Überall ist heuer der grüne Hügel

Werbung
Werbung
Werbung

Alles Wagner: szenisch oder konzertant, im Original oder gerafft, auf dem üblichen Instrumentarium oder dem der Entstehungszeit.

War das ein Geraune, als knapp nach der Bestellung von Alexander Pereira zum neuen Salzburger Festspielintendanten bekannt wurde, dass er zum Wagner-Jahr 2013 auch Wagner-Opern plane. Wagner in Salzburg, das wäre doch, wie wenn man künftig am "Grünen Hügel“ Mozart- und Strauss-Opern spielte, mokierten sich einige. Ob vergessen wurde, dass Salzburg über eine veritable, wenn auch kurze Wagner-Tradition verfügt, deren Beginn einem besonderen Wagner-Datum geschuldet ist? 1933, anlässlich der fünfzigsten Wiederkehr von Wagners Todestag, dirigierte Bruno Walter "Tris-tan und Isolde“ und wiederholte diese Produktion in den beiden Folgejahren. Mit durchschlagendem Erfolg, wie einem Bericht der New York Times zu entnehmen ist: "Obgleich weder Charakter und Bauweise des Festspielhauses noch die spezifische Atmosphäre Salzburgs Wagner geneigt zu sein scheinen, steht fest, daß unter Bruno Walter, Tristan, alle Aussicht hat, ein alljährlicher Hauptgang der Festspielkost zu werden.“

Dazu ist es nicht gekommen. Dafür stand im Festspielsommer 1934 noch ein weiteres Wagner-Highlight auf dem Programm: Arturo Toscanini beging sein Salzburg-Debüt mit einem reinen Wagner-Konzert mit den Wiener Philharmonikern und Lotte Lehmann als Solistin der Wesendonck-Lieder. Dass er diese Programmfolge mit dem "Meistersinger“-Vorspiel beschloss, sollte sich als besonderes Omen erweisen. Als wegen der politischen Verhältnisse 1936 sein Bayreuth-Engagement mit dieser Oper nicht zustande kam, dirigierte der italienische Maestro die "Meistersinger“ - wie dann auch im Festspielsommer 1937 - eben an der Salzach. "Wie er die Partitur durchleuchten, jede Einzelheit zu bringen und abzuschatten weiß, braucht nicht mehr gesagt werden. Seine persönliche Leistung war hinreißend“, urteilte euphorisch der Berichterstatter der Basler National Zeitung, Otto Erich Deutsch, heute als Verfasser des nach ihm benannten Schubert-Werkverzeichnisses ein Begriff. Ende vorigen Jahrhunderts wurde diese frühe Wagner-Tradition der Festspiele wieder aufgegriffen: 1998 mit einem konzertanten "Parsifal“ unter Valery Gergiev und 2000 mit "Tristan und Isolde“ unter Lorin Maazel in einer Inszenierung von Klaus Michael Grüber.

"Klassischstes, deutschestes Werk“

Gründe genug für einen Wagner-Schwerpunkt in diesem Wagner-Jahr bei den Salzburger Festspielen. Wiederum ein italienischer Dirigent, diesmal Daniele Gatti, wird, in einer Inszenierung von Stefan Herheim, "Die Meistersinger von Nürnberg“ - laut dem Uraufführungsdirigenten Hans von Bülow Wagners "klassischstes, deutschestes, reifstes und allgemein zugänglichstes Kunstwerk“ - dirigieren und Philippe Jordan, der designierte Chefdirigent der Wiener Symphoniker, an der Spitze des Gustav-Mahler-Jugendorchesters eine ebenso prominent besetzte konzertante Aufführung des Fünfakters "Rienzi, der letzte der Tribunen“ leiten.

Wien steht dem um nichts nach. Auch was Diskussionen anlangt. Wobei sich zuletzt Musikalisches und Außermusikalisches beinahe die Waage hielten. Wann ist es auch vorgekommen, dass die österliche "Parsifal“-Serie so unprogrammgemäß über die Runden ging? Jonas Kaufmann, der nach seinem Debüt mit der Titelrolle dieser Oper vor wenigen Wochen an der New Yorker "Met“ die Wiener Aufführungen zieren sollte, konnte wegen Erkrankung erst die vierte und letzte Vorstellung singen. GMD Franz Welser-Möst, der alle vier hätte dirigieren sollen, musste wegen eines Kreislaufkollaps’ in der zweiten Aufführung den Dirigentenstab an den musikalischen Studienleiter James Pearson abgeben und sich an den beiden weiteren Abenden von Adam Fischer vertreten lassen.

"Französisch verhunzt“

Fernab dieser Turbulenzen erwies sich der Wiener "Parsifal“ der jüngst gezeigten Salzburger Osterfestspiel-Produktion insgesamt überlegen: mit der bis ins Detail durchdachten (wenn auch der Erlösungsvision der Oper misstrauenden) Inszenierung von Christine Mielitz, Christopher Ventris als virilem Gestalter der Titelpartie, Evelyn Herlitzius als emphatischer Kundry, Kwangchul Youn als würdevoll-wortdeutlichem Gurnemanz und Wolfgang Bankl als durchtriebenem Klingsor. Unüberhörbar, dass sich das von Welser-Möst zu kammermusikalischem Musizieren angehaltene Staatsopernorchester auf Wagners diffizile Partitur noch souveräner versteht als seine fabelhaften Kollegen aus Dresden in Salzburg.

Welser-Möst wird im Juni einen neuen "Tristan“ dirigieren, davor im Mai einen "Ring“-Zyklus. Wer letzteres Opus liebt, es aber in einer pointierten Kurzversion hören will, für den hat die Volksoper Loriots köstlichen "Ring“-Digest "Wagners Ring an einem Abend“ ab Mai auf dem Programm. Im Juni wird die "Tannhäuser“-Parodie von Carl Binder, "Tannhäuser in 80 Minuten“, wiederaufgenommen. "Mit Widerwillen sah ich, wie die schöne Fabel, die ein bekannter deutscher Schriftsteller fast mundgerecht für die Bühne ersonnen, in dem französischen Text verhunzt worden“, rezensierte Wagner ano-nym die Uraufführung von Pierre-Louis Dietschs Oper "Le vaisseau fantôme“ an der Pariser Oper. Kein Wunder, war sie doch seinem "Fliegenden Holländer“ vorgezogen worden. Am 1. Juni kann man sich ein Bild von beiden "Holländern“ machen - in einer gemeinsamen Aufführung mit Les Musiciens du Louvre Grenoble unter Marc Minkowski. Auf historischen Instrumenten, versteht sich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung