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Adalbert Stifter und Lauriacum

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Die jüngste Ausstellung des Oberösterreichischen Landesmuseums über die Ausgrabungen von Lauriacum bei Enns, die einen großartigen Ueberblick über das Lebensbild der Antike in der oberösterreichischen Landschaft bietet, weckt die Erinnerung an die mehr als hundert Jahre zurückliegenden Anfänge der Ausgrabungen, die auf Anregung und Betreiben Adalbert Stifters erfolgten.

In der Folge vom 28. Jänner 1949 der „Furche“ veröffentlichte Oskar K a t a n n einen bis dahin unbekannten Brief Stifters an den Redakteur Karl Weiß der „Mitteilungen der Centraikommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale“ vom 7. Februar 1856, in dem der Dichter, der am 15. Dezember 18 5 3 zum amtlichen Konservator der Denkmalpflege für Oberösterreich ernannt worden war, unter anderem schrieb:

„Leider bin ich im Berichten viel saumseliger als im Thun. Ich habe eben sehr viel zu schreiben, das ist die Ursache. So komme ich auch noch um meine Verdienste, weil ich nie etwas sage. So z. B. bin ich der Urheber der Ausgrabung des Hypokaustums in Enns, besah sie, fuhr sogleich nach Linz zum H. Statthalter, stellte ihm sehr dringlich vor, daß hier die Behörden einschreiten müssen, u. machte sogar eine schriftliche Eingabe, die sich noch im ob-derennsischen Präsidialarchive befindet. In Folge dessen nahm sich der Statthalter mit seiner gewohnten Energie der Sache an, leitete systematische Ausgrabungen ein, bestellte auf meinen Vorschlag zum Aufseher der Ausgrabungen den Musealcustos Ehrlich, u. erwirkte vom Ministerium Unterstützung.“

Die in obigem Brief erwähnte Eingabe Stifters war unter den Akten des oberösterreichischen Landesarchives unter einem unrichtigen Jahre eingereiht und daher bisher unauffindbar. Nach einer neuerlichen eingehenden Suche wurde sie nun von mir gefunden. Sie lautet

„Euer Hochwohlgeboren!

Als ich am 22. d. M. (September 1851) einer Schulprüfung in Enns beiwohnte, machte ich nahe dieser Stadt eine Bemerkung, die ich, obwohl nicht in mein Arbeitsgebieth gehörig, Euer Hochwohlgeboren doch nicht vorenthalten zu müssen glaube. Die durch die Landeszeitung kund gemachte Auffindung eines römischen Bauwerkes bestättiget sich in einem Umfange, der zwar noch nickt sicher ermittelt werden, aber ganz gewiß nicht unbedeutend an Größe so wie altertümlicher u. geschichtlicher Wichtigkeit sein kann. Es ist jetzt davon ein sogenanntes Hypokaustum, eine Unterheiz zu Bädern, entdeckt, u. zwar von einer selten vorkommenden Größe (53 ausgegrabene und an eine Gartenmauer gelegte Granitsäulen zählte ich selber, die in ihrer ursprünglichen Aufstellung ein Badestrich tragen), wie viel von Bauwerken etwa Mosaikböden (in römischen Bädern gewöhnlich) noch da sein kann, ist der fortschreitenden Forschung anheimgestellt. Leider muß ich hinzufügen, d. die Ausgrabungen nicht in wissenschaftlichem u. altertümlichen Sinne, den die Wichtigkeit der Sache verdient, zu geschehen scheinen, u. d. der Erfolg für Belehrung Bereicherung der vaterländischen wie allgemeinen Geschichte so wie endlich für das menschliche Interesse selber an einer so merkwürdigen Zeit kaum ein anderer bisher zu nennen ist, als Gewinnung des Bau-materiales. Wie die Säulen liegen auch Estrichtrümmer u. Ziegel der Leg. 11 außer der Grube herum. Es dürfte in den Augen der ganzen gebildeten Welt großen Werth haben, d. die ferneren Enthüllungen des alten laureacums in einer Art geschähen, die der Bedeutung der Geschichte und Vergangenheitsforschung, welche allen cultivirten Völkern am Herzen liegt, nicht unangemessen wären.

Um am 24. September 1851

Stifter Schulrath“

Die Linzer Zeitung, damals die verbreitetste Zeitung des Landes Oberösterreich, hatte in ihrer Folge 235 des Jahrganges 1851 berichtet, „daß schon am 23. Oktober 1850 auf dem zum Ffarrhof gehörigen Acker ein Pferd beim Pflügen mit den Vorderfüßen eingesunken sei, da die Wölbung eines römischen Grabes durchgebrochen war. Im Juli 1851“, so berichtete die Zeitung weiter, „führte eine ähnliche Veranlassung auf den benachbarten, mehr östlich gelegenen Feldern des Herrn Fürsten Auersperg zur Entdeckung einer anderen interessanten Erscheinung: nämlich eines römischen Hypokau-stums. Es wurden zuerst die Ausgrabungen in einem Ausmaße von vier Quadratklaftern vorgenommen und 73 Säulen von Granit zu Tage gefördert, wovon 17 Stück übereinander gestürzt lagen. Die anderen standen auf einem 6 Zoll dicken Estrich um 26 Zoll auseinander. Der Zwischenraum war mit Ziegel- und Erdschutt erfüllt“.

Neben obigem Schreiben an den Statthalter Freiherrn von Bach, der für Stifter als Schulrat bei der Durchführung der damaligen Schulreformen wie später bei der Erhaltung alten Kunstbesitzes in Oberösterreich eine starke Stütze war, suchte der Dichter seinem Protest aber noch einen verstärkten Nachdruck zu geben, indem er gleichzeitig an den ihm befreundeten Direktor des kaiserlichen Münz- und Antiken-kabinettes in Wien. Josef R. von Arneth, schrieb, der sich ebenfalls deshalb an den Statthalter wandte. Unterm 12. Oktober 1851 erliegt in den Präsidialakten auch ein Schreiben Arneths an den Statthalter, in dem er mitteilte, daß über Auftrag des Fürsten Vinzenz von Auersperg die Ausgra“bungsstätte wieder zugeschüttet worden sei und daß, „anstatt das ganze Hypokaustum in seiner ganzen Alflage zu erhalten, nur einzelne Fundgegenstände unfachgemäß ausgegraben worden seien“. Gleichzeitig ersuchte er den Statthalter, „diesem barbarischen Beginnen Einhalt zu tun“.

Stifter hatte bei seiner Besichtigung der Ausgrabungsstätte diese schon wieder eingeebnet vorgefunden, und obwohl die „Linzer Zeitung“ berichtet hatte, daß der Fürst die Fundgegenstände „wohl verwahrt“ habe, fand er diese an der Außenseite einer Holzhütte an einer Gartenmauer im Freien liegend, wo sie ein Straßenmeister abgelagert hatte.

Ende September besuchte Josef R. von Arneth seinen Bruder Michael Arneth, der damals Propst des Stiftes St. Florian war, bei welcher Gelegenheit seine Gattin, die vielbejubelte Burgschauspielerin Toni Arneth-Adamberger, die einstige Braut Theodor Körners, in der Stiftskirche auch geistliche Lieder, darunter Schuberts „Ave Maria“ sang. Gleichzeitig besuchte Arneth mit Stifter auch die Fundstätten in Lauriacum. Arneth schrieb über diese Ausgrabungen im Jahrbuch der Centraikommission (1856) einen eingehenden Bericht „Ueber das im Jahre 1851 entdeckte Hypokaustum in Enns“.

Auch Statthalter von Bach besichtigte die Ausgrabungsstätte gemeinsam mit Stifter und ernannte sodann eine fachliche Kommission zur Erforschung der Fundstätte und beauftragte über Stifters Vorschlag den Kustos des oberösterreichischen Landesmuseums Carl Ehrlich mit der Beaufsichtigung der nun von ihm eingeleiteten fachgemäßen Ausgrabungen.' Die Fundgegenstände kamen dem oberösterreichischen Landesmuseum zu. Gleichzeitig forderte der Statthalter bei dem dafür zuständigen Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten die entsprechenden Mittel für die künftighin aus öffentlichen Mitteln systematisch durchgeführte Erschließung der römischen Altertümer in Lauriacum an. Handelsminister war damals der in Friedberg im Böhmerwald geborene Freiherr Andreas von Baumgartner, ein Freund und Gönner Stifters, der sich der Sache wärmstens annahm. Dieses Einschreiten Stifters für die alte Kunst in Oberösterreich erfolgte schon zwei Jahre vor seiner Ernennung zum amtlichen Konservator der Denkmalpflege in Oberösterreich, die am 15. Dezember 1853 erfolgte, weshalb er sein Einschreiten beim Statthalter in obigem Schreiben als „nicht zu seinem Amtsgebiethe gehörig“ bezeichnete. Als Konservator für Oberösterreich hat der Dichter sodann neben seiner aufreibenden Wirksamkeit als Schulrat und Inspektor der oberösterreichischen Pflichtschulen in den Folgejahren Großes für die Erhaltung der alten Kunstschätze des Landes getan. Unter seiner Amtstätigkeit wurde nicht nur der große gotische Schnitzaltar von Kefermarkt, sondern v/urden auch der Pacher-Altar in St. Wolfgang, die gotischen Altäre in Hallstatt, Pesenbach-Feldkirchen, Waldburg, Braunau am Inn (Bäckeraltar) sowie die Pfarrkirchen von Wels, Steyr, Linz und der „alte Dom“ zu Linz restauriert. Er wurde so zu einem wahren getreuen Eckart der Kunstpflege im Lande Oberösterreich.

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