6686664-1962_19_13.jpg
Digital In Arbeit

Neue Senta und Montreal-Orchester

Werbung
Werbung
Werbung

Diese Wagnersche Holländer-Braut hat es in sich: sie ist ein Kind, das aber von einem überwältigendes- leidenschaftlichen Gefühl getrieben ist; sie schwärmt wie ein jurves Mädchen, ist aber ganz unsentimental r sie zeigt vWönäfe uhd“ SomrJaW-bule Züge, und doch scheut man sich, sie kurzerhand'als eine kleine' Hysterikerin “zu bezeichnen. Diese tiefenpsychologische Seite der Senta-Natur scheint in letzter Zeit die Sängerinnen zu interessieren und zu beschäftigen, zumindest die intelligenteren — das heißt fast alle. Wir erinnern uns noch lebhaft an die Senta-Interpre-tation von Inge Borkh. Nun sahen und hörten wir (in der bekannten Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ von Rott und Kautsky) die 23jährige Skandinavierin Anja S i I j a. Sie wurde in Stuttgart vor wenigen Jahren entdeckt und durch Bayreuth berühmt gemacht. Schlank, blond und hochgewachsen — sie ist nur einen halben Kopf kleiner als ihr Partner Hans Hotter —, ist sie schon äußerlich eine ideale Senta. Sie spielt die schwierige Rolle mit erstaunlicher Natürlichkeit, ohne zu hysterisieren und ohne zu simplifizieren. Ihr Organ — das ist freilich ein besonderes Kapitel. Zugrunde liegt eine voluminöse Naturstimme, über die sie anscheinend mit spielender Leichtigkeit verfügt, so daß eine gewisse Schärfe und Brüchigkeit kaum auf Überanstrengung zurückzuführen ist. Der große Augenblick der Oper: die erste Begegnung zwischen Senta und ihrem Idol hatte Größe und Spannung, das tragische Ende dagegen wirkte fast wie ein Unfall. — Hans H o 11 e r zu sehen und zu hören ist jedesmal eine Freude und ein Erlebnis. Ausgezeichnet waren auch Gottlob Frick als Daland, Hans Beirer (Erik), Anton Dermöta (Steuermann) und Hilde Rössel-Majdan als Sentas Amme. Unter Beri-slav Klobucars Leitung spielte das Orchester nicht sehr nuanciert, zuweilen etwas zu robust — und nicht ganz ohne kleine Ungenauigkeiten.

Der in Wien ausgebildete junge indische Dirigent Zubin M e h t a, der inzwischen zum Pultstar avanciert ist, gastierte im Großen Musikver-einsiaal mit dem Montreal Symphony Orchestra, das er seit kurzem leitet. Wien war die erste Station einer Tournee, die das kanadische Orchester tat Rahmen eines Kulturaustausch-programms- nach Moskau, Kiew und Leningrad führen wird. Das allzu effektvolle Programm — Kodalys „Tänze aus Galanta“, Rachmaninows „Paga-nini-Rhapsodie“ und die II. Symphonie von D v o f a k — scheint auf den dortiges- Geschmack zugeschnitten zu sein. Mehta musizierte diese drei romantisch-folkloristischen Stücke mit großer Intensität und beträchtlicher Lautstärke. In seiner Gestik wirkte er wie ein Antreiber und Dompteur. Aber ist das bei diesem tüchtigen und kultivierten Orchester notwendig? Man würde es gern mit einem anderen Programm und unter einem anderen Leiter hören. Erst dann könnte man sich ein genaues Bild von seiner Kapazität machen. Das 1934 gegründete Orchester, in dem auch etwa ein Dutzend Damen sitzt, hat unter Bruno Walter. Klemperer, Morrtenx Und Sto-. kowski gespielt und berühmte Solisten aus aller WeR begleitet. Davon- war. bei dem besprochenen Konzert nicht viel zu merken. Aber, wie gesagt, das schien nicht am Orchester zu liegen, zumal wir, vom Dirigenten her, die „Tänze aus Galanta“ schon feiner, nuancierter und tänzerischer gehört haben (Mehta musizierte sie ziemlich grob und „grimmig“). Und auch die „Paganini-Rhapsodie“ Rachmaninows haben wir anders in Erinnerung. So etwa, wie der ganz ausgezeichnete junge kanadische Pianist Ronald T u r i n i den virtuos-anspruchsvollen Solopart spielte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung