6814087-1972_50_13.jpg
Digital In Arbeit

„Holländer“ mit Hindernissen

19451960198020002020

Wien, Anfang März 1967: Doppelpremiere der „romantischen Oper in 3 Aufzügen“ von Richard Wagner, ursprünglich als szenische Ballade mit drei pausenlos ineinander übergehenden Bildern konzipiert. Es war Wieland Wagners letzte Arbeit, die nach seinen Entwürfen und Modellen für die Wiener Staatsoper fertiggestellt wurde. Unvergeßlich das erste Bild, das Auftauchen des riesigen Gespensterschiffs vor schwarzrot ornamentiertem Hintergrund, in Grau und Silber, muschel- und tangbedeckt, böse phosphoreszierend. Ein auf 280 Mann erweiterter Chor und eine komplette Doppelbesetzung: Otto Wiener — Theo Adam, Leonie Rysanek — Anja Silja ... Aber die letztere verließ kurz vor der Premiere grollend die Probe und Wien, weil sie mit der Art, wie die Wagner-Witwe Gertrud die Premiere leiten wollte, nicht einverstanden war. Für sie sprang Ingeborg Felderer ein. Heinrich Hollreiser stand am Pult. Krach und Gefährdung der Aufführung vor der Premiere. — Diesmal fand der Aufstand während der ersten Vorstellung statt.

19451960198020002020

Wien, Anfang März 1967: Doppelpremiere der „romantischen Oper in 3 Aufzügen“ von Richard Wagner, ursprünglich als szenische Ballade mit drei pausenlos ineinander übergehenden Bildern konzipiert. Es war Wieland Wagners letzte Arbeit, die nach seinen Entwürfen und Modellen für die Wiener Staatsoper fertiggestellt wurde. Unvergeßlich das erste Bild, das Auftauchen des riesigen Gespensterschiffs vor schwarzrot ornamentiertem Hintergrund, in Grau und Silber, muschel- und tangbedeckt, böse phosphoreszierend. Ein auf 280 Mann erweiterter Chor und eine komplette Doppelbesetzung: Otto Wiener — Theo Adam, Leonie Rysanek — Anja Silja ... Aber die letztere verließ kurz vor der Premiere grollend die Probe und Wien, weil sie mit der Art, wie die Wagner-Witwe Gertrud die Premiere leiten wollte, nicht einverstanden war. Für sie sprang Ingeborg Felderer ein. Heinrich Hollreiser stand am Pult. Krach und Gefährdung der Aufführung vor der Premiere. — Diesmal fand der Aufstand während der ersten Vorstellung statt.

Werbung
Werbung
Werbung

Herbert Graf hätte Regie führen sollen. Infolge eines Unfalls war er verhindert, und der in Gelsenkirchen tätige Wolfgang Zörner, der auch schon in St. Gallen bereits einen „Fliegenden Holländer“ inszeniert hatte, sprang ein, indem er sein Konzept den bereits fertigen Bühnenbildern Schneider-Siemssens anpaßte. Als Regieassistentin fungierte Eva Wagner, die Tochter von Wolfgang Wagner. Dirigent der Aufführung war der gebürtige Tiroler Otmar Suitner, der sich nicht nur in Dresden und Ostberlin, sondern auch in Bayreuth als Wagner-Dirigent bewährt hat.

Auch diesmal wollte man auf eine große Pause nach dem ersten Akt nicht verzichten. Denn Wagner hatte (1840 bis 1842) nicht nur die Möglichkeiten der damaligen Bühnen souverän ignoriert, sondern auch das Publikum überfordert. Hingegen folgte man der Dresdner „Urfassung“ (2. Jänner 1843) und ließ die weicheren „Erlösungsschlüsse“, die er mittels Einführung einer Harfe und der Dämpfung des Blechs nach den Aufführungen in Zürich (1852) und München (1864) vorgenommen hatte, unberücksichtigt.

Über das Werk muß man immer wieder staunen, wenn man sich vergegenwärtigt, worauf es basiert (Weber, Marschner, Meyerbeer). Es beginnt mit der Ouvertüre als „symphonischer Gesamtdarstellung“ des Werkes: mit einer vorher nie gehörten Schilderung von Nacht, Sturm und Meer, setzt sich im 1. Akt fort, verwandelt Arie und Kantilene in rezitativischen Sprechgesang, ruft im zweiten optisch und melodisch ein letztes Mal Lortzing herauf und zeigt da und dort — rührende Eierschalen des sich entfaltenden Genies — noch Rudimente der alten „großen Oper“ wie Arie, Duett, Terzett, Cavatine usw.

Das erste Bild war, wenn man seinen realistischen Stil akzeptiert, gut gelungen, so gut, daß man sich nicht gewundert hätte, von kalten Meereswogen überspült und vom Sturm von den Sitzen gefegt zu werden (Es erhielt Szenenapplaus.) Die Sp'innstube an Dalands Haus präsentiert sich wenig heimelig, und während des großen Duetts Senta-Holländer schwinden die Wände und geben den Blick auf eine weiträumige Meer- und Uferlandschaft frei. Das Porträt des Holländers — eine fatale Ungeschicklichkeit — ist im Hintergrund angebracht und verschwindet, sobald dieser selbst erscheint. Die Matrosenszenen waren gut aufgebaut und passabel geführt. Die Leistungen des hier und in den übrigen Szenen mitwirkenden Chores gehören zu den Positiva dieses Abends.

Zu diesen zählt auch die aus Kalifornien gebürtige Janis Martin, die zwar über Wagner-Erfahrungen verfügt, die Senta aber zum erstenmal sang: mit einem hellen Sopran von persönlicher Färbung und beachtlichem Volumen. Schade, daß sie, die auch äußerlich eine fast ideale Senta sein könnte, vom Regisseur so schlecht, bis an die Grenze des Lächerlichen schlecht, geführt wurde. Sie war weder das „Kind von übermenschlicher Stärke und Größe des Gefühls“ noch die Visionäre und Somnambule. Die erste Begegnung mit ihrem Idol blieb ohne Spannung.

Cornell MacNeil (USA) sang den Holländer mit Intensität und dunkel timbrierter, nicht gerade ausdrucksloser, aber wenig flexibler Stimme und mangelhafter Aussprache und Wortdeutlichkeit. Neben Daland wirkte er kleiner, dafür war er. dicker — was dieser gespenstischen Gestalt schlecht ansteht. — Manfred Schenk ließ als Daland einen ruhig geführten Baß von mittlerer Qualität erklingen, der Tenor von William Cochran (USA) als Erik und der Adolf Dallapozzas als Steuermann ist ein wenig schwach, aber von angenehmer jugendlicher Färbung. — Margarita Lilowa erhielt für ihren kleinen Auftritt den lautstärksten

Applaus. — Und damit sind wir bei den Absurditäten dieses Premierenabends. Nämlich bei den Reaktionen eines Teiles jenes Publikums auf den Galerien und im Stehparterre, mit dem wir uns schon wiederholt beschäftigen mußten.

Diesmal waren seine Mißfallensäußerungen — während der Aufführung — so bösartig und unsinnig, daß, wenn man am Kunstverstand der jungen Leute nicht zweifeln will, nur von gelenkten Aktionen gesprochen werden kann. Fast alle Ausführenden kamen dabei zu Schaden, am meisten der Dirigent und das Orchester, die vor dem zweiten Akt mit Gebrüll empfangen wurden. Desgleichen einzelne Sänger am Schluß sowie das ganze Ensemble. — Zugegeben: dieser Holländer war nicht faszinierend und in der Personenführung gab es Ungeschicklichkeiten. (Wenn Wieland Wagner „statuarisches Theater“ macht, so starrt man wie gebannt auf die Gestalten, hier wirkte das „Epische“ manchmal ermüdend.) Was aber unbedingt abzulehnen und zu verbieten ist, sind Kundgebungen während der Aufführung. Auch Otmar Suitner hatte sie nicht verdient...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung