"Jetzt steht die Oper im Zentrum"

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Der designierte Wiener Staatsopernchef Bogdan Rosci´c werde es nicht schwerer haben als er seinerzeit, meint Ioan Holender. Der Impresario der Opernwelt im FURCHE-Gespräch über Salzburger Festspiele, Wiener Oper und eine prägende Dirigentenpersönlichkeit.

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Der designierte Wiener Staatsopernchef Bogdan Rosci´c werde es nicht schwerer haben als er seinerzeit, meint Ioan Holender. Der Impresario der Opernwelt im FURCHE-Gespräch über Salzburger Festspiele, Wiener Oper und eine prägende Dirigentenpersönlichkeit.

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Ioan Holender ist 82 Jahre alt, unermüdlich und neugierig, immer im Dienst der Oper, ein Ratgeber von Künstlern und Politikern. Er schätzt den neuen Intendanten der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, und berät Intendanten von New York, Tokio und München. Mit der FUR-CHE hat er in Salzburg über die Festspiele, den Dirigenten Teodor Currentzis und über die Wiener Staatsoper gesprochen, deren Direktor er von 1992 bis 2010 war.

DIE FURCHE: Sie waren viele Jahre hindurch den Salzburger Festspielen gegenüber sehr skeptisch. Warum hat sich das heuer mit Markus Hinterhäuser als Intendant geändert?

Ioan Holender: Weil ich von ihm überzeugt bin. Ich finde, dass er die richtige Besetzung für diesen Intendantenposten ist. Das Programm seiner ersten Festspiele ist überaus attraktiv.

DIE FURCHE: Gefällt ihnen das übergeordnete Thema "Macht"?

Holender: Um Macht geht es in fast jeder Oper und in jedem Theaterstück. In der Ära Mortier, von dem sich Hinterhäuser einiges abgeschaut hat, gab es etwa das ähnlich breite Motto "Frauen in der Oper". Schön ist jetzt die Verbindung zwischen Schauspiel und Oper. Da kann die geschundene Marie in Alban Bergs "Wozzeck" mit der Kindsmörderin "Rose Bernd" von Gerhart Hauptmann verglichen werden, oder Wedekinds verführerische "Lulu" mit Schostakowitschs mordender Katerina Ismailowna, der "Lady Macbeth von Mzensk". Sie alle sind Opfer von Verdrängung und sozialen Missständen. Das ist eine interessante dramaturgische Idee.

DIE FURCHE: Steht das Schauspiel heuer nicht sehr im Schatten des Musiktheaters?

Holender: Was das Schauspiel einmal war, erreicht man heute nicht mehr. Man denke nur an die "Faust-Stadt" von Max Reinhardt in der Felsenreitschule, die Shakespeare-Aufführungen von Giorgio Strehlers "Das Spiel der Mächtigen" oder Peter Steins Inszenierungen der Römerdramen. Da war das Schauspiel wichtiger als die Oper. Jetzt steht die Oper im Zentrum und das wird sich auch nicht ändern, vor allem aus Verkaufsgründen. Die Eintrittspreise sind beim Musiktheater fast drei mal so hoch wie beim Schauspiel und die Sprache ist für nicht Deutsch-Sprechende eine Barriere. Würde die Netrebko die "Rose Bernd" spielen, dann könnte sich das mitunter wieder wenden. Die großen Namen im Schauspiel fehlen ja leider immer mehr.

DIE FURCHE: Sind die nicht auch in der Oper immer spärlicher?

Holender: Da gibt es immerhin auch Mariss Jansons, der erstmals in Österreich Oper, nämlich "Lady Macbeth von Mzensk", und Riccardo Muti, der die neue "Aida" dirigiert. Bei den Sängerinnen Elina Garanca, die in Salzburg nur einen Liederabend gibt, obwohl sie eine tolle Amneris wäre. Aber auch bei keineswegs so populären Werken wie Mozarts "La clemenza di Tito" und der Oper von Schostakowitsch stehen die Leute mit Aufschriften "Suche Karten". DIE FURCHE: Was könnten, sollten die Salzburger Festspiele sein?

Holender: Sie sollten eine Qualität haben, wegen der die Menschen nach Salzburg kommen, und die ist heuer gegeben. Egal wie die "Aida" inszeniert wird, die Leute kommen wegen Anna Netrebko, die diese Partie zum ersten Mal singt. Auch für eine Persönlichkeit wie den Dirigenten Teodor Currentzis gibt es großes Interesse und das Publikum ist von seiner "Titus"-Interpretation begeistert, berührt und keineswegs enttäuscht. Salzburg sollte bieten, was es nirgendwo in der Welt gibt. Das kann man natürlich nicht, denn alles was hier gespielt wird, gibt es auch anderswo. Trotzdem hat Salzburg den Nimbus eines einzigartigen Festivals. Ich kenne zumindest keines, das wichtiger ist. In Österreich gibt es als Musikfestival in dieser Qualität nur die von Gerd Nachbauer seit mehr als vier Jahrzehnten geleitete "Schubertiade" in Vorarlberg.

DIE FURCHE: Was fasziniert Sie an dem griechischen Dirigenten Teodor Currentzis?

Holender: Sein unglaublicher Wille, bei den Sängern und Musikern das zu erreichen, was er sich vorstellt, und dass er ein genaues Konzept hat, von dem er sich nicht abbringen lässt. Die Probenzeit muss sich nach seinen Vorstellungen richten, das Wort "Dienst" kennt er nicht und mit den Arbeitsbedingungen außerhalb von Festspielen dürfte er sich bei uns schwer tun. Ich diskutiere nicht, ob seine Tempi zu langsam oder zu schnell sind oder warum er Originalpartituren nicht so genau nimmt. Er ist eine ganz große, prägende Dirigentenpersönlichkeit.

DIE FURCHE: Er soll ja für die idealen Bedingungen, die er in seinem

Opernhaus in Perm hat, sogar die russische Staatsbürgerschaft angenommen haben.

Holender: Er hat in St. Petersburg studiert, war Chefdirigent im größten Opernhaus in Sibirien und hat den Ruf, dass er die Freiheit der Kunst verteidigt. Er hat Künstler wie Robert Wilson und Romeo Castellucci nach Perm eingeladen. Ich war ja dort und habe nicht nur beeindruckende Ballettvorstellungen gesehen, sondern ein ganz besonderes Konzert mit seinem Orchester musicAeterna erlebt. Die Zeit des Beginns war um vier Uhr Früh angesetzt, denn um diese Zeit ist seiner Meinung nach die Konzentration der Musiker und des Publikums am größten.

DIE FURCHE: Sie kennen den designierten Wiener Staatsopernchef, Sony-Manager Bogdan Rosci´c, der ab 2020 die Leitung übernehmen wird und schon jetzt nicht nur wegen des angeblichen Plagiats seiner Doktorarbeit, sondern auch wegen mangelnder Erfahrung als Direktor kritisiert wird. Wird er es schwer haben?

Holender: Wohl kaum schwerer, als ich es gehabt habe. Erinnern Sie sich doch nur, wie ich wegen meiner Agentur angegriffen wurde. Ich bin zuversichtlich, dass er es schaffen wird. Er hat sich nicht wegen des bloßen Titels und der Position des Direktors beworben, sondern weil er für die Wiener Staatsoper die höchste Qualität erreichen will und ich nehme ihm seine Begeisterung für diese Aufgabe durchaus ab.

DIE FURCHE: Welche Reform ist Ihrer Ansicht nach die Dringlichste?

Holender: Jene des Orchesters. Die Musiker, die bei den Proben anwesend sind, dürfen bei der Premiere und den Folgevorstellungen nicht ausgewechselt werden. Das ist die wichtigste Voraussetzung für erste Dirigenten und vor allem für den soeben bestellten neuen Musikdirektor Philippe Jordan, den ich für eine sehr gute Wahl halte und der ja schon in meiner Direktion die Premiere von Massenets "Werther" dirigiert hat.

DIE FURCHE: Glauben Sie wirklich, dass man so viele verschiedene Werke auf dem Spielplan braucht?

Holender: Wenn man eine höhere Qualität will, muss man die Anzahl verringern. Ich glaube aber nicht, dass sich das so schnell ändern lässt.

DIE FURCHE: Sie hatten in Salzburg ein Gespräch mit dem Chef der Metropolitan Oper Peter Gelb, den Sie ja als Konsulent beraten. Wie erklären Sie sich, dass bei der Met von einer Krise gesprochen wird?

Holender: Die Auslastung ist nicht mehr so hoch wie früher. Man spricht sogar davon, dass es besser wäre, das Haus zu verkleinern. Einerseits kommen immer noch die ersten Sängerinnen und Sänger, wenn auch meist nur für eine Opernserie und nicht wie früher mehrmals. Außerdem ist die Met von ihren Sponsoren abhängig und die können sich mit den jetzt doch moderneren Inszenierungen nicht anfreunden. Es ist also schwieriger geworden als früher.

DIE FURCHE: Wie schaffen Sie es, im heißen Salzburg Sendungen zu moderieren, Künstler und Manager zu beraten und ständig am Ball zu sein?

Holender: Die Sendungen "kul-TOUR mit Holender" in ServusTV sind nicht immer so häufig. Konsulent bin ich nur an der Metropolitan Oper und in Tokio, außerdem berate ich in München den Intendanten Nikolaus Bachler, mit dem ich befreundet bin. Meine Meinung und mein Rat sind eben immer noch gefragt.

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