6846361-1976_23_02.jpg
Digital In Arbeit

Eingeladen - ausgeladen

Werbung
Werbung
Werbung

T/^TJT habe zum ersten Mal den vollständigen Text der Schlußakte der Konferenz von Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gelesen und war, was die Kapitel Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung, freien Informationsaustausch und Begegnungen der Jugend betrifft, selten so gerührt wie bei der Lektüre dieser Passagen. Das umfangreiche Dokument, in sechs große Abschnitte gegliedert, ist in einem Sonderdruck der „Wiener Zeitung“, wo es acht enggedruckte Seiten einnimmt, allgemein zugänglich. Datiert vom 1. August 1975, ist es, sozusagen, brandneu. Aber was zum Beispiel Österreich und die Sowjetunion betrifft, so hat es auch schon früher Kulturabkommen gegeben, und gerade auf dem Gebiet der Kunst, das wir hier anvisieren, ist ja seit 1945, speziell aber 1955, allerlei Erfreuliches geschehen.

Es vergeht kein Jahr, ohne daß einzelne Künstler oder Ensembles aus der UdSSR bei uns gastieren, und ihr Auftreten ist, da die Russen zu Auslandsgastspielen meist ihre erste Garnitur sehik-ken, stets freudig begrüßt, vom Publikum akklamiert und in der Presse entsprechend gewürdigt worden. Es ist mir kein einziger Fall bekannt, daß irgend jemand gegen diese Gäste etwas einzuwenden gehabt hätte. Jedenfalls in Wien waren die russischen Künstler stets willkommen.

Nun haben diese Kunstkontakte in den Schlußakten der Konferenz von Helsinki sozusagen ihre Magna Charta erhalten, deren einzelne Sparten speziell bei den Konferenzen der UNESCO betreut werden. Es heißt hier wörtlich im dritten Kapitel, Punkt d: „Kontakte und Zusammenarbeit zwischen Personen zu entwickeln, die eine kulturelle Tältigkeit ausüben ... Reisen und Begegnungen von kulturell tätigen Personen zu fördern... internationale Veranstaltungen auf dem Gebiet der bildenden Kunst, des Films, des Theaters, des Balletts, der Volkskunst usw. zu fördern.“ Ja, es ist sogar an gemeinsame Aufführungen von Opern und dramatischen Werken gedacht. Letzteres wurde zwischen Österreich und der Sowjetunion bereits durch Gesamtgastspiele realisiert.

Aber daß es hiezu zweier Partner bedarf, daß nicht nur die eine Seite sich bemüht, braucht wohl nicht erklärt zu werden. Doch hier hapert es. Besonders während der letzten Jahre. Wir wollen hier und jetzt ausschließlich von der Musik sprechen. Und da ist es immer wieder vorgekommen, daß Darbietungen sowjetischer Künstler, meist ohne Angabe der Gründe, kurzfristig abgesagt wurden. Wir nennen als Paradigma nur den Namen Ro-stropowitsch. Doch stellen wir diese Bemerkungen anläßlich eines konkreten Falles aus aller-jüngster Zeit an:

Am 1. und 2. Juni sollten die Leningrader Symphoniker (wohl zu unterscheiden von den Leningrader Philharmonikern) im Rahmen der Wiener Festwochen im Großen Musikvereinssaal konzertieren, und zwar unter ihrem Dirigenten Juri Temirkanow, mit Alexander Slobodjanik als Solisten am Klavier und, mit Ausnahme von zwei Werken Ravels, mit ausschließlich russischer Musik. Besonders gespannt war man auf den zweiten Abend mit dem dritten Klavierkonzert von Scht-schedrin, mit dem Komponisten am Flügel. Auch die zehnte Symphonie von Schostakowitsch hätten wir gerne wieder einmal gehört.

Doch es kam anders. Kurzfristig wurden der Gesellschaft der Musikfreunde andere Dirigenten, ein anderer Solist und ein anderes Programm angeboten. Hierauf reagierte der Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde mit einem höflichen, aber entschiedenen „Danke, nein“. Und wir finden, er hat richtig gehandelt, obwohl viele Musikfreunde sich vielleicht auch an einem anderen Programm delektiert hätten. Aber es geht hier um etwas Grundsätzliches, nämlich um die Einhaltung von Abmachungen. Das ist zumindest in der westlichen Welt so üblich. Daran aber haben sich die Russen, vertreten durch die staatliche Agentur GOS-Konzert, nicht gehalten, und wir können nur hoffen, daß sie sich, durch diese „Ausladung“ belehrt, künftig gründlicher überlegen werden, ob und was sie zu- oder absagen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung