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DR. EGON SEEFEHLNER WEGBEREITER DER NEUEN MUSIK

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Vom 11. bis 20. Juni findet in Wien das 35. Weltmusikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (1GNM) statt, und zwar int Rahmen des 10. Musikfestes der Wiener Koyzerthaus- gesellschaft. Der Initiator und Organisator dieser in der gesamten Musikwelt bekannten und geschätzten Veranstaltungen ist seit 1947 Prof. Dr. Egon Seefehlner, der mit dem Ende dieser Spielzeit Wien verläßt, um einem Ruf als stellvertretender Intendant der Deutschen Oper in Westberlin Folge zu leisten, die im September dieses Jahres ihr neues Haus bezieht. Damit verliert Wien — wenn auch nicht ganz und wohl nicht für immer — einen jener Männer, die, aus einem bedeutenden Fundus kultureller Tradition und individueller Fähigkeiten schöpfend, immer seltener werden, dafür aber immer nötiger und gesuchter sind. Und der seine reichen und vielfältigen Talente 16 Jahre lang in den Dienst der zeitgenössischen Kunst, speziell der Musik, gestellt hat.

ln diese selbstgewählte Aufgabe ist Egon Seefehlner erst allmählich hineingewachsen. Der Sohn des Baurates, Professors an der Technischen Hochschule und späteren Generaldirektors der österreichischen Bundesbahnen, Egon Ewald Seefehlner, und der Charlotte, geb. Edlen von Kerpely Krasso, ging, nach Besuch des Theresianums, zunächst als Volontär an die Österreichische Gesandtschaft nach Paris, erwarb 1933 das Diplom der Konsularakademie und 1937 den Dr. für. der Universität Wien. 1938 tauchte er in einem recht zivilen Beruf unter, und zwar bei der AEG in Berlin, später in Wien. 1945 wurde Dr. Seefehlner zum Kulturreferenten der Bundesparteileitung der Volkspartei und zum Generalsekretär der Österreichischen Kulturvereinigung berufen, deren Mitbegründer er war. Seit Herbst 1946 war er als Generalsekretär der Wie ner Konzerthausgesellschaft tätig, deren geschäftsführendes Direktionsmitglied er auch heute noch ist. 1955 wurde er stellvertretender Direktor und 1956 Generalsekretär der Wiener Staatsoper, aus deren Direktion er mit dem Ende dieser Spielzeit ausscheidet.

16 Jahre lang hat sich Dr. Seefehlner, dem 1958 durch den österreichischen Bundespräsidenten der Professortitel und anläßlich des Wiener Katholikentages das Komturkreuz des Päpstlichen San-Sil- vester-Ordens verliehen wurde, in der Hauptsache der Wiener Konzerthausgesellschaft und, in ihrem Rahmen, der Förderung der neuen Musik gewidmet. Wenn Wien heute den Anschluß an die Weltmusik gefunden hat und wenn heute in Wien im Laufe einer Spielzeit mehr zeitgenössische Werke ßufgeführt werden als in irgendeiner anderen Großstadt, wenn es gelungen ist, den „Klassikern der Neuen Musik“ ein breites Publikum zu gewinnen, der „Wiener Schule“ zu dem ihr gebührenden Ansehen zu verhelfen und auch für das Schaffen der jüngsten seriellen Komponisten Aufmerksamkeit zu wecken, so ist das vor allem und in erster Linie sein Verdienst.

Dieser schwierigen und in einer so kunstkonservativen Stadt wie Wien zuzeiten auch undankbaren Aufgabe unterzog er sich mit jenem Mut, „der früher oder später den Widerstand der stumpfen Welt besiegt“, von dem Goethe einmal spricht. Sein Ziel erreichte Dr. Seefehlner mit sanfter Gewalt. Bescheiden und ohne persönlichen Ehrgeiz — sein Ehrgeiz war die gute Sachel — vermied er es, die Leute vor den Kopf zu stoßen. Er war ein ebenso elastischer wie liebenswürdiger Verhandlungspartner, wich aber — suaviter in modo, fortiter in re — von seiner Linie niemals ab. Das werden manche, die ihm opponiert haben, im Rückblick auf die 16 Jahresprogramme und die neun von der Konzerthausgesellschaft veranstalteten Internationalen Musikfeste ebenso anerkennen müssen wie seine Freunde und Helfer, die mit ihm am Werke waren und die manche seiner „Konzessionen“ nicht verstanden haben.

Zu seinem Wirken im Stillen — Dr. Seefehlner ist nur ganz selten als Redner, in den letzten Jahren auch kaum mehr schreibend, hervorgetreten — ist auch seine Leistung für die bildende Kunst unserer Zeit zu zählen. Zahllose Ausstellungen haben in den Foyerräumen des Konzerthauses stattgefunden und sind von hundert- tausenden Besuchern angeschaut worden, ln Wien wird man seine Abwesenheit bald spüren. Den Berlinern gratulieren wir trotzdem zu dem neuen Mann, der beste Wiener Kultur und Menschlichkeit verkörpert.

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