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Zu neuen Ufern

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Das 11. Internationale Musikfest der Wiener Konzerthausgesellschaft und die Wiener Festwochen 1963 begegnen einander auf der Suche nach neuen Wegen: unser Musikfest, weil die Wiener Konzerthausgesellschaft mit der Vollendung ihrer 50. Saison jenen Nachholbedarf an Neuer Musik entdeckt hat, der als Folge der Depressions- und Kriegsjahre im Wiener Musikleben entstanden ist und sich nun, da sie die Entwicklung der zeitgenössischen Musik gewissermaßen eingeholt hat, vor neue, vielleicht noch viei ernstere Aufgaben gestellt sieht; und die Wiener Festwochen, weil diese aus unseren ersten Musikfesten hervorgegangene Institution die größten Anstrengungen unternimmt, um vom allgemeinen internationalen Stagnieren der Festivals nicht angesteckt zu werden und ihre Eigenart — und damit ihre Lebendigkeit — immer deutlicher profiliert.

Zu! neuen Ufern wollen wir also gelangen. Sie zeichnen sich als verbindliche Linie bereits heuer sehr klar ab. Die Wiener Festwochen und vor allem die in ihrem Rahmen stattfindenden Musikveranstaltungen sollen in Hinkunft von einer Idee geleitet sein, der sich die Programme (alle Programme, auch diejenigen der Oper, der Theater, der Operette und, vor allem, der Europa-Gespräche) unterordnen. Die leitende Idee für 1964 wird „Der Anbruch unseres Jahrhunderts“ heißen und in diesem übergeordneten Zeichen wird der 100. Geburtstag Richard Strauss' nicht bloß als Vorwand, sondern als echter Anlaß einer großen Rückschau musikalischer und musiktheatralischer Art gefeiert werden. 1965, in welchem Jahr sich der Wiener Kongreß zum 150. Male jährt, wird die Leitidee vermutlich „Der Vormärz — Kunst, Kultur und Gesellschaft von 1815 bis 1848“ heißen. Und 1963? So weit sind wir heuer noch nicht.

Die diesjährigen Wiener Festwochen haben noch zu keiner allgemeinen, übergeordneten Idee gefunden; die Bemühungen um ihre Erneuerung von innen her gaben allen Künstlern (und allen Köpfen) genug damit zu tun, mit allem Bisherigen, allem auch anderswo Gepflogenen zu brechen. Es ist dem Intendanten der Wiener Festwochen, Sektionschef Dr. Egon Hilbert, dafür zu danken, daß er alle am Zustandekommen dieser Festwochen Beteiligten davon überzeugte, daß ab nun neue Wege gegangen werden müßten, im übrigen aber jeden, den er einmal überzeugt hatte, seinen Weg selber suchen und

finden ließ und kein formalistisches Schema vorzuzeichnen versuchte. Daß wir auf diesen verschiedenen Wegen schon die gemeinsamen Ideen für 1964 und 1965 gefunden haben, beweist wohl, daß wir nicht auseinander, sondern miteinander gegangen sind.

In diesem Lichte möchte ich das 11. Internationale Musikfest der Wiener Konzerthausgesellschaft gesehen und beurteilt wissen. Es ist in seinem Entwurf — und hoffentlich auch in seiner Durchführung — ein erster und vielleicht entscheidender Versuch, eine programmatische Idee über allen Programmen walten zu lassen. Gewiß hat man bisher schon auf den einzelnen Festivals zyklische Ideen nebeneinandergestellt oder auch etwa — wie die Weltmusikfeste der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik es zeigten — Querschnitte durch das Musikschaffen einer bestimmten Periode oder einer bestimmten Richtung geboten. Aber über ein zeitgenössisches Musikfest, über ein Bach-Fest, über einen Brahms-Zyklus (der neben einem Strawinsky-

nnd einem Berg-Zyklus stand) konnten diese Ideen deshalb nicht hinausreichen, weil sie, hätten sie höhere Ansprüche gestellt, bei ihrer Verwirklichung auf außerordentliche Schwierigkeiten, vor allem organisatorischer Natur, gestoßen wären.

Nun, wir haben uns für heuer die Überwindung dieser Schwierigkeiten zum Ziel gesetzt und dieses Ziel, so glauben wir, erreicht. Es war nicht leicht, aber es hat, so hoffen wir, sich die viele Mühe doch gelohnt. Angeregt durch Dr. Egon Seefehlner, das frühere geschäftsführende Direktionsmitglied der Wiener Konzerthausgesellschaft und jetzigen Stellvertretenden Intendanten der Deutschen Oper Berlin, legten wir uns darauf fest, jeden Tag unseres Musikfestes einem bestimmten Komponisten zu widmen und an diesem Tag nur Werke dieses Komponisten aufzuführen. Der tiefere Sinn dieser Einteilung sollte der sein, das Panorama der abendländischen Musik in dem uns zur Verfügung stehenden Zeitraum so weit wie möglich aufzufächern — zugleich aber wurden wir zu dieser Einteilung von einem Hintergedanken bewogen, den ich nunmehr freimütig preisgeben möchte.

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