6848685-1976_36_02.jpg
Digital In Arbeit

Zeitgenosse

Werbung
Werbung
Werbung

Eigentlich ist er ein Glückskind. Aber eines, das zu seinem Glück — anders geht es wohl auch nicht -— sehr wesentlich beigetragen hat. Glück ist für einen Mann, sein Leben lang das tun zu dürfen, wovon er etwas versteht und das ihm Spaß macht. Wenn er damit auch noch unzähligen, vielen tausend, vielleicht hunderttausend anderen Menschen Freude macht, indem er ihr Interesse an Neuem weckt und befriedigt, und wenn er auch noch Beifall für die Lösung schwieriger Situationen und Probleme findet, so mag er mit sich und der Welt zufrieden sein.

Bei Egon Seefehlner begann das Glück schon in seinem Elternhaus, das wohlhabend und kunstliebend war. Der Vater war Generaldirektor der österreichischen Bundesbahnen, die Mutter, eine geborene von Ker-pely-Krasso, brachte jenes übernationale Element mit in seinen Stammbaum, das, wie auch die Bildung und Ausbildung Egon See-fehlners, ihn zum Großösterreicher

und damit zum guten Europäer machte.

Nach absolviertem Jusstudium an der Wiener Universität besucht der 1912 Geborene auch die Konsular-akademie und beschäftigt sich mit Kunstgeschichte und -theorie. Zählt man noch sein besonderes Interesse für die Bildende Kunst hinzu, die sein lebenslanges Hobby ist — als Kenner der gesamten europäischen Kunstszene, als Ausstellungsveranstalter und Sammler —, so sieht man hier alle Komponenten vereinigt, die Egon Seefehlner zu dem befähigten, was er später alles wurde und tat.

Unmittelbar nach dem Ende des Krieges, wo er als Soldat nur ein kurzes Gastspiel absolvierte, gründete er die damals sehr wichtige „Österreichische Kulturvereinigung“ und die Monatsschrift „Der Turm“. Beide waren allen Künsten gewidmet und vermittelten uns, durch Vorträge, Ausstellungen und Artikel, die ersten erfreulichen Nachkriegsimpressionen. Wer jene Jahre miterlebt hat, wird sie nie vergessen. Schon 1946 wurde Dr. Seefehlner zum Generalsekretär der Wiener Konzerthausgesellschaft gewählt und ein Jahr später begann die Reihe der Internationalen Musikfeste, die

hauptsächlich der neuen Musik gewidmet waren. Diese erklang aber auch während der ganzen Saison in den Abonnementkonzerten der Konzerthausgesellschaft, und man könnte mehrere Druckspalten mit den Namen der Komponisten und ihrer Werke (mehr als 500!) füllen, die hier — oft zum erstenmal in Wien — gespielt wurden. Diese „Linie“ 15 Jahre lang konsequent und ohne jemals mit der Tendenz, zu provozieren, durchzuziehen — das war damals viel, viel schwieriger, als es heute, aus der Persepktive von 1976, aussieht. Aber es gelang ihm, und seine Freunde nannten Dr. Seefehlner bald „die sanfte Gewalt“.

Seit 1954 war Dr. Seefehlner, inzwischen mit dem Professortitel bedacht und mit dem päpstlichen Silvesterorden ausgezeichnet, auch Stellvertretender Direktor der Wiener Staatsoper, und zwar unter Doktor Böhm wie unter Karajan. Dies wieder erforderte nicht nur große umfassende Fachkenntnis, sondern auch diplomatisches Geschick. Aber was seine Freunde besonders an ihm schätzen, war, daß er bei allen seinen Unternehmungen sich persönlich stets im Hintergrund hielt und die „Diplomatie“ nicht als art pour art betrieb, sondern um etwas Interes-

santes und Schönes zu realisieren. Ich persönlich kann bezeugen, daß er in all den Jahren an mich als Musikkritiker und Kulturredakteur

nie mit einem persönlichen Anliegen herangetreten ist, obwohl er wußte, wie sehr gerade auch von der FURCHE seine kulturpolitische Linie gutgeheißen wurde.

Und dann schnappte uns Berlin ihn weg: zunächst als Helfer und Vertreter des damaligen Generalintendanten der Deutschen Oper, G. R. Sellner, dann seit 1972 als Direktor des Hauses. (Bald nach seiner Übersiedlung nach Berlin, im kritischen August 1961, flatterte von der Spree an die Donau das Scherzwort vom „Fehl-Sellner“, da der letztere gern auch ajiswärts inszenierte und während seiner Absenz die Berliner Oper in guten Händen wissen konnte.)

Was Seefehlner während seiner Berliner Jahre geleistet hat, erforderte eine eigene Würdigung, die aus der Feder von Berlins prominentestem Musikkritiker H. H. Stucken-schmidt in den Mitteilungsblättern der Deutschen Oper Berlin vorliegt. Am 1. September hat Egon Seefehlner die Leitung der Wiener Staatsoper in die Hand genommen. Er wird, des sind wir gewiß, auch in dieser „neuen“ Funktion sein Bestes geben. Der detaillierte Spielplan für die kommende Saison liegt bereits vor.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung