Ein Paukenschlag und neue Gesichter

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Kaum hatte die Wiener Staatsoper ihren Spielbetrieb nach der Sommerpause wiederaufgenommen, teilte Franz Welser-Möst Direktor Dominique Meyer brieflich wie persönlich seine sofortige Demission als Generalmusikdirektor (GMD) und seinen Rückzug von allen Terminen für die neue Saison, drei Premieren inklusive, mit. Kommentatoren nutzten diesen Paukenschlag, um entweder für den Direktor oder seinen früheren Musikdirektor Partei zu beziehen und an jene Dirigenten zu erinnern, die auch als Wiener Staatsoperndirektoren wirkten. Wozu es fast auch bei Franz Welser-Möst gekommen wäre.

Schließlich aber entschied man sich nicht für einen Künstler, sondern einen Manager als Staatsopernchef. Franz Welser-Möst blieb erste Wahl für eine musikalische Spitzenfunktion, als die damalige Ministerin auf die Suche nach einem Nachfolger für Wiens Langzeit-Opernchef Ioan Holender ging. Der wurde bald in Dominique Meyer gefunden. Nicht nur den Medien schien die Entscheidung für den bisherigen Generalintendanten des Pariser Théâtre des Champs-Élysées als Direktor und Franz Welser-Möst als Musikchef ideal. Selbst wenn überraschte, dass sie einander zuvor nicht persönlich gekannt hatten. Anfangsschwierigkeiten fielen daher nicht so ins Gewicht. Noch dazu, wo beide wiederholt betonten, zu einer immer besseren Zusammenarbeit zu finden.

Generationenwechsel

Bald zeigten sich Auffassungsunterschiede. Sowohl über die grundsätzliche Ausrichtung der -zuletzt in ausländischen Medien immer weniger wahrgenommenen - Staatsoper als auch über deren Besetzungspolitik, in die sich der Musikdirektor nicht entsprechend eingebunden sah. Vor diesem Hintergrund erscheint sein Schritt nicht so überraschend, wie es im ersten Moment den Anschein hatte. Bis zum Schluss hatte er auf einen für ihn tragfähigen Kompromiss gehofft. Als sich selbst in Gesprächen mit dem neuen Geschäftsführer der Bundestheater-Holding, Günther Rhomberg, die unterschiedlichen Meinungen nicht harmonisieren ließen, sah er keine andere Möglichkeit als seine sofortige Demission.

Eine nachvollziehbare Reaktion, mit Sicherheit aber ungeeignet für Schuldzuweisungen jeder Art. Vielmehr sollten die Verantwortlichen in Ministerium, Holding und Oper Welser-Mösts Bedenken ernsthaft diskutieren, sich anschließend die Frage vorlegen, ob die Staatsoper künftig einen GMD benötigt, dann aber - was offensichtlich unterblieben ist -dessen Kompetenzen klar und detailliert regeln. Dazu gehört jedenfalls die Verpflichtung zu einer ständigen wie offenen Kommunikation. Daran ist das Duo Dominique Meyer -Franz Welser-Möst gescheitert.

Überstrahlt von Welser-Mösts spektakulärem Schritt werden zwei Wiens Musikleben mindestens ebenso prägende und mit dieser Spielzeit aktuell gewordene Entscheidungen: die Wiener Philharmoniker haben Mitte Juni einen neuen Vorstand gewählt, die Wiener Symphoniker mit Philippe Jordan einen neuen Chefdirigenten. Noch lässt sich spekulieren, wie diese Personalia zu bewerten sind. Nach dem 62-jährigen Clemens Hellsberg, der mit 17 Jahren der am längsten amtierende Vorstand in der Geschichte des Orchesters war, haben die Wiener Philharmoniker für die kommenden drei Jahre den 1974 in Graz geborenen Primgeiger Andreas Großbauer, seit 2007 Ballchef des Philharmonikerballs, in diese Funktion gewählt und damit jedenfalls einen Generationenwechsel vollzogen. Als Stellvertreter wird Helmut Zehetner fungieren, wie der neue Geschäftsführer, Harald Krumpöck, Mitglied der zweiten Geigen. Komplettiert wird das neue Führungsteam durch den Solooboisten Clemens Horak als Kassier. Wie sehr sie die bisherige Programmpolitik des Orchesters fortführen, welche neue Akzente sie setzen und wie sie auf kommende Herausforderungen, nicht zuletzt im Hinblick auf neue Medien, reagieren werden, wird die Zukunft zeigen.

Ebenso, wie der mit Vorschusslorbeeren bedachte neue Chefdirigent der Wiener Symphoniker mit dem bekannt heiklen Wiener Parkett zurecht kommen wird. Erfahrung bringt der 39-jährige Philippe Jordan durch eine längere Bindung mit der Wiener Staatsoper -sie hat er aufgegeben, seit er Musikdirektor der Pariser Oper ist -ebenso mit wie durch mehrere Dirigate mit seinem neuen Orchester und den Philharmonikern. Vorgenommen hat er sich einiges. Mit der Aufführung sämtlicher Schubert-Symphonien setzt er einen bewussten Wien-Schwerpunkt. Dazu gesellt sich eine über mehrere Saisonen verteilte Auseinandersetzung mit Bach, begonnen mit der Matthäus-Passion zur Eröffnung des Osterklang-Festivals, und die Einladung der prominenten Brüder Renaud und Gautier Capuçon als Artists in Residence.

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