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Ein Leben für die Oper

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Am Abend des 18. Jänner ist Sektionschief Dr. Egon Hilbert vor seinem Haus in Penzing einem Herzschlag erlegen. Er war auf dem Weg zur Oper, wo er noch bis gegen 14 Uhr gearbeitet lr tte. Drei Tage vorher war der Vertrag über seine Rücktrittsmodalitäten unterschrieben worden,' zehn Tage später hätte er einen Urlaub antreten sollen, aus dem er nicht mehr in die Oper zurückgekehrt wäre. Die Bitte Rilkes — „Q Herr, gib jedem seinen eigenen Tödi“ — wurde ihm erfüllt.

Erfüllung feines Lebenstraumes brachten ihm die letzten drei Jahre, als er alleiniger Direktor der Wiener Staatsoper war. Aber diese „Erfüllung“ war mit viel Bitterem gemischt. Die letzten Monate kämpfte er wie ein Ertrinkender gegen allerlei Ungemach: gegen eine bösartige Krankheit, gegen Paragraphen und giegen einige erbitterte und zum letzten entschlossene Feinde in der Publizistik, denen, leider, auch die staatlichen Massenmedien für ihre Hetzkampagne zur Verfügung gestellt wurden.

Seit mehr als zwei Monaten stand fest, daß Dr. Hilbert vorzeitig von der Direktion der Wiener Staatsoper zurücktreten werde (sein Vertrag wäre erst im Juli 1970 abgelaufen). Über die Modalitäten dieses vorzeitigen Rücktritts und Dr. Hilberts Abfindung wurde seither pausenlos zwischen Beamten des Unterrichtsministeriums, des Finanzministeriums und ihm verhandelt. Das Prekäre daran war, daß über alle Phasen dieser Gespräche Meldungen ausgegeben wurden beziehungsweise durchsickerten — amtliche, halbamtliche und vertrauliche —, die berichtigt, bestätigt oder in Abrede gestellt wurden, wodurch beim Leser der Wiener Journale der Eindruck entstehen mußte, es ginge jetzt nur noch darum, nämlich um die finanzielle Seite einer Angelegenheit, hinter der sich eine echte menschliche Tragödie verbarg. Es hätte sich — das sei für künftige Fälle vermerkt — sehr empfohlen, diese Verhandlungen hinter dicht verschlossenen Türen zu führen. Im Interesse aller.

Einen Tag vor seinem Tod erklärte Dr. Hilbert einem Journalisten:

„Ich bin nicht böse, ich bin auch nicht erleichtert, ich bin überzeugt, daß ich dem Haus geschadet hätte.

wenn ich Direktor geblieben wäre, weil von gewisser Seite alles unternommen worden wäre, aus Animosität gegen mich, das ganze Institut schlecht zu machen — wir haben das ja in der Vergangenheit zur Genüge erlebt und auch feststellen können, daß die Gegner in ihren Mitteln nicht wählerisch waren. Zum Abschluß möchte '.ch nur sagen, daß ich glaube, ein Theater zu verlassen, das künstlerisch und finanziell in gutem Zustand ist."

Es hat in den letzten Tagen an Nachrufen nicht gefehlt, die diese letzten Worte Dr. Hilberts bestätigten. Wir können auf die Laudatio verzichten, da an dieser Stelle Doktor Hilberts Leistungen während der letzten drei Jahre stets gewürdigt wurden, zuletzt in den Leitartikeln der „Furche“ vom 2. und 10. Dezember 1967. Seine unfairen und gehässigen Gegner mögen jetzt, da ihr Opfer zur Strecke gebracht ist, zum Halali blasen und sich nach dem nächsten Ziel umsehien.

Der Name Egon Hilbert aber bedeutet für viele „Ein Leben für die Oper“ und — wie könnte es angesichts seines Endes anders sein — „Ein österreichisches Schicksal".

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