Jenufa - © Foto: Werner Kmetitsch

"Jenufa": Dramatische Rückschau aus der Zelle

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Wiens kommende Volksoperndirektorin Lotte de Beer inszenierte die letzte Produktion des scheidenden Theater-an-der-Wien-Prinzipals Roland Geyer: Janáčeks „Jenufa“.

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Wiens kommende Volksoperndirektorin Lotte de Beer inszenierte die letzte Produktion des scheidenden Theater-an-der-Wien-Prinzipals Roland Geyer: Janáčeks „Jenufa“.

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Lange hat man seinerzeit darüber diskutiert. Selbst als die Entscheidung gefallen war, gab es immer noch gewichtige Stimmen, welche dem Vorhaben, aus dem langjährigen Musical-Haus Theater an der Wien wieder ein Opernhaus zu machen, höchste Skepsis entgegenbrachten. Wie sollte sich ein Newcomer in der ohnedies dichten Wiener Opernszene behaupten können? Noch dazu mit einem so ehrgeizigen Konzept, Monat für Monat mit einer Produktion aufzuwarten?

Aber Roland Geyer hat seine Stagione-Idee genauso umgesetzt, wie er es damals versprochen hatte. Nicht zuletzt, weil es ihm von Anfang an gelungen ist, dafür wichtige Fürsprecher zu finden. Zuvorderst Nikolaus Harnoncourt und seinen Concentus Musicus. Zudem konnte er sowohl die Wiener Symphoniker als auch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien ebenso als ständige Ensembles an sein Haus binden wie den exzellenten Arnold Schoenberg Chor. Dazu gesellte sich seine über mehr als eineinhalb Jahrzehnte nie erlahmende Experimentierfreude mit Stücken wie Regisseuren, selbst wenn die Resultate nicht immer das gewünschte Ergebnis brachten.

Internationale Anerkennung

Vor allem basierte sein Erfolg auf seinem bis zuletzt durchgehaltenen Konzept, gleichermaßen auf Barock, Wiener Klassik und avancierte Moderne, Uraufführungen miteingeschlossen, zu setzen, um damit den Wiener Opernalltag zu ergänzen wie zu inspirieren. Er scheute sich auch nicht, zuweilen Werke auf sein Programm zu setzen, die auch in den anderen Häusern im Repertoire stehen. Wie spannend solches sein kann, war erst kürzlich zu erleben: bei den Wiederaufnahmen von Brittens „Peter Grimes“ hier am Theater an der Wien wie an der Staatsoper.

Produktionen, wie sie szenisch unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber beide Modellcharakter besitzen. Zugleich ein beredtes Beispiel, zu welchen Höhen Roland Geyer sein Haus in diesen sechzehn Jahren geführt hat, wofür es immer wieder internationale Anerkennung gegeben hat. „Peter Grimes“ wird demnächst auch Geyers Nachfolger, Stefan Herheim, präsentieren. Seine Inszenierung dieses Britten hat in wenigen Tagen Premiere an der Bayerischen Staatsoper München. Was er für Wien vorhat, ist noch nicht bekannt. Jedenfalls muss er seine ersten Pläne in einem Ausweichquartier, dem Museumsquartier realisieren, schon in den kommenden Tagen beginnt die längst fällige Generalsanierung des Theaters an der Wien. Gespannt darf man auch darauf sein, was die neue Prinzipalin an der Volksoper Wien, Lotte de Beer, in ihrem Programmköcher führt.

Ehe sie ihr erstes Programm vorstellen wird, hat sie noch für Geyers letzte Musiktheaterproduktion am Theater an der Wien Regie geführt: bei Leoš Janáčeks „Jenufa“. Auch wenn es dauerte, ehe sich dieses Meisterwerk durchsetzen konnte, ist dieses von vertrackten Familienbeziehungen nur so triefende, in einem Mord endende Drama zum festen Bestand des internationalen Opernrepertoires geworden und inspiriert Regisseure zu immer wieder neuen Sichtweisen. Auch Lotte de Beer, deren bisherige, durchaus unterschiedlich aufgenommene Arbeiten am Theater an der Wien RepertoireAußenseitern wie Bizets „Les pécheurs de perles“ und Tschaikowskis „Die Jungfrau ungesühnter Schulden angereist.

Für Reue bleibt aber keine Zeit, stattdessen macht sich die illustre Runde das Post-mortem-Dasein so schwer wie möglich. Es wird gedroht, geschlagen und umeinander gebuhlt was das von Orleans“ galten, hat eine neue Perspektive zu dieser quasi „Familienaufstellung im Opernkleid“ beigesteuert: Sie erzählt die Geschichte im Blick zurück, spult die Handlung gleichsam filmisch zurück.

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