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An der Wiege der österreichischen Volksbildung

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Im Pendelgang entwickelt sich das Leben, das persönliche Leben des Einzelnen wie die geistige Entwicklung der Völker. An Extremen entfacht sich die Leidenschaft des Volkes, Liebe und Haß innerhalb des geistigen Gefäßes der jeweiligen Zeitanschauungen. Solange diese als neue Erkenntnisse und Lebensziele das Volk beherrschen, versinkt aber nur zu häufig die Leistung vergangener Epochen, die an der Gegenwart mitgebaut, in Geringschätzung und Vergessenheit.

Eine solche, fast versunkene oder als „Schwärmerei und Träumerei“ mißdeutet Epoche war während der nationalistischen Zeit des Liberalismus bis nahe in unser Tage herauf das Zeitalter der Romantik. Den Romantikern dämmerte als ersten nach dem „Mündigwerden des Menschengeistes“ in der intellektuellen Aufklärungszeit die erschreckende Einsicht in das Verhängnis der radikalen Trennung von Gott, Welt und Mensch und das Bewußtsein, daß nur in .deren harmonischer Vereinigung das schöpferische Leben gedeihen könne.

Einer der damaligen großen geistigen Wegweiser in Österreich, der vorzüglich auf dem Boden seiner oberösterreichischen Heimat wirkte, war der landständische Syndikus Anton Ritter von Spaun.

Da die öffentliche Wirksamkeit in seiner Zeit unter dem Metternichschen System zensurbehindert oder verboten war, zog sich das kulturelle und geistige Streben der schöpferischen Persönlichkeiten in Freundschaftskreise zurück und bildete kleine Kulturinseln in den städtischen Salons des Adels und Bürgertums. In Wien war das Haus Josef von Spauns, in Linz das Anton von Spauns der gesellige Mittelpunkt eines Kreises edler Freunde, zu denen Franz Schubert, die Maler Moritz von Schwind und Leopold Kuppelwieser, die Dichter Eduard Bauernfeld, Ernst Freiherr von Feuchtersieben und Johann Mayrhofer aus Steyr sowie der Schubert-Sänger Michael Vogl, ebenfalls ein geborener Steyrer, zählten. Auch Theodor Körner, deir — von der Universität Berlin relegiert — damals seine Studien in Wien fortsetzte, gehörte zum Freundeskreis der Brüder Spaun und feierte auch vor seinem Abgang zum Lützowschen Freikorps seinen Abschiedsabend in dieser Runde. Dort fanden auch die berühmten „Schubertiaden“ statt, di Schwind der Nachwelt im Bild übermittelt hat.

Als die Pioniere der oberösterreichischen Geschichtsforschung, die Chorherren von St. Florian Franz Kurz, Franz Xaver Pritz und Josef Chmel, nach der Erschließung der staatlichen Archive die Grundlagen für die äußere Staatsgeschichte schufen, fordert Anton von Spaun di notwendige Erforschung auch der „Geschichte des inneren Gemütslebens unseres Volkes“ und wies darauf hin, „daß der Ausdruck der Empfindungen unseres Volkes über anderen Bestrebungen Jahrhunderte hindurch vernachlässigt oder ganz außer acht gelassen worden sei, weshalb man trachten müsse, diese wesentlichen Lücken auszufüllen, welche die einseitige Staatengeschicht in der Geschichte des inneren Gemütslebens übrig gelassen hat“. Seine Forderung nach dieser heimatlichen Kulturgeschichte begründet er unter anderem mit den Worten: „Nur in Zeiten des Verfalls spottet der Knabe der Verirrungen seiner Väter und findet in den Überlieferungen nur Fesseln seine Geistes. Es ist aber ein armes Dasein, wo der Mensch nur von sich weiß und von dem, was mit ihm in unmittelbarer sinnlicher Berührung steht. Sinn für Geistesgeschichte ist daher überall da, wo der Geist schöpferisch tätig ist, wo wir tieferes Gemütsleben, wo wir sittliche Kraft finden!“

Die Ehrfurcht vor dem Reichtum der Vergangenheit wird her bei Spaun und den österreichischen Romantikern nicht zur heimwehkranken Träumerei nach der Wunderwelt der „blauen Blume“, sondern zur wirklichkeitsnahen Forderung an die Gegenwart nach lebendiger Weiterentwicklung in eine bessere, durch geschiditlidre Erfahrung geläuterte Zukunft.

Spaun zeichnete in zahlreichen Sdiriften volkskundlicher Forschung di Wege vor, die sowohl durch Sammlung des lebendigen Sdiatzes der Volkskunst, der Sagen, Lieder, Volksweisen und Trachten, der volkstümlichen Kunstwerke, der Volkssprache, des Volkstanzes und des volkstümlichen Brauchtums das noch lebendig volkskulturelle Gut sicherstellen sollen, zugleich aber durch Archivforschungen die Entwicklung der einzelnen Kulturgebiete in der Vergangenheit klarzustellen haben. Er selbst hielt durch Zeichnungen — der bescheidenen und mühevollen Abbildungsmöglichkeit jener Zeit —, alte Trachten, Kostüme, Gebrauchs- und Schmuckgeräte aus dem zeitgenössischen oberösterreichischen Volksleben und, aus Archivquellen, ähnliches Kulturgut aus der Vergangenheit im Bilde fest und veranlaßte seine oberösterreichischen Malerfreunde Max von Chezy, Carl von Binzer, Georg Weishäupl, Johann Fisch- bach und Josef Kenner zu gleicher zeichnerischer Sammelarbeit. Ebenso faßte er durch ein Vierteljahrhundert mit unermüdlichem Sammelfleiß das erreichbar heimisch Liedgut zusammen, das er zum Teil in dem Band „Die österreichischen Volksweisen in einer Auswahl von Liedern, Tänzen und Alpenmelodien“ (1845) veröffentlichte, der die älteste österreichische Volksliedersammlung mit Begleitung darstellt.

Auch hier verfolgte er die Volksmusik in ihrer Entwicklung in die Vergangenheit zurück, aus der er Minnelieder österreichischer Minnesänger und Meistergesänge der heimatlichen Meistersingschulen von Wels, Steyr und Freistadt zutage förderte.

Aus seinen Forschungen über das Nibelungenlied und die österreichischen Heldensagen veröffentlichte er unter anderem das Werk „Heinrich von Ofterdingen und das Nibelungenlied“, dessen Sicht durch Spaun in Stifters „Witiko“, zu dem ihn Spaun anregte, und in Josef Viktor von Scheffels Dichtungen übergegangen ist und in Moritz von Schwinds Wartburgfresken weiterlebt, Wohl hat ihm di rationalistische Kritik insbesondere der Berliner Schule, die Anerkennung versagt, wobei sie aber in die Einseitigkeit verfiel, die von ihr bekämpften angeblichen Fehlergebnisse aus Spauns Arbeiten herauszuheben und zu entkräften, di reiche Füll seiner anderen Forschungen über oberösterreichische Genealogie und Siedlungsgeschichte, Sprach- und Sagen- kunde überhaupt unbeachtet zu lassen. Di über Anregung Schlegels von Spaun erstmalig begründete Feststellung, daß das N ir belungenlied von einem österreichischen Dichter verfaßt und in Österreich entstanden sei, ist jedoch längst Gemeingut der wissenschaftlichen Forschung geworden.

Durch die Vertiefung in das Gemütsleben eines Volkes zum Begründer der oberösterreichischen Volks- und Heimatkunde geworden, führte ihn derselbe innere Weg in das Gebiet der bildenden Kunst. Sowohl die Erhaltung der alten Kunstwerke wie die Förderung und Führung der zeitgenössischen Kunst geht auf Anton von Spauns grundlegende und planmäßige Kunstpflege in Oberösterreich zurück; er regte in Wort und Schrift zu künstlerischem Schaffen an, förderte junge Talente der Heimat und zog bedeutende auswärtige Künstler zu künstlerischer Betätigung ins Land, denen er durch sein umfassenden Beziehungen mannigfaltig Aufträge sicherte. Wie bei der volkskundlichen Forschung ließ er auch auf dem Gebiete der Erforschung der heimatlichen Kunstdenkmäler zeichnerische Abbildungen anfertigen und auch von seiner Hand finden sich im Nachlaß viele Wiedergaben gotischer Schnitzwerk und Baudenkmäler, darunter auch die des Kefermarkter Altars (gezeichnet von Josef Löw 1833) und des Pacher-Altars in St. Wolfgang, über den er auch die erste kunsthistorische Abhandlung schrieb. Er legte so schon damals den Grund zu einer Kunsttopographie des Landes ob der Enns. Unter Spauns Leitung wurden auch zahlreiche alte Kunstwerke restauriert und so für die Nachwelt erhalten, wodurch er zum Vorläufer der kurz nach seinem Tode gegründeten staatlichen Zentralkommission zur Erhaltung alter Kun6tdenkmäler wurd . Der erste amtliche Kunstkonservator von Oberösterreich war bekanntlich SpaunsFreund, der Maler-Dichter Adalbert Stifter, der auch als Vizepräsident des 1851 gegründeten „Oberösterreichischen Kunstvereins“ die von Spaun begonnene Betreuung des lebendigen Kunstschaffens seiner Zeit weiterführte.

Anton von Spauns reiches . Lebenswerk für das Kulturleben seines Landes wurde gekrönt durch das von ihm (1883) gegründete oberösterreichische Landesmuseüm, das sein schönstes bleibendes Denkmal ist.

Er starb, erschüttert von den zermürbenden politischen Kämpfen des Jahres 1848, in deren Brennpunkt er als Syndikus der oberösterreichischen Stände stand, am 26. Juni 1849 in Kremsmünster, wie Adalbert Stifter schrieb, „an gebrochenem Her- zen .

In einem philosophischen Fragment seines leider nur zum Teil erhaltenen Nachlasses finden sich folgende, für sein eigenes edles Wirken kennzeichnende Zeilen: „Es ist nicht nötig, nur immer den Verstand zu überzeugen, da uns außer ihm noch ein Organ gegeben ist, das uns unbewußt im Innersten völlige Klarheit und Ruhe gewähren kann: die Vernunft. Sie ist der Begriff aller inneren Kräfte, die höher stehen als der Verstand und die in wirklicher Beziehung stehen zu dem Überirdischen.“

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