6555683-1948_20_08.jpg
Digital In Arbeit

Adalbert Stifters Freundeskreis in Linz

Werbung
Werbung
Werbung

DM Jahr des 80. Todestages Adalbert Stifters hat schon bisher trotz der ungünstigen Zeitverhältnisse viele Beweise innigen Gedenkens gebracht. Nun feiert Linz, die Stadt seines letzten zwanzigjährigen Wirkens, in diesen Wochen durch eine Ausstellung da Andenken ihres größten Bürgers. Eine Betrachtung des Freundeskreises des Dichters in Linz wird daher willkommen sein.

Das Revolutionsjahr 1848 hat einen Wendepunkt für Adalbert Stifter bedeutet, der sieh äußerlich in seiner Wohnsitzver- legung von Wien nach Linz ausdrückt. Enttäuscht von der politischen Entwicklung, voll Sehnsucht nach Ruhe und Sammlung, hat er Wien, das er so innig liebte, verlassen.

Der Statthalter von Oberösterreich, Dr. Alois Fischer, ein ideal denkender Mensch, hatte Gefallen an dem Dichter gefunden und die angebotenen Dienste angenommen. Wahrscheinlich hatte sich de- landständige Syndikus, der bedeutende Ge schichts- und Literaturforscher Anton Ritter von Spaun in Linz, mit dem der Dichter schon 1847 in Verbindung getreten war und dessen Freund er wurde, für ihn eingesetzt. Statthalter Fischer hatte Stifter ein kleines Gehalt bewilligt und im März 1849 beim Unterrichtsministerium seine Bestellung zum Schulrat mit den Worten begründet, daß dieser ein Mann sei, der mit der allgemeinen humanistischen Bildung, der theoretischen und praktischen Betätigung im Unterrichtswesea den von Menschenliebe beseelten Eifer für das Fach verbinde.

Stifters Freude über seine Ernennung, sie erfolgte erst im Juni 1850, war unbeschreiblich, denn er hatte endlich den festen Bezug von 1500 Gulden jährlich und sah sich erstmalig von den drückendsten Sorgen um seinen Hausstand befreit. Mit Begeisterung wirft er sich auf die Verwirklichung seiner Ideen auf dem Gebiete des Schulwesens. Im Februar 1855 folgt dann seine Ernennung zum wirklichen Schulrat mit dem Gehalt von 1800 Gulden.

Er hat sich inzwischen in Linz eingelebt; abgesehen von Statthalter Fischer, hatte ihn dabei der hochgebildete Statthaltereibeamte Johann v. Fritsch, seit 1854 Statthaltereirat and Referent in Schulsachen, mit vollstem Verständnis unterstützt. Zwischen Stifter und v. Fritsch sowie dessen schriftstellerisch tätigen Frau Fanny entwickelte sich ein freundschaftlicher privater Verkehr. Auch der Nachfolger des Statthalters Fischer (seit 1851), Eduard von Bach, ein Bruder des bekannten Ministers, kam ihm in jeder Weise entgegen.

Ein reges Freundschaftsverhältnis hatte Stifter mit dem Schriftsteller August Daniel von Binzer und dessen Frau, der Schriftstellerin Emilie von Binzer. Die Familie Binzer wohnte seit 1849 auf der Promenade 27. Später stand er mit seinem Jugendfreund Sigmund Freiherrn von Handel, der erst 1861 von Innsbruck zur Statthalterei in Linz versetzt wurde, in freundschaftlichster Verbundenheit. Mit Frau von Handel, einer geborenen Gräfin Deroy, die von Bernadotte abstammte, besprach Stifter oft die Arbeiten, die ihn beschäftigten.

Das in Linz erwachende und von Stifter geförderte Kunstleben bot viele Anregungen zu geselligem Verkehr. So trat Stifter mit dem Bildschnitzer Johann Rint und dessen Familie in Beziehungen, er und Amalia waren die Taufpaten der Rintschen Kinder, er förderte Rint, soweit er nur konnte, und setzte es auch durch, daß dieser mit der Restaurierung des Kefermarkter Altares betraut wurde. Zu Stifters Freunden zählten auch der Zeichenlehrer am Linzer Gymnasium, Josef Maria Kaiser, der Landschaftsmaler Kar! Blum- auer, besonders aber der Porträtmaler Karl Löffler, den er persönlich und als Künstler hoch einschätzte. Löffler hat den schönen Kopf seines Töchterchens gemalt, den er nach der Heldin der Feldblumen Angela benannte. Das Gemälde ist im Besitz der Familie Kaindl in Linz. Löffler porträtierte übrigens auch Stifter selbst. Außer von Löffler und Kaiser, wurde Stifter in Linz von Karl von Binzer, dem Sohn des Schriftstellers Binzer, gezeichnet, Ende der fünfziger Jahre vom Mittelschulprofessor und Maler Grandauer gemalt, im Jahre 1861 vom Sohne Josef Axmanns, Ferdinand, schließlich 1863 vom ungarischen Maler Szekely. Das Gemälde Szfkelys befindet sich im Linzer Landesmuseum. Fragen der Porträtkunst brachten Stifter mit dem Grafen Anton Revertera in Linz öfter zusammen, später verdichtete sich der Verkehr zu guter Freundschaft. Selbstverständlich stand Stifter mit vielen Schulmännern auf freundschaftlichem Fuß, sein bester in Freud und Leid erprobter Freund war der Mittelschulprofessor Johannes Aprent, mit dem er ein „Lesebuch zur Förderung humaner Bildung” für Mittelschulen verfaßte, das aber nicht die Genehmigung des Unterrichtsministeriums erhielt.

Zum Freundeskreis in Linz gehörte auch der mk ihm verschwägerte aus Friedberg im Böhmerwald stammende Adalbert Markus, der später die Errichtung des Linzer Stifter-Denkmals anregte, und der Lehrer Josef Scheiben in Urfahr, dessen früh verstorbenen Sohn Gustav unser Dichter als Studenten in Wien wie einen Adoptivsohn betreut hatte. Welches liebevolle Interesse Stifter begabten Schülern entgegenbrachte, zeigt die Förderung des durch seine Hilfe mit einem Staatsstipendium bedachten Alois Greil, der seiner Vaterstadt Linz später als Maler, Illustrator und Präsident des Albrecht-Dürer-Buades viel Ehre machte. Viel und gern verkehrte Stifter in der Linzer Patrizierfamilie Kaindil. In der Lederhandlung der Brüder Alois und Albert Kaindl auf dem Graben war Stifters Bruder Anton angestellt. Die Herzlichkeit der Freundschaft ergibt sich aus Briefen nnd aus dem warmen Nachruf, den Stifter dem Vater der Brüder, Alois Kaindl, im November 1848 widmete.

In Gemeinschaft mit Stifter schritt der Abt des Stiftes Schlägl, Dominik Lebschy, im Jahre 1854 an die Gründung der oberösterreichischen Landesgalerie. Audi dieser Freund der Kunst und Wissenschaft verdient es, dem Andenken der Oberösterreicher nicht zu entschwinden. Er war 1838 unter Leitung des Bischofs Gregorius Thomas zum Al. gewählt worden und wurde auf Grund seiner vielseitigen segensreichen Tätigkeit 1861 zum Landeshauptmann von Oberöster- rrfch ernannt. Seit 1855 war Lebschy Präsident des Kunstvereins und kam auch in dieser Eigenschaft oft mit Stifter zusammen. Beide waren durch ihre gemeinsamen künstlerischen Interessen um so mehr verbunden, als Stifter 1853 zum Konservator der Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale ernannt worden war.

Von den übrigen kirchlichen Würdenträgern war ihm der Linzer Kanonikus Josef Schropp ein guter Freund.

Erst der Aufenthalt des Dichters in Linz hat sein Neigung zu Altertümern voll entwickelt. So war es gegeben, daß er die reichen Kunstsdiätze Oberösterreichs auf seinen Inspektionsreisen eingehend kennenlernte. Dadurch kam er mit Liebhabern von Antiquitäten in Verkehr, der sich mit Dr, Donberger in Wels zur Freundschaft steigerte. Es gelang Stifter auch, seine Frau für seine Sammlertätigkeit zu interessieren und schöne alte Stücke lieben zu lehren.

Großes Interesse nahm unser Dichter an den Schauspielern des Linzer Landestheaters, wo er eine Loge gemietet hatte. Besonders nahe standen ihm in der Zeit ihrer Tätigkeit in Linz der ausgezeichnete Schauspieler Guido Lehmann (1858—1861) und der hervorragende Theaterdirektor Eduard Kreibig (1857—1863).

Von den Ärzten der Stadt erfreute sich Dr. Essenwein semes besten Vertrauens und seiner Freundschaft, wie mehrere Briefe zeigen. Audi der Magister der Pharmazie Heinrich Reitzenbeck zählte zu den neuen Freunden, die Stifter in Linz gewann.

In Kirchschlag über dem Haselgraben, wo Stifter in den letzten Lebensjahren wiederholt durch längere Zeit weilte, fand er in den Familien des Baumeisters Johann Metz und des Buchhändlers Quirin Haslinger freundlichste Aufnahme und in dem pensionierten Professor einer militärischen Bildungsanstalt, Hauptmann Freiherm von Marenholtz, einen geistvollen Gesellschafter. Den schönen Jagdhund des Hauptmanns Marenholtz hat Stifter in Kirchschlag 1867 gemalt.

In Linz bewohnte Stifter im Hämischen Haus an der Donau zunächst den 1. Stock, dann bezog er die aus fünf Zimmern bestehende Wohnung im 2. Stock. Hier empfing Stifter seine Linzer Freunde. Aber auch auswärtiger Besuch stellte sich häufig ein, so Franz Stelzhamer, der große Zeitgenosse Stifters, der schon in Wien bei ihm verkehrt hatte und als „lustiger Kunde und voller Schnacken” auch bei Ffau Stifter wohl gelitten war. Später trat allerdings eine Entfremdung zwischen beiden Dichtem ein.

Bekannter geworden ist es, daß Peter Rosegger, der in Stifter seinen geliebten Meister sah, ihn im Sommer 1867, aus Graz nach Linz pilgernd, in seiner Wohnung besuchte. Rosegger hat diese Stunden in rührender, liebevoller Weise geschildert: „Nie zuvor auf meinen einsamen Wegen habe ich die Natur in solcher Schöne geschaut als hier in der Stube des alten Mannes, dessen Worte mich wie ein Zauberglöcklein in den Traum wiegten.”

Auffallend ist es, daß von einem persönlichen Verkehr zwischen Stifter und Anton Bruckner nichts bekannt ist. Daß sich die beiden gekannt haben, ist anzunehmen, denn Bruckner kam 1854 als Domorganist in die oberösterreichische Hauptstadt, die er schon von der Zeit der Präparandie her kannte, hatte 1860 die Chormeisterstelle der Linzer Liedertafel „Frohsinn” übernommen und diesen Verein auf eine bedeutende Höhe gebracht. Ob den beiden Künstlern die interessante Beziehung bekannt war, daß Simon Sechter, der Meister des Kontrapunktes und langjährige Lehrer Bruckners in Wien, aus Friedberg im Böhmei waid, dem Wohnsitz der „ewigen Braut” Stifters, Fani Greipl, stammte?

Überblickt man die Lebensverhältnisse Stifters in Linz, so kommt man zu dem Schlüsse, daß ihm auch sein reger persönlicher Verkehr in dieser Stadt den ausgedehnten geselligen Umgang in Wien nicht ersetzen konnte. Wenn sein Linzer Freundeskreis nicht die Bedeutung des Wiener Kreises erreichte, so liegt dies wohl auch daran, daß die Wiener Freunde die Entwicklung Stifters zum bedeutenden Dichter erlebt und gefördert hatten, während er als gereifter Mensch und überragender Künstler nach Linz gekommen war.

Der an di Jugendfreunde und die fröhliche Geselligkeit in schöngeistigen Kreisen Wiens gewöhnte und von diesen verwöhnte Dichter empfindet daher, als sich die Schatten der Revolutionszeit verflüchtigt hatten, in der Ruhe der Kleinstadt und im engeren, erst erworbenen Freundeskreis eine seelische Vereinsamung, die er schwer überwindet. Dazu kommt, daß ihm die Tätigkeit im Amte, die ja nicht nur aus größeren Reformarbeiten bestehen konnte, oft kleinlich und lästig wurde. Es fallen verbitterte Worte übjr die Stadt und ihre Bewohner und Worte der Sehnsucht nach Wien. Diese Erscheinung ist aber keinesfalls als ständig und allzu tragisch aufzufassen, sie ist auch im Wesen des Dichters begründet. Denn seine Wünsche waren stets zu hochgespannt, so daß Enttäuschungen nicht ausbleiben konnten. So kommt es zu dem Widersprach, daß er schon im September 1841 Wien „satt hatte” und sagte, wie „alle seine Wünsche in sein geliebtes Oberösterreich” standen, daß er aber zehn Jahre darauf in Linz „hungert und wie ein Kind nach Bildern, Theatern usw. hascht, wenn er nach Wien kommt”, und daß er seufzt: „O goldene Zeit meiner früheren Unabhängigkeit!”

Ähnliche Aussprüche werden öfter laut, sie standen aber gewiß oft mit beruflichem oder häuslichem Ärger und Krankheiten im Zusammenhang. Uber allen Auslegungen steht jedenfalls die Tatsache, daß Stifters ethische und ästhetische Forderungen das Leitmotiv seines Lebens bildeten und daß. er al Schönheitssucher und -finder in Oberösterreich Glücksgefühle hatte, die ihn über alle Leiden und Verstimmungen erhoben. Dazu hat auch sein neuer Freundeskreis beigetragen.

Und die Werke beweisen, daß die zwanzig Jahre des Wohnsitzes in Linz seiner schöpferischen Arbeit zuträglich gewesen sind. Es ist fraglich, ob er in der Wiener Atmosphäre auf die gleiche abgeklärte Höhe gelangt wäre, ob er schließlich sein Buch der Weisheit, den höchsten Ausdruck seines Wunschtraumes edler Sittlichkeit und Schönheit, den „Nachsommer”, mit dem gleichen stillen Abendfrieden hätte erfüllen können.

Darum finden diese Aufenthaltsjahre bei den zahllosen Verehrern Stifters ein dankbares Gedenken, wir sehen sie von jenem wunderbaren reinen Schimmer verklärt, der die von ihm geschaffenen Werke zum beglückenden Erlebnis macht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung