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Wiederbegegnung mit Bartok und Fricsay

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Das Mittelstück des von Ferenc Fricsay geleiteten Symphonikerkonzertes im Großen Konzerthaussaal war Bela Bartöks 2. Klavierkonzert, das im Frühsommer oder Herbst 1932 unter Otto Klemperer in Wien uraufgeführt wurde. Es kam zwar bei der Premiere (der auch der unterzeichnete Referent beiwohnte) zu keinem Skandal (wie ein Wiener Mittagblatt mitzuteilen wußte), sondern nur zu Differenzen zwischen dem ein wenig unbeherrscht-temperamentvollen Dirigenten und dem Komponisten, einem ruhigen, sehr schlanken, zartgliedrigen, eher kleinen Herrn mit — damals schon — weißem Haar. Aber an die Schockwirkung, die bereits der nur von Bläsern begleitete, von Bartök kraftvoll und rhythmisch gespielte erste Satz auslöste, können wir uns noch gut erinnern. — Diesmal war Gyorgy S a n d o r, der letzte Schüler Bartöks, der Solist, und er erzählte, daß er überall, wo er dieses Konzert spielt, den größten Erfolg hat und daß der letzte Satz oft wiederholt werden mußte. In der Tat bietet das wohlproportionierte, fast durchweg diatonische, an seinen besten Stellen auf die Schlagwerksonate vorausweisende Werk dem einigermaßen versierten Hörer keine Schwierigkeiten mehr. — Dem Dirigenten Ferenc Fricsay begegneten wir 1947 zum erstenmal in Wien. Er kam damals aus Budapest, erhielt als musikalischer Leiter der Salzburger Uraufführung von Einems „Dantons Tod“ seine große Chance, bewährte sich dann als Chefdirigent des Rias-Orchesters, Berlin, und reist heute durch die ganze Welt, von Konzert zu Konzert. Bei einer Pressekonferenz sagte der aus Budapest stammende Sohn eines Kapellmeisters im k. u. k. Maria-Thcresia-Infan-terieregiment, daß er und sein Freund Sandor, da sie nicht in ihre Heimatstadt Budapest zurückkönnen, Wien als ihre zweite Heimat betrachten. — Das Konzert wurde mit Haydns Sinfonie Nr. 98 eingeleitet und mitTschaikowskys 5.Sinfonie beschlossen. Das Klavierkonzert von Bartök hörten wir in wirklich „authentischer“ Wiedergabe. In den Werken von Haydn und Tschaikowsky konnte man feststellen, daß Fricsay elastischer und nuancierter dirigiert als früher. Das Publikum applaudierte begeistert, besonders nach dem Bartök-Konzert.

Joseph K e i 1 b e r t h war der Dirigent des 7. Konzerts im Zyklus „Die Große Symphonie“, das man auch all „Rot-Weiß-Rot“-Konzert am Samstag nachmittag im Radio hören konnte. Im Mittelpunkt stand auch hier ein Klavierkonzert: das von Schumann, mit Friedrich G u 1 d a als Solisten, der nicht nur technisch brillant, sondern auch mit noblem, gewissermaßen sublimiert-romantischem Gefühl, ohne Sentimentalität und falschem Pathos spielte. Die Dritte von B r a h m s geriet ein wenig spannungslos und akademisch, dagegen entfaltete Kcilberth in „Till Eulenspiegel“ ein wahrhaft mitreißendes Brio. Dem aus Salzburg stammenden jungen Dirigenten Meinhard W i n k 1 e r danken wir eine Aufführung von Frank Martins Kammeroratorium „D e r Zaubertrank“ nach ausgewählten Kapiteln aus dem Tristan-Roman des bekannten französischen Romanisten Joseph Bedier. Es war dies unseres Wissens die dritte Aufführung des Werkes in Wien, das zu den einheitlichsten, feinsten und eindrucksvollsten der zeitgenössischen Produktion zählt. Die Besetzung (zwölf Sänger, sieben Streichinstrumente und Klavier) erfordert eigentlich 20 Solisten.Winkler fUgte dem Chor noch extra acht Sänger für die Hauptpartien (Tristan, Isot, Brangäne, Isots Mutter, König Marke usw.) hinzu, da den Mitgliedern des Tonkünstlerorchesters die Schwierigkeiten der Solopartien nicht zugemutet werden konnten. Ein wenig leichter hatten es die sieben Streicher. Arnold H a r 11 am Klavier war dem Dirigenten eine zuverlässige Stütze. Ueberragend, stimmlich und im Ausdruck, war Julius Patzak als Tristan; ihm nicht ganz ebenbürtig Mary Jacob-Gimmi als Isolde; wenig befriedigend die übrigen Solisten. Auf die Schönheit der Stimmen und die unbedingte Reinheit der Intonation hat der Dirigent naturgemäß nur einen mittelbaren Einfluß. Die Gestaltung dieses schwierigen und differenzierten Werkes (Einheitlichkeit der Stimmung und des Stils, agogische und dynamische Abstufungen, rhythmische Präzision usw.) gelang Meinhard Winkler gut. Einige Kürzungen, vor allem aber die Streichung des Epilogs, scheinen uns nicht gerechtfertigt.

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