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Ein Orchester von Europa-Rang

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„Hervorragend", „brillant", „aufregend schönes Musizieren" - mit diesen und ähnlich enthusiastischen Worten feierten prominente Kritiker vor kurzem die Wiener Symphoniker.

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„Hervorragend", „brillant", „aufregend schönes Musizieren" - mit diesen und ähnlich enthusiastischen Worten feierten prominente Kritiker vor kurzem die Wiener Symphoniker.

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Unter seinem Chef Rafael Frühbeck de Burgos hatte das Orchester seine traditionelle Europa-Tournee absolviert und in Musikzentren wie Birmingham, Glasgow, London, Luzern, Toulouse, Sevilla, Madrid, Lissabon und einer Reihe deutscher Städte Triumphe gefeiert. Bewunderung fand vor allem Frühbecks Mut, mit Gustav Mahlers III. Symphonie, einem eineinhalbstündigen Werkkoloß von höchsten technischen Ansprüchen (mit Frauen- und Knabenchor), auf Reisen zu gehen, und daneben noch zwei weitere Bravourprogramme mit Brahms „Dritter", Rims-ki-Korssakows „Scheherazade", de Fallas „Dreispitz", Isaac Albeniz und dem Donauwalzer anzubieten.

„Zu Hause" werden die Symphoniker mitunter nicht fair behandelt. Sie tragen die Last, alle großen Aufgaben der Musikszene als deren „erstes" Orchester zu übernehmen, Wiens riesigen Konzertrepertoirebetrieb mit an die 130 Konzerten in Gang zu halten und daneben die Bregenzer Festspiele und auf Tournee sogar die Bundesländer zu bedienen. Aber die Gefühle der Dankbarkeit halten sich dafür allzu oft in Grenzen. Dirigenten, die nicht „ihr Fall" sind, werden ihnen von den Konzertveranstaltern mitunter oktroyiert; Probenmöglichkeiten - und natürlich Probenbudgets

- sind für manche heiklen Konzerte zu gering; und sie müssen Werke spielen, die zwar der Programmplanung der Veranstalter ins Konzept passen, aber dem Orchester relativ wenig bringen.

Umso wichtiger war es, daß die Symphoniker auf dieser Europa-Tournee gerade in Musikzentren mit hohen Ansprüchen so viel Lob und so enthusiastische Reaktionen des Publikums erfahren haben: Stehende Ovationen, Jubel, Bravogeschrei - in Birmingham, wo man dem jungen Simon Rattie und seinem gefeierten City-of-Birmingham-Orchestra einen der schönsten Konzertsäle mit wunderbarer Akustik gebaut hat; in Glasgow, wo das Publikum gerade für Mahler-Symphonien eine besondere Vorliebe hat; oder in Londons Royal Festival Hall, wo die Symphoniker gegen die Konkurrenz berühmter Orchester bestehen mußten.

Musizieren doch rund um das Symphoniker-Gastspiel hier die Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti, Claudio Abbado mit seinem Internationalen Jugendorchester, New Yorks Philharmoniker unter Kurt Masur, der junge Österreicher Franz Welser Möst, der hier zum jungen Star am Pult des London Philharmonie Orchestra aufgestiegen ist und Mahlers „Neunte" aufführt, der Wiener Komponist Heinz Karl Gruber, längst ein Liebling des Londoner Publikums, der hier Mahlers „Lied von der Erde" dirigiert, und viele andere. Erfreulich für Wien und „sein" Orchester, daß es diese Konkurrenz nicht scheuen mußte. Im Gegenteil: „Da spürt man, daß in Wien die wahre Mahler-Tradition weiterwirkt", kommentierten Musikexperten in London.

Rafael Frühbeck de Burgos, der vielbeschäftigte spanische Maestro, Musikchef der Deutschen Oper Berlin, bejubelter Gast des London Phil-harmonia und London Symphony Orchestra, des Stockholmer Rundfunk- und Spanischen Nationalorchesters, ein Mann mit etwa 500 Werken im Repertoire, hat an diesem Erfolg der Symphoniker entscheidenden Anteil. Nach Georges Pretre hat er Spielkultur und Stilempfinden des Klangkörpers weiterentwickelt und verfeinert. Bravour wird endlich wieder großgeschrieben. Und nach dieser

Europa-Tournee zieht Frühbeck seine Bilanz: „Das Orchester war noch nie so gut wie jetzt!"

Dementsprechend anspruchsvoll sind auch die Projekte geworden, mit denen Symphoniker-Generalsekretär Rainer Bischof und Chefdirigent Frühbeck das Orchester „aufwerten" wollen: So will man 1996 Mahlers 8. Symphonie aufführen und schon vorher mit Mahlers „Auferstehungssymphonie" auf Reisen gehen. Auf dem Tourneeprogramm stehen Südamerika im Herbst 1993, die USA 1994, Japan 1995 und eine Welttournee 1996. „Wenn wir 1.000 Jahre Österreich feiern, soll das Orchester international präsent sein", ist Bischofs Motto. „Wir möchten endlich nicht mehr als das zweite Orchester im Schatten der Philharmoniker gehandelt werden. Wir haben unseren eigenen Klang und unsere eigenen Programme!" Die Europa-Tournee 1993 hat bewiesen, daß die Symphoniker auf dem besten Weg sind.

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