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Wiener Staatsoper: Kommt Lorin Maazel?

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Die Verhandlungen um die Nachfolge für Wiens Staats- opemdirektor Egon Seefehl- ner sind in die Endrunde gelangt. Letzte Gespräche mit den Dirigenten Zubin Mehta und Christoph von Dohnanyi stehen noch bevor. Offenbar pro forma. Denn intern scheint es bereits sicher: Lorin Maazel, der international hochgeschätzte Dirigent und bis 1982 Chef des Cleveland Orchestra, dürfte das Rennen gemacht haben.

„Glauben Sie mir, es geht um mehr als nur um eine Neubesetzung des Wiener Opemdirektorsessels. Es geht auch um die Zukunft der Oper. Die Frage, wie muß man heute Oper machen, um ein so kostspieliges Haus möglichst effektiv und effizient zu fuhren, war das Thema aller meiner Gespräche mit führenden Künstlerpersönlichkeiten!” Bundestheatergeneralsekretär Robert Jung- bluth, der seit einem Jahr fast alle notwendigen Gespräche mit möglichen Kandidaten geführt hat, ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Er hat in Gesprächen mit Dirigenten, wie Claudio Abbado, Christoph von Dohnanyi, Maazel, Mehta, Wolfgang Swallisch ebenso den Fragenkomplex „moderne Opemführung” behandelt wie mit Managern und Regisseuren, unter denen auch Zürichs Direktor Helmut Drese und Münchens Intendant August Everding waren. „Durchwegs kompetente internationale Künstler und Intendanten, die viele wichtige Anregungen geben können und gegeben haben, und deren Kontakte uns für die Staatsoper sehr wichtig sind. Egal, ob der eine oder andere jetzt in Wien Direktor wird oder nicht.”

Man hat diesmal sehr früh begonnen, sich um einen Nachfolger für Hofrat Egon Seefehlner umzuschauen. Und Seefehlner selbst hat dabei seine Wünsche immer wieder deponiert. So kam von ihm vor allem der Vorschlag, doch einen Dirigenten in die Führungsposition der Staatsoper zu berufen, Wien „einen Mann von Ausstrahlung” zu sichern. Und Jungbluth begründet diesen Schritt auch überzeugend: „Wir wollten nicht nur Männer des Managements. Uns liegt mehr am Herzen, daß eine Künstlerpersönlichkeit dem Haus Stil und - trauen wir uns doch ruhig zu sagen - künstlerische Verinnerlichung sichert! Und daß es ein Künstler ist, der bei den kompetenten Stellen des Hauses, beim Staats- opemorchester, beim Chor, bei den kompetenten Solisten des Hauses Ansehen genießt!”

Inzwischen ist auch eine wichtige Entscheidung gefallen: Unterrichtsminister Dr. Sinowatz hat sich persönlich - und offenbar bereits auch mit Zustimmung des Bundes kanzlers-für die „Dirigentenlösung” an der Staatsoper entschieden. An Sinowatz wird Jungbluth demnächst alle Detailergebnisse seiner Besprechungen zur letzten Prüfung weitergeben. Spätestens im Oktober erwartet Jungbluth dann eine offizielle Entscheidung, wie der nächste Direktor, der 1982 oder 1983 das Haus am Ring übernimmt, heißen wird.

Manche der. Wien-Kandidaten reagierten inzwischen. Mehta verweigerte jede Auskunft. Dohnanyi fand nur, daß dieses „lange Warten auf Wien” für ihn indiskutabel sei, denn er habe schließlich eine ausgezeichnete Position als Opemdirektor in Hamburg, und „die Herren in Wien” hätten ihm gegenüber „nie wirklich alle ihre Vorstellungen präzisiert!” Und Maazel selbst, den man in Cleveland erreichte, lehnte überhaupt jede Stellungnahme ab. Wieso aber hat Maazel so schnell das Rennen geschafft? Hat der Endvierziger aus Neuilly tatsächlich so gute internationale Beziehungen?

Seefehlner etwa schätzt Maazel seit der Zeit, als er noch selbst in Berlin als Nachfolger Sellners Intendant an der Deutschen Oper war und den Dirigenten für Premieren wie „Don Giovanni” (mit Rudolf Noelte) verpflichtete. (Daß Seefehlner sich außerdem ausrechnet, seinem soeben neu installierten Wiener Direktionsteam auch beim Nachfdlger Maazel eine „Uberlebenschance” auszuhandeln, weist Jungbluth als Spekulation zurück.) Karąjan schätzt Maazel ebenfalls und schlug bereits den erfolgreichen Maazel als Seefehlner- Nachfolger an der Deutschen Oper vor (tatsächlich wurde dann Siegfried Palm bestellt).

Und Karąjan/ dessen Einfluß bei dieser Wiener Direktorenbestellung nicht zu unterschätzen ist, weil die Staatsoper sich diesen erfolgsträchtigsten aller Dirigentenstars auch weiterhin gut stimmen will, hat auch bereits zugestimmt, daß Maazel bei den Salzburger Festspielen wieder eingesetzt wird. Bereits 1980 dirigiert er die Premiere von Mozarts „Entführung”. Und ob er in Karąjans Salzburger Konzept der nächsten Jahre paßt und quasi Karajans Erbe antre- ten wird, wird sich vielleicht sehr bald zeigen. Die Wiener Philharmoniker schließlich mögen den kultivierten Dirigenten Maazel und gehen mit ihm und der Wiener Staatsoper 1980 auf Japan-Tournee. Und außerdem setzen alle auf ihn, weil sie wissen, daß Maazel kein Mann ist, der sich überall den Weg des geringsten Widerstands sucht: „Ich glaube”, bilanziert Jungbluth, „gemeinsam mit dem neuen Direktor müssen wir auch den Versuch machen, die Tradition aus der Erstarrung zu lösen!”

Die Weichen scheinen also schon gestellt. Und eine soeben in der Direktionsetage der Staatsoper vorgenommene Neuorganisation des Büros scheint auch auf manches hinzudeuten. Einen neuen Vizedirektor hat Staatsopemdirektor Seefehlner nach dem Abgang Herbert Strohmers vor mehr als einem Jahr nicht mehr akzeptiert, aber Maazel dann wieder einen solchen Partner zur Seite zu setzen, bedarf wirklich nicht viel mehr als einer Unterschrift. Um so mehr als auch in Wien bereits der eine oder andere darauf wartet.

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