6799214-1971_25_11.jpg
Digital In Arbeit

RIAS-Orchester zu Gast

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht zum erstenmal konzertierte in Wien das Berliner Radio-Symphonie- Orchester. Auch Lorin Maazel, dessen Weltkarriere hier begann, haben wir wiederholt am Pult gesehen. Das erste Konzert der Berliner war ausschließlich Debussy gewidmet. Zwei seiner Meisterwerke, das „Prėlude ä l’aprės-midi d’un faune“ von 1893 und die zehn Jahre später entstandene Tondichtung „La mer" umrahmten „Trois Images“, die Debussy in den Jahren 1905 bis 1911 geschrieben hat. „Gigues“ (ursprünglich Gigues tristes) ist eine Huldigung an Schottland, die Heimat dieser alten Tanzform, „Rondes de printemps" verwendet ein französisches Volkslied, „Ibėria“ verarbeitet spanische Eindrücke und ist ein Beitrag zum damals modischen Hispanismus in der Musik. Es ist das weitaus wirkungsvollste der drei Stücke, die zuweilen so klingen, als hätte Debussy nicht mehr sehr inspirierte Debussy-Musik geschrieben. (Eines der Stücke hat übrigens Caplet instrumentiert.)

Halten vir jjps also ąp diß Meisterwerke:- jedes taubeihafte, pur neun -Minuten dauernd» Prėlilde zu einer Mallarmeschen Dichtung, mit dem eigentlich die Geschichte nicht nur des Impressionismus, sondern auch der neuen Musik beginnt, und das Triptychon „La mer“, in dem alle Farben der Debussyschen Palette, die zarten und die leuchtenden, seine neuartige Harmonik und raffinierte Orchestrierung 'am wirkungsvollsten zur Geltung kommen.

Die Wiedergabe dieser Musik gelingt Maazel deshalb so gut, weil er die für Debussy erforderliche Oberflächensensibilität besitzt. Sowohl die Stimmung des Preludes, das er sehr gedehnt spielen läßt, hypersensibel und ein wenig manieriert interpretiert, wie auch die wechselnden Meeresbilder mit ihren federnden und fluktuierenden Rhythmen, aber auch die wirkungsvollen, blechbläsergekrönten Ausklänge der drei Teile hat er gut erfaßt. Die Hörner postiert er links im Hintergrund, was einen guten klanglichen Effekt gibt. Das ambitionierte Orchester, in dem auch neun Damen mitwirken und das einen ausgezeichneten japanischen Konzertmeister hat, zeigte vollendete Disziplin, einen hohen Grad von Präzision und beachtliche Tonschönheit in allen Instrumentalgruppen. Der überaus lebhafte Applaus nach „La mer“ war daher wohlverdient.

Helmut A. Fiechtner

Der zweite und dritte Abend des Radio-Symphonie-Orchesters Berlin unter Lorin Maazel war Brahms und Schubert gewidmet. Höhepunkt: eine hervorragend ausgewogene Aufführung von Schuberts großer Es-Dur- Messe (D 950), entstanden 1828 als eines der letzten Werke vor des Meisters Tod. Maazel, der zur vorher gespielten „Vierten“ (c-Moll, D 417), der „Tragischen“, merkwürdig wenig Beziehung spürbar werden ließ, die herrliche Lyrik des Andante etwa recht oberflächlich behandelte, das Menuett zu trocken und das Allegro- Finale ein bißchen knatternd laut vorbeirattern ließ, zeigte für die Messe das richtige dramatische Gespür: fast pathetisch trumpften die monumentalen Chorsätze (Wiener Singakademie, Chorus Viennensis; Einstudierung Hermann Furthmoser)

auf, rissen mit Jubel barocke Himmel auf. Überhaupt rückte Maazel diesen geistlichen Schwanengesang des Meisters in die Nähe einer barocken Apotheose, ohne die da und dort durchbrechende intime Lyrik einzelner Abschnitte (zum Beispiel im „Incamatus est“) zu verdecken. Im Solistenquintett fiel vor allem der sanfte Sopran Lucia Popps angenehm auf. Ihre Partie ist gewiß die interessanteste im Werk, die anderen — Ingrid Mayr (Alt), Werner Hollweg und Heinz Zednik (Tenor), Reid Bunger (Baß) scheinen über lange Strecken recht wenig ausgelastet. Das Orchester erwies sich hier (wie an den vorangegangenen Abenden mit konzentrierten Aufführungen von Brahms: „Dritter“ und „Vierter“) in Hochform: Homogen in den Instrumentengruppen, klanglich schön -austariert, in der Dynamik der klanglichen Oberfläche gut ausgefeilt. Besonders wohlklingend die

Krips dirigiert Mahler

Gustav Mahlers c-Moll-Sympho- nie wurde von Josef Krips im letzten Konzert des Symphonikerzyklus aufgeführt. Krips hat nach mehrjähriger „Distanziertheit“ seine erneute Liebe zu Mahler bekundet: es ist eine erstaunlich temperamentvolle. Die Nachaufführung (mit der wenig glücklichen Solistenbesetzung Renate Holm und der viel überzeugenderen Anna Reynolds) zeigt es: Es könnte immerhin für Krips ein Anfang sein, mit Mahlers Symphonien sich erneut auseinanderzusetzen. Wobei er wahrscheinlich sehr bald auch einen wesentlich beruhigteren Stil vorziehen würde, mit gemächlicheren Andanti, feierlicheren, schlichteren Misterioso-Sätzen und ruhigerem Fließen der Instrumentalstimmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung