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Eröffnung mit Kammermusik

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Ein ungewohnter, erfreulicher und vielversprechender Anblick am Anfang der neuen Konzerteaison: der ausverkaufte, ja „ausabonnierte“ Mozart-Saal beim ersten Abend des Brahm6-Zyklus! Das Wiener Konzerthausquartett spielte (ergänzt durch F. Stangler, G. Wei6 und Paul Badura-Skoda) das Streichquintett von Bruckner und das Streichsextett in B-dur sowie das Klavierquartett in g-moll von Brahms. Man war gut vorbereitet und spielte sauber, tonschön und exakt — ohne daß freilich jener Funken auf die Hörer übersprang, auf den e6 ankommt. Das Programm, welches intensive Aufmerksamkeit erfordert, war genau um ein Drittel zu lang. Hätte man eich auf zwei Werke beschränkt, so wäre auch die durch keine Pause gemilderte stilwidrige Aneinanderreihung von Bruckner (mit dem der „Brahms-Zyklus“ eröffnet wurde) und Brahms vermieden worden.

Man sollte beim Anhören Beethovenscher Lieder nicht an Schubert, Schumann oder Hugo Wolf denken. Man tut es aber trotzdem, und der Vergleich fällt nicht zugunsten des größeren Komponisten aus. Wohl zeigen diese Lieder ein eigenes Gesicht: sie setzen „gleichsam ein absolutes Ich voraus, ein Ich überhaupt, das dieser Welt gegenübertritt“ (also eine grundsätzlich andere Einstellung al6 die der späteren Mei6terl) — aber man kann neben Intimem und Lyrischem schwer über gewisse rhetorische, konventionelle und opernhafte Stellen hinweghören. Neben einigen Einzelliedern sang Dietrich Fischer-Dieskau (von Hans Zippel begleitet) einen Zyklus von sechs Liedern nach Gedichten von Geliert, fünf nach Goethe und den Liederkreis „An die ferne Geliebte“. Der junge Sänger, in vorteilhaftester Erinnerung als Schubert- und Brahms-Interpret, verfügt über eine ungewöhnlich farbige und umfangreiche Ausdrucksskala, vom zarten Lyrismus und schwelgerischen bei canto bis zum hochdramatischen, rhapsodischen Stil, mit Einschluß des Buffoneaken. Kraft und Umfang der Stimme haben seit seinem letzten Auftreten in Wien bedeutend zugenommen, 60 daß der Sprung auf die Opernbühne jederzeit gewagt werden könnte. Aber wir wünschen uns, daß dieser hochtalentierte junge Künstler dem Konzertpodium und dem Liedgesang erhalten bleiben möge.

Im Kosmos-Theater, das im Auftrag einer amerikanischen Kultur6telle von Franz Ta66ie geleitet wird, gibt man jungen Künstlern eine Chance. Der erste Abend der neuen Spielzeit war lebenden österreichischen Komponisten gewidmet, die ihre Werke zum Teil selbst vortrugen. Wir hörten: eine Klaviersonate von Franz Bri6a, zwei Liederzyklen von Armin Schiske, vier Konzertetüden für zwei Klaviere von Felix Petyrek, die Sonate Nr. 5 von S. C. Edchardt-Gramatte und die Toccata für zwei Klaviere von Anton Heiller. (Die beiden letztgenannten Werke wurden an dieser Stelle bereits besprochen.) Brisas Klaviersonate, von einer Lektüre der „Brüder Karamasoff“ angeregt, bedient sich einer ziemlich konventionellen Tonsprache, etwa auf der Linie Brahni6-T6chaikowsky, mit Einsprengseln von

Scho6takowitsch. Die beiden Ecksätze zeigen das eigentliche Gesicht de6 jungen Komponisten. Sie enthalten schöne poetische Stellen und entsprechen — leider 1 — auch in den Dimensionen dem Umfang des Dostojews-kij6chen Werkes. — Karl Schiske weiß als Lieder komponist seine Texte zu wählen (Ricarda Huch, Rudolf Binding, Ina Seidel usw) denen die feine und aparte Komposition entspricht. Die besten Stücke waren die lyrisch-meditativen: die Singstimme i6t oft unnötig hoch geführt, worunter die Interpretation zu leiden hatte. Aus einem — anscheinend — größeren Zyklus hörten wir vier einfallsreiche, elegante und wirkungsvolle Konzertetüden von Felix Petyrek, deren Wirkung — ohne falsche Träne und Bemühung des Gefühls — so erfrischend war, daß die gelegentliche Einschaltung solcher Stücke in die traditionellen Konzertprogramme 6ehr empfohlen werden kann.

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