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Adalbert Stifter

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In unseren Tagen, da Gendarmeriestreifen im nördlichen Waldviertel mitunter vor einem Fernblick auf den Plöckensteiner See warnen; in unseren Tagen, da auf dem Marktplatze von Aigen die rührend-einfache Nachbildung der Spitzsäule von der Seewand aufgestellt wurde; in diesen Tagen, da der „luftblaue Würfel“ von St. Thoma und der Priel, die „lichte Flocke am Himmelsblau“, ferner sind denn Böhmerwald und Totes Gebirge: in eben diesen Tagen, wie zum Tröste, erscheint durch Entschlußkraft des Verlegers, der in der Einleitung den dramatischen Werdegang des Neudruckes schildert, die zweite Auflage des Buches, das 1904 in 600 Stücken bei Calve in Prag erschienen und bisnun zu den Seltenheiten des Antiquariats zählte.

Der Wiener Professor für Zeichenlehre, A.R.Hein (1852 bis 1937), zog vor achtzig Jahren mit einem Notizbuche aus, seinem Ideal zu dienen; ein künstlerisch geschultes Auge war am Werke. Die Platten der Zeichnungen, die unwiederholbar den Geist der Romantik allerorten blühen ließen [(erste Auflage: 7 Heliogravüren, 3 Kupferradierungen, 2 Photolithographien und 114 Textbilder nach Zeichnungen), sind in der Bombennacht vom 23. auf den 24. November 1943 in Berlin zugrunde gegangen. Nicht verloren aber ging der Hochglaube der Stifter-Freunde unserer Zeit. Das zweibändige, mit Bildern wohl sparsamere, dafür aber sicher erschwinglichere Werk (Ausstattung Professor Bahner, Druck der Oesterreichischen Staatsdruckerei) ist auch inhaltlich auf den augenblicklichen Stand der Stifter-Forschung gebracht: 130 Seiten Anhang, eine überaus fleißige Arbeit Jungmairs, können noch u. a, die dritte Auflage der „Mappe“, Schlußfassung (Herold, Wien), einbeziehen, nachdem die zweite, 1943 bei Krauß, Reichenberg, ihrerseits eine ■ Seltenheit geworden sein mag. Gerade Jungmairs Arbeit zeigt die wachsende, noch immer unerschöpfliche Bedeutung Stifters auf — wohl, weil sich jede Zeit ihr Stifter-Bild neu formt, wie dies in gleichem Maße bei Goethe der Fall ist. Hinsichtlich des Wortlautes sind überholte Stellen fortgeblieben, Zeitberichte und Namensnennungen zum Teil auf den Anmerkungsteil verwiesen. Auch Hein konnte der liberalistischen Geisteshaltung seiner Epoche nicht entrinnen. Das gilt für die Bewertung der Spätwerke Stifters, für die Darstellung des Einflusses Stifters auf Storni. Daß in der neuen Auflage nichts mehr von Böttiger, Roquette oder Kinkel zu lesen ist, wenn von Waldpoesie die Rede ist, bedauert kaum jemand, denn diese Namen sind nur dem Historiker geläufig. Was die Literaturnachweise angeht, ist eine Vollständigkeit weder erstrebt noch überhaupt möglich — wenn wir bedenken, daß es z. B. weit über 1000 Dissertationen über Stifter gibt. Vielleicht wäre auf Seite 879 des Buches der Zeitschrift „Der Bund“, Teplitz, Heft 22, Seite 644 #., zu gedenken, woselbst Gregor Heinrich die Untersuchung Von Franz Matzke „Die Landschaft in der Dichtung Adalbert Stifters“ (Verlag der Literarischen Adalbert-Stifter-Geselk schaff, Eger) anführt.

Manche Eröffnung, Erhellung steht noch bevor. Das Stifter-Archiv in Prag, das Böhmerwaldmuseum, das Heimatmuseum Friedberg sollen nach Jung-mair im Austauschwege (wofür?) Oesterreich zuteil werden. Möge sein Optimismus recht behalten! Denn die schweren Schicksalswege unseres Volkes bedürfen der Lichter. Stifter erwartete sie, in ähnlichen Umständen, von der Jugend. Ihr gilt Heins Vermächtnis. Der „alte Hein“ selbst blieb jung, ein ragender grüner Forst wie der Böhmerwald.

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