Wagner umjubelt und heftig umstritten

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Die Osterfestspiele Salzburg feiern ihr 50-jähriges Jubiläum und erinnern mit "Walküre" an ihre erste Musiktheaterproduktion. An der Wiener Staatsoper wurde der neue "Parsifal" unter der Regie von Alvis Hermanis sehr kontrovers beurteilt.

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Die Osterfestspiele Salzburg feiern ihr 50-jähriges Jubiläum und erinnern mit "Walküre" an ihre erste Musiktheaterproduktion. An der Wiener Staatsoper wurde der neue "Parsifal" unter der Regie von Alvis Hermanis sehr kontrovers beurteilt.

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Als Herbert von Karajan vor mehr als einem halben Jahrhundert seine Heimstadt Salzburg mit der Idee von Osterfestspielen konfrontierte, wurde dies mit einer Anzeige beantwortet. Begründet damit, dass der Begriff Festspiele ausschließlich für den Sommer reserviert sei. Salzburgs mächtiger Erzbischof Andreas Rohracher wiederum witterte in der für den Gründonnerstag angesetzten Premiere der "Walküre" als Startproduktion für Wagners "Ring" eine unerträgliche Konkurrenz für die katholische Liturgie, stellte sich damit ebenfalls gegen die Pläne Karajans. Aber es wäre nicht Österreich, wäre man nicht zu einem für alle tragbaren Kompromiss gekommen. Karajan versprach, mit der Premiere künftig auf einen anderen Termin auszuweichen. Und mit der Bindung des neuen Festivals an den Salzburger Festspielfonds stand schließlich auch der Bezeichnung "Osterfestspiele" nichts entgegen.

Nach Karajan war es kurz Sir Georg Solti, später die beiden Karajan nachfolgenden Chefdirigenten der von Beginn weg als Festspielorchester engagierten Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado und Sir Simon Rattle, die - durchaus unterschiedlich glanzvoll - das Profil dieses österlichen Festivals prägten. Seit sich ab 2013 die "Berliner" mit ihrem Chef durch ein für sie lukrativeres Angebot nach Baden-Baden locken ließen und nunmehr dort ihr musikalisches Ostern feiern, ist es die Sächsische Staatskapelle Dresden und ihr Chefdirigent Christian Thielemann, die zu Ostern an der Salzach den Ton angeben, eine Musiktheaterpremiere und einige Konzerte bestreiten. Dass dieses Jahr zusätzlich die Wiener und Berliner Philharmoniker eingeladen waren, erklärt sich sowohl daraus, dass beide Orchester in der Vergangenheit bei diesen Festspielen mitwirkten, als auch mit dessen besonderem Jubiläum.

Erlösung als nur eingeschränktes Konzept?

Dieses begann man mit jener Produktion, mit der man hier begonnen hatte. Nämlich mit Wagners "Walküre", und zwar in der Rekonstruktion des damals dafür entworfenen, vom legendären Bayreuther "Ring" Wieland Wagners inspirierten Bühnenbild von Günther Schneider-Siemssen. Im Wesentlichen ein ellipsenförmiger Ring, der im Großen Festspielhaus großzügig Gelegenheit zu einer differenzierten Personenregie gäbe, was Vera Nemirova allerdings kaum nutzte, anstelle dessen vornehmlich mit statischen Bildern aufwartete. Der Skandal, den im Vorfeld so mancher von ihrer Arbeit erwartet hatte, blieb damit aus.

Ein souveräner, wenn auch in die Jahre gekommener Siegmund (Peter Seiffert), eine exzellente Sieglinde (Anja Harteros), eine packende Brünnhilde (Anja Kampe), ein glaubhaft seine Zerrissenheit darstellender Wotan (Vitalij Kowaljow) sowie ein wortdeutlicher, aber zu harmlos agierender Hunding (Georg Zeppenfeld) dominierten das hochkarätige Ensemble. Ihm legte Christian Thielemann mit seinen fabelhaft aufspielenden "Dresdner" einen spannend-funkelnden, wenn auch von Manierismen nicht ganz freien Teppich, was mit Ovationen bedankt wurde.

Zustimmung wie heftige Ablehnung erntete Wiens neuer "Parsifal". Vor allem die Regie von Alvis Hermanis rief zahlreiche Diskussionen hervor. Verlegte er deswegen die Handlung ins Wien der Jahrhundertwende, in das Ambiente des von Otto (!) Wagner erbauten "Am Steinhof", um zu zeigen, dass nur Leidende -in diesem Fall die zu Insassen der Irrenanstalt umgedeuteten Gralsritter -auf Erlösung hoffen dürfen? Kann man Kundrys (hochdramatisch Nina Stemme) Triebhaftigkeit nur dadurch bekommen, dass man sie in einen Käfig steckt? Darf sie am Ende den hier als Gehirn gedeuteten Gral öffnen, weil sie sich davor für den wie Gurnemanz (markant und glasklar artikulierend René Pape) als Arzt gezeichneten Klingsor (stimmgewaltig Jochen Schmeckenbecher) auf die Couch gelegt hat? Nicht weniger problematisch, wenn Parsifal in einer Prosektur auf die Blumenmädchen trifft, nachdem er zuvor in dieser Umgebung mit seiner toten Mutter konfrontiert worden war. Parsifal (routiniert und blass Christopher Ventris) zeigt sich wechselweise in Harnisch und Lederhose. Hervorragend Gerald Finley als mit von Blutflecken benetztem Kopfverband auftretender Amfortas.

Farbenreich musizierend

Aufgabe des Regisseurs ist nicht, ein intellektuelles Konstrukt zu entwerfen, sondern poetische Bilder, sagt Hermanis im Programmheft. Eine Provokation, ein bewusstes Wegführen von einem Konzept, das er nicht näher erklären möchte? Eine Ablenkung von einer ungenügenden Personenführung, wie nicht zuletzt die Chorszenen zeigten? Hat sich Semyon Bychkov an der Spitze des meist ideal und flexibel seinen Intentionen folgenden, farbenreich musizierenden Staatsopernorchesters deswegen für so ausführliche Tempi entschieden, um dem Zuseher mehr Zeit für Hermanis' unkonventionell-assoziierende Bilderwelt zu geben? Auch dafür gab es Beifall wie Buhs.

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