern zeigt, was er seit 1904 bei Arnold Schönberg stu diert hat; und sein Opus 1 ist bereits voll von raffinierten Klängen, reizvollen Effekten, handwerklichen Kunstgriffen, kunstvollen Instrumentationsdetails. Ausgereift ist hingegen Alban Bergs technisches Können in seinen „Drei Orchesterstücken’ (Op. 6, hier aufgeführt in der revidierten Fassung von 1929): Mahlers symphonische Form ist sein Arbeitsproblem, mit dem er sich auseinandersetzt…Es geht ihm um Typenmöglichkeiten: „Präludium Reigen, Marsch’ — die drei Satzbezeichnungen — erinnern in vielen Details an Mahlers späteres Schaffen. Aber mit den ersten Skizzen zum „Wozzeck’ wird anderes für ihn entscheidend. Zuletzt spielten die Philharmoniker Schuberts „Zweite’, die B-Dur-Symphonie: Haydns Melodienbildung und die Streicherbravour Rossinis finden sich da, aber auch schon viel Charakteristisches: so die breite Kantilenenthe- matik des 2. Themas, der Wechsel zwischen prächtigem Bläser-Strei- cherchor im Largo-„Vorspann’ zum ersten Satz und dem bunten, bewegten Allegrö usw. Die Philharmoniker spielten die Werke brillant, Abbado heizte merkbar an, sorgte für Klangfrische, Atmosphäre.

R. W.

Auf seiner ersten Europa-Tournee machte das „Sydney Symphony Orchestra’ im Musikverein Station. Charles Mackerras, der heuer hier schon mit Händel einen guten Eindruck gemacht hatte, begann mit Janäcek (Ouvertüre zu „Aus einem Totenhaus’) und schloß mit Dvoraks Achter (G-Dur, op. 88). Die Australier reisen viel im Lande umher und haben somit auch in höherem Ausmaß volksbildnerische Aufgaben zu bewältigen. Kein Wunder, daß der Klan des Orchesters darauf abgestimmt ist, sich auch in nur notdürftig adaptierten Räumen zu entfalten. Die Vorliebe des Dirigenten für klare Konturen und kräftigen Klang kommt dieser Disposition entgegen. Das Ergebnis ist — auch bei Brittens an zentraler Stelle angesetzter „Sinfonia da Requiem’ — ein diszipliniertes, vordergründiges Musizieren mit geradezu peinlich genauer Befolgung dynamischer Anweisungen. Daß Mackerras sich um die Binnenzeichnung der Partituren nicht immer in hohem Maße bemüht, führte bei Brittens größtem Orchesterwerk zu einigen verwackelten Einsätzen, erfüllte das Werk aber mit Größe und schmerzlicher Intensität. Als Probe zeitgenössischer australischer Musik gab es noch ein Sieben-Minuten- Stück von dem 42jährigen . Richard Meale zu hören: „Clouds now and then’ — ein duftiges postimpressio- nisch anmutendes Tonbildchen über treibende Wolken, das Klangsinn und Phantasie erkennen ließ.

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