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Opernfinale

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Unmittelbar nach der Demission Karajans als Operndirektor sagte ein bekannter Dirigent: über seine Kollegen und den Zustand des Hauses, in dem er als Gast tätig ist, wolle er sich nicht äußern, aber das eine wisse er: wer dieses Erbe antritt, müsse spätestens innerhalb eines Jahres, bevor er noch sein eigenes Konzept realisieren könnte, scheitern. Egon Hilbert, der als Leiter der Bundestheaterverwaltung in den Jahren nach Kriegsende besonders sein Lieblingskind, die Oper, betreute und dieser wieder Weltrang verliehen hat, war der Mann, der das mit so vielen Hypotheken belastete Erbe antrat. Es geschah vor drei Jahren, als Karajan aus der Doppeldirektion ausschied, die auf seinen eigenen Wunsch, nachdem sich der Stuttgarter Intendant Prof. Erich Walter Schäfer von Wien verabschiedet hatte, erneuert worden war.

An diese Vorgeschichte muß erinnert werden, um die Schwierigkeiten zu verstehen, mit denen sich vom ersten Tag seiner Direktionstätigkeit an Sektionschef Dr. Egon Hilbert konfrontiert sah. — Mag sein, daß er seine neue Aufgabe mit Methoden bewältigen zu können glaubte, die sich noch vor zehn, 15 Jahren bewährt hatten und die nun, in rapid sich ändernden Verhältnissen auf dem Kunstmarkt, nicht mehr genügten; mag sein, daß er beim Engagement einzelner Sänger nicht immer .die glücklichste Hand zeigte: er hat Regisseure und Bühnenbildner von Weltrang, wie Wieland Wagner, Lucchino Visconti und Luciano Damiani, an die Oper gebracht; er hat Otto Schenk als Opernregisseur entdeckt; er hat die der Wiener Staatsoper entfremdeten Dirigenten Böhm, Krips und Cluytens zurückgeholt; er hat Quadri, Varviso und Maazel sowie

einen neuen Stardirigenten, Leonard Bernstein, für Wien gewonnen, der im Großen Haus am Ring so bejubelt wurde wie wohl noch kaum ein anderer vor ihm.

Hilberts erstes Unglück war, daß zwei der Säulen seines Konzepts, Wieland Wagner und Andre Cluytens, vorzeitig zusammenbrachen. Und Hilbert hatte vom ersten Tage seiner Direktionstätigkeit an erbitterte Feinde. Was immer er tun mochte: er konnte eines gehässighämischen Kommentars sicher sein. Seine Verdienste wurden nach Möglichkeit verkleinert, die Pannen, die ihm passierten, mit Schadenfreude registriert. Die Berichterstattung über das Gastspiel der Wiener Oper in Montreal bildet in dieser Hinsicht einen Testfall.

Von einem Kesseltreiben gegen Dr. Hilbert kann nicht gesprochen werden, er hatte auch Freunde. Aber den hemmungslos randalierenden Karajaniden auf der Galerie und dem pausenlosen, systematischen Beschuß von Ganzrechts und Halblinks war er auf die Dauer nicht gewachsen. Zu den Zeitungen gesellte sich in letzter Zeit auch der Rundfunk, wo ein bestimmter Kommentator sich kaum genug tun konnte an höhnischen Auslassungen und manipulierten Interviews. Zuletzt versagte auch die während seiner KZ-Haft gebrochene phystische Widerstandskraft.

Immer wieder riß er sich zusammen, aber einmal mußten auch auf diesem Gebiet die Kräfte des „inneren1 Widerstandes“ versiegen und der Entschluß reifen, aufzugeben. Es mag zu dem Zeitpunkt geschehen sein, als man sein Privatleben ans Licht der Öffentlichkeit zerrte.

Ein ehrenvolles Andenken ist ihm und seiner Leistung im Dienst der Wiener Staatsoper gewiß. Möge sein Nachfolger glücklicher sein.

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