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Maazel und Mahler

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Ein großartiges Seblußkonzert krönte den Zyklus „Meisterwerke des 20. Jahrhunderts“ im Konzerthaus: Das Radio-Symphonie-Orchester Berlin, ein mit maximaler Akkuratesse, Homogenität, erlesener Klangkultur musizierendes Ensemble, spielte Bartöfcs „Concerto for Orchestra“, Schönbergs Variationen (op. 31) und, als triumphalen Abschluß, Ravels Tanzpoem „La Valse“. Lorin Maazel, absolut souverän, wenn es gilt, diffizile Farbkombinationen aufzufächern, knisternde Spannung zu erzeugen und das Orchester zu rauschender Klangpracht und Monumentalität im Ausdruck mitzureißen, führte seine Berliner voll Elastizität und Spannkraft. Jede Phrase des schwierigen Schönberg-Opus entfaltete da ihr Eigenleben, die raffiniert-kunstvolle Instrumentation des Ravel-Werkes glühte und funkelte, das Prestofinale bei Bartök wirkte in seiner Rasanz und elementaren Wucht mitreißend, ja strahlte Faszination aus. Ohne Übertreibung kann man diesen Abend als einen Triumph der Berliner Gäste, als einen Höhepunkt der Festwochenkonzerte bezeichnen. Das Publikum wußte die Qualität der Wiedergaben zu schätzen und feierte Maazel und sein Orchester mit nicht enden wollendem enthusiastischem Jubel.

Die musikalische Reise durch Böhmens Hain und Flur mit den Wiener Philharmonikern hinterließ unleugbar allen, die die Matinee im Konzerthaus erlebten, starken Eindruck: Rafael Kubelik gestaltete die sechs imposanten Teile des symphonischen Epos „Mein Vaterland“ von Smetana in einer wohlausgewogenen Mischung aus Naivität, historisch-nationalem Heroismus und leidenschaftlicher Größe. All die Sagengestalten — Sarka, Ctirad, Lumir —, Denkmäler wie Vyäehrad und Tabor, Landschaften wie den Berg Blanik charakterisierte er voll Intensität und Pathos, skizzierte die dramatischen Historienszenen

pastos und effektgeladen. Mit kraftvoller Zeichengebung konturierte er die großräumigen musikalischen Organisationsformen und gab den thematischen Linien Prägnanz im Ausdruck. Das Orchester, übrigens in bester Musizierlaune, folgte exakt und mit Temperament. K. H. Z.

Mahlers letzte vollendete Symphonie, die Neunte, war Lorin Maazel anvertraut, der sie mit dem Berliner Radio-Symphonie-Orchester, dessen ständiger Leiter er ist, im ganzen sehr eindrucksvoll und „richtig“ aufführte. Zwei ausgedehnte Ecksätze werden von zwei tänzerisch-burlesken unterbrochen. Während in diesen die Neigung des immer noch sehr jugendlich wirkenden Dirigenten zum Exhibitionismus zu bemerken war und Willkürlichkeiten (Zäsuren und Ritenuti, wo sie Mahler nicht verlangt usw.) registriert werden müssen, könnte man mit dem Andante und dem Adagio, das wirklich wie ein letzter Seufzer verklang, einverstanden sein, wollte sich der Dirigent nur die langsamen, gedehnten Auftakte abgewöhnen, die, was gefühlsgeladen ist, sentimental erscheinen lassen. — Im ersten Teil des Konzerts sang Christa Ludwig mit sehr kontrolliertem Ausdruck (wofür wir dankbar sind) und auffallender Zurückhaltung auch ihres Stimmvolumens (wodurch sie an einigen Stellen zugedeckt wurde) die ergreifenden „Kindertotenlieder“ nach Gedichten von Friedrich Rük-kert. Für eine kleine „Zeilenver-hebung“, die ihr im zweiten Lied passierte, hat gerade der Zeitungsmann jedes Verständnis, zumal wenn sie durch soviel Schönheit und Qualität der Darbietung überkompensiert wird. Das Berliner Orchester zeigte, neben größter Akuratesse und Behutsamkeit beim Vortrag schwieriger Stellen, eine bemerkenswerte Einfühlung in den späten Mahler-Stil. Das Publikum war mit Recht sehr beeindruckt und applaudierte minutenlang am Ende des letzten Mahler-Konzerts. H. A. F.

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