6768331-1968_43_15.jpg
Digital In Arbeit

Schmidt-Oratorium, Maazel-Konzert

Werbung
Werbung
Werbung

Es ist längst Tradition geworden, Franz Schmidts Oratorium „Das Buch mit sieben Siegeln“ einmal jährlich im Musikverein zu hören. Diesmal sorgten die Symphoniker und der Singverein unter Josef Krips im Internationalen Orchester- und Chorzyklus für eine lediglich passable, nicht sehr eindrucksvolle Wiedergabe. Allerdings, die entscheidende Partie, die des Johannes, war mit Walter Schmidt von der Leipziger Oper nicht sehr überzeugend besetzt Vergleiche mögen unfair wirken, aber Julius Patzak hat mit seiner packenden Gestaltung für lange Zeit den vielleicht einzigen perfekten Interpretationsstil festgelegt. Schmidt mangelte es schon rein stimmlich, vor allem in der Höhe, aber auch in etlichen Pianostellen, an schönem Timbre und Durchschlagskraft; er schaffte nicht ganz den makellosen Übergang von der Halbdeklamation in den Melodiebogen und ließ es an entscheidenden lyrischen Stellen an subtilem Ausdruck mangeln. Ernst G. Schramm Üfid das Solistenquartett ((Äär1 Lorenz, Hilde Rössel-Majdan, Adolf Dalla- pozza und Herbert Lackner) bemühten sich um stimmlich ausgewogene Pointierung ihrer knappen Partien. Der Singverein, von Helmuth Froschauer immerhin auf Akkuratesse exerziert, bot eine wenn schon nicht großartige, so doch saubere Leistung.

Ein absolut persönliches Werk, eine großräumige, vielschichtige, vielgesichtige Symphonie, in der dennoch eine fast private Atmosphäre dominiert, stellten die Wiener Philharmoniker zur Eröffnung ihres diesjährigen Zyklus an die Spitze: Jean Sibelius’ „Fünfte“. Sie ist ein Stück der großen Kontraste und Spannungen, der vollplastischen Formen, harten Konturen. Verklärende Mystik und weise Apologie verströmen ihr sanftes, mildes Licht. Ekstatischer Jubel bricht immer wieder durch. Es ist ein Stück voll Volkskolorit, aber auch eines der bald im Nebel und bald in kühlem nördlichem Sonnenlicht träumenden Landschaft. Bei Lorin Maazel lag diese „Fünfte“ in besten Händen. Er kennt sie natürlich auswendig, und er weiß all die Wiederholungen von Fragmenten und kleinen Variationsformen zu verdichten, zu ballen und die gewaltigen Entladungen mit viel Emphase vorzubereiten. In den Philharmonikern fand er bei diesem Unterfangen ein Ensemble, das seinen oft theatralisch anmutenden Intentionen akkurat mit sinnlichwarmem Streicherklang, herbstlichen Nuancen im Holz und bald düster glühender, bald hell schimmernder Pracht im Blech folgte. Um so mehr als der Ausflug in diese im Grunds versponnene, fremde Welt auch das Ensemble zu fesseln schien. Beethovens „Eroica“, nach der Pause gespielt, bekam noch ein wenig von der neuromantischen Gesinnung ab, eilte im ersten Satz in überstraffen Tempi vorbei, geriet sehr bewegt und dramatisch. Alles in allem: ein Auftakt, in dem die Freude an der großen Gebärde, an großzügig gestalteten Formen regierte. Das Publikum wußte das zu schätzen und dankte begeistert.

Im zweiten Konzert des Tonkünstlerzyklus im Sendesaal machte Dr. Herbert Kleinlercher, der für die Programmierung verantwortlich zeichnet, mit einer Reihe selten aufgeführter Werke bekannt: So mit Haydns Es-Dur-Symphonie (HV174), Dimitri Kabalewskis Violinkonzert (op. 48), einer rein akademischen Komposition ä la „sozialistischer Realismus“, und Leo Weiners Divertimento Nummer 1 (op. 20), einem lustigen, aber substanzarmen ungarischen Tanzarrangement. Der junge Zsolt Deaky, ein solider Schlagtechniker, den man aus dem Arkadenhof kennt, dirigierte mit Tempo und Elan. Dennoch wirkte manche Stelle des Haydn-Opus, das übrigens nicht zu den besten des Meisters zählt, trok- ken, ja mechanisch, hatte zuwenig Tiefgang. Lockerer und leichter führte er die Tonkünstler in der Begleitung des Kabalewski-Stücks, dessen Melodienseligkeit und harmonische Süßlichkeiten nicht ohne klangliche Delikatesse präsentiert wurden. Kaum zu kaschieren waren indes manche satztechnische Banalitäten der Piäce. Thomas Kakuska, hochbegabter junger Geiger aus der „Wiener-Solisten“-Schar, spielte den Solopart’mit geschmeidigem, samtigem Ton, vollem Einsatz virtuoser Tecftmk: ‘Er ‘Recht’

stürmischen Beifall. Weiners reißerisches Stück und Kodalys meisterhafte Variationen über das Volkslied „Der Pfau ist aufgeflogen“ lockten Dirigent und Orchester aus der Reserve: Das Resultat waren zwei frisch leuchtende, in den Details ausgefeilte Wiedergaben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung