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Im Dienste Anton Bruckners

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Leopold Nowaks Name ist mit dem Anton Bruckners für immer verbunden. Die von ihm seit 1946 als wissenschaftlicher Leiter betreute Kritische Gesamtausgabe von Bruckners Werken, in deren Rahmen er selbst für nahezu alle Symphonien und Messen verantwortlich zeichnete, legt endlich das Aufführungs- und Studienmaterial vor, das dem Genie würdig ist. Es muß wohl hier nicht wiederholt werden, in welchem Ausmaß die Entstehungsgeschichte der Werke — mit den meist gut gemeinten, aber im Endeffekt oft schädlichen Ratschlägen der Freunde, mit den Änderungen des Meisters, mit der so lange ungelösten Problematik der Editionstechnik — vor allem den Symphonien Bruckners geschadet hat.

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Leopold Nowaks Name ist mit dem Anton Bruckners für immer verbunden. Die von ihm seit 1946 als wissenschaftlicher Leiter betreute Kritische Gesamtausgabe von Bruckners Werken, in deren Rahmen er selbst für nahezu alle Symphonien und Messen verantwortlich zeichnete, legt endlich das Aufführungs- und Studienmaterial vor, das dem Genie würdig ist. Es muß wohl hier nicht wiederholt werden, in welchem Ausmaß die Entstehungsgeschichte der Werke — mit den meist gut gemeinten, aber im Endeffekt oft schädlichen Ratschlägen der Freunde, mit den Änderungen des Meisters, mit der so lange ungelösten Problematik der Editionstechnik — vor allem den Symphonien Bruckners geschadet hat.

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Das Problem der verschiedenen Fassungen wurde dabei so gelöst daß diese jeweils in gesonderten Bänden erscheinen. Damit dürfte die Frage der Versionen ein für allemal gelöst sein: jeder Dirigent kann nun im Vertrauen auf die philologische Triftigkeit jene Fassung wählen, die ihm musikalisch entspricht, wozu zu sagen ist daß in unserer Retrospektive jede Fassung „richtig“ sein muß, weil ein wahres Genie in jeder Phase seines Lebens eine eigene Genialität entwickelt Es sei im Anhang an die dankbare Feststellung des gegenwärtigen, weit gediehenen Standes der Bruckner-Edition nicht vergessen, daß es Nowak auch verstanden hatte, die öffentlichen Stellen an dieser für Nicht-Musiker nur schwer verständlichen Arbeit zu interessieren und die nötigen Subventionen dafür zu gewinnen, auch in der Werse, daß die Studienpartituren zu unglaublich niedrigen Preisen in den Handel kommen. Dem Meister ist auf diese Weise am besten gedient.

Zur Biographie Bruckners und zur Exegese des Werkes hat Leopold Nowak zahlreiche literarische Beitrage geleistet „Te Deum laudamus“ war der Titel seines ersten, sich mit Gedanken zur Musik Bruckners befassenden Buches, das 1947 erschien, es folgten 1964 eine Biographie und 1973 die monumentale Bildbiographie, ganz abgesehen von den vielen Artikeln, die sich mit Teilproblemen befassen.

Aus allen seinen Schriften geht eine Einstellung zur Musik und zur Musikwissenschaft hervor, die nur aus direktem Kontakt und aus der Erfahrung der Praxis zu erwerben ist. Die musikalische Grundausbildung genoß Leopold Nowak als Sängerknabe bei Dominik Josef Peterlini, Louis Dite (Klavier, Orgel) und an der Wiener Musikakademie (Kontrapunkt bei Franz Schmidt). Musikwissenschaft studierte er von 1923 bis 1927 an der Wiener Universität bei Guido Adler und Robert Lach. Er promovierte mit einer Dissertation über das deutsche Gesellschaftslied bei Heinrich Finck, Paul Hofhaymer und Heinrich Isaak. 1932 habilitierte er sich an der Wiener Universität mit einer Arbeit über die Grundzüge einer Geschichte des Bas so ostinato. Am Musikwissenschaftlichen Institut dieser Universität unterrichtete er bis 1973.

Im Jahre 1946 wurde Leopold Nowak zum Direktor der durch Bombentreffer zerstörten Musik-sammlung der österreichischen Nationalbibliothek bestellt, die unter seiner Leitung wiederaufgebaut und 1954 der Öffentlichkeit neu zugänglich gemacht werden konnte. Während seiner Direktionstätigkeit die bis 1969 dauerte, hat Nowak eine Reihe von Ausstellungen des Instituts wissenschaftlich betreut und mit Katalogen versehen, so 1946 eine Bruckner-Ausstellung, 1950 eine Bach-Ausstellung, 1954 eine Kirchenmusikausstellung, 1956 die Mozart- und 1959 die Joseph-Haydn-Ausstellung. 1964 organisierte er in Linz eine weitere Bruckner-Ausstellung. Um die Pflege und Erhaltung der Bruckner-Gedenkstätten in Oberösterreich hat sich Nowak ebenfalls hoch verdient gemacht

Seine erweiterte Dissertation bildet unter dem Titel „Das deutsche Gesellschaftslied in Österreich von 1480 bis 1550“ den Band 72 der ,J)enkmäler der Tonkunst in Österreich“. Weitere Bereiche seines Interesses und seiner Tätigkeit umfassen Leben und Werk von Joseph Haydn, Franz Liszt und Emil Nikolaus von Reznicek. Nowak ist seit 1930 wirkendes Mitglied der „Gesellschaft zur Herausgabe der Denkmäler der Tonkunst in Österreich“, seit 1946 Mitglied der Kommission für Musikforschung an der österreichischen Akademie der Wissenschaften und ab 1945 Leiter der Sektion Musikwissenschaft der Wiener Katholischen Akademie.

Zu Nowaks großen Leistungen gehört ferner die Herausgabe des Doppelbandes der Neuen Mozart-Ausgabe, welcher des Requiem enthält, wobei er es mit Erfolg unternahm, den Anteil fremder Hände bei der Vollendung genauer als bisher festzustellen. Als Herausgeber hat er u. a. das D-Dur-Konzert für Violoncello und Orchester von Joseph Haydn (nach dem Autograph) sowie die Faksimile-Ausgaben von Mozarts ,Ave verum“ und von der Schlußszene des „Rosenkavaliers“ von Richard Strauss vorgelegt. Das Verzeichnis seiner zahlreichen Schriften bis 1964 findet sich in dem Band der Bruckner-Studien, der zu seinem 60. Geburtstag erschien, die Fortsetzung in „Musik in Geschichte und Gegenwart“.

1954 wurde Nowak zum Hof rat ernannte, 1966 erhielt er das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1970 die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold, dazu noch die Medaille der Wiener Mozartgemeinde und die Nicolai-Medaille der Wiener Philharmoniker. Seit 1970 im sogenannten Ruhestand, widmet sich Nowak nach wie vor mit aller Intensität seinem Lebenswerk nunmehr vor allem den Kritischen Berichten der Bruckner-Gesamtausgabe.

Daß er es mit derselben Genauigkeit und Gründlichkeit, mit demselben Gehorsam gegenüber dem geistigen Auftrag und derselben Musikalität zu Ende führen möge, welche alle seine bis-' herigen Arbeiten auszeichnet, ist der Wunsch aller seiner Schüler und Freunde, die — wann immer sie mit einschlägigen Problemen zu ihm kamen — nicht nur stets ein offenes Ohr, sondern auch Rat und Hilfe fanden. Das haben viele oft erfahren und danken ihm dafür.

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