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Funde bestätigen „Legenden“

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I.

Die Funde aus der Römerzeit, die in Oberösterreich, vor allem in Lorch- Enns, in Wels und in Linz gemacht wurden, stehen ein wenig im Schatten der Kärntner Ausgrabungen oder der der Umgebung Wiens: den oberösterreichischen Funden und Forschungsergebnissen aber, die die christliche Frühgeschichte in unserer Heimat betreffen und die vor allem in der Nachkriegszeit Jahr für Jahr ausgeweitet und ergänzt werden, konnte bisher nichts Ähnliches oder Gleiches zur Seite gestellt werden. Die jüngsten Ausgrabungen innerhalb der berühmten Lorcher Laurentiuskirche, die in diesem Sommer eine Fortsetzung erfahren, lenken unser Interesse neuerlich auf diese Zeit des Überganges des zerfallenden Römerreiches und des aufstrebenden Christentums, die der unseren gar nicht so unähnlich ist.

Gleich der erste Repräsentant dieses frühen Christentums in Österreich ist prominent und bekannt: der Kanzleivorstand des Statthalters von Ufernoricum, Florianus, der wahrscheinlich schon in seiner aktiven Dienstzeit als Christ in Erscheinung getreten war. Nach Ausbruch der diokletianischen Verfolgung war er für den heidnischrömischen Staatsdienst untragbar geworden. wurde pensioniert und mußte sein Wirkungsfeld verlassen und sich in den benachbarten Stadtbezirk von Cetium (St. Pölten) zurückziehen. Er wurde 304, also .ein Jahr vor dem Tode Diokletians, in Lorch verurteilt und von der Ennsbrüeke, die damal allerdings keine Grenze darstellte, denn beiderseits der Enns erstreckte sich das Stadtgebiet Lauriacums, in die Enns gestürzt. Gewiß, sowohl die Florianus- Legende (aus dem Ende des 9 Jahrhunderts) als auch der kurze Zusatz zum Martyrologium Hieronymianum (aus dem 7. Jahrhundert) stellen kein so wertvolles Dokument dar, wie etwa die unmittelbar nach dem Tod des heiligen Severin entstandene „Vita Severini", aber auch sie verraten eine ganz außerordentliche Sachkenntnis der diokletianischen Zeit, so daß nicht nur der römische Ursprung, sondern auch die Lokalkenntnis sichtbar durchschimmert: die Provinz Noricum erscheint in der Legende bereits richtig in eine solche von Binnen- und Ufernoricum geteilt. Für den Ort des Martyriums des heiligen Florian wird nicht der frühmittelalterliche Namen „Lavoriacum“, sondern der ursprüngliche Name „Lauriacum" gebraucht. Präzise und genau wird schließlich der römische Terminus für die Dienststellung des Heiligen als „princeps officii", also als Präsidialchef verwendet. Nach Kriegsende, 1953, haben Ausgrabungen unter der Stiftskirche von St. Florian, in der drei Kilometer vom Ort des Martyriums vermuteten Grabesstätte des Heiligen, immerhin bedeutsame Hinweise, römische Ziegel, zutage gebracht. Und wenn auch die Grabungen wegen der Beengtheit des Raumes und der Gefährdung der Stiftskirche vorerst nicht weitergeführt werden konnten, ist nach dem Urteil des seinerzeitigen Leiters der Ausgrabungen, Dr. Eckhart, auch für diese berühmte Stätte der Beweis eines Kulturkontinuums von der Spätantike bis zur Gegenwart erbracht.

II.

Ein besonders liebenswerter und seltener Fund aus der Zeit unmittelbar nach dem Märtyrertod Florians, aus dem frühen vierten Jahrhundert, ist der Ursa-Grabstein aus Ovilava (Wels), der bereits 1893 bei Grabungsarbeiten im Bereich des alten römischen Friedhofs von Ovilava, südlich des Welser Bahnhofs, gefunden wurde. Im Gegensatz zu Lorch, das nach seiner Zerstörung nicht mehr besiedelt wurde und erst heute großzügig verbaut wird,

konnte in Wels, wo die heutige Stadt auf den Trümmern des einstigen Ovilava errichtet wurde, nie systematisch gegraben werden und nur Einzelfunde, die bei Hausbauten oder Wasserleitungsarbeiten gemacht wurden, zusammengetragen werden. Diesen Grabstein hat ein römischer Soldat, Flavius Januarius, seiner im 38. Lebensjahr im Kindbett verstorbenen Gattin Ursa setzen lassen, die er als „gläubige Christin" (crestiana fidelis) bezeichnet.

So wie dieser zwölf Zeilen umfassende Grabstein der einzige vollständige frühchristliche Grabstein ist, den man bisher in Österreich gefunden hat, sind auch die christlichen Beigaben aus dem Lorcher Gräberfeld in ihrer Art einmalig: Bei einer Grabung im Jahre 1951 fand man in einem der 27 römischen Begräbnisbezirke von Lauriacum ein Ziegelplattengrab eines rund sechzigjährigen Mannes, dem ein Bronzering mit einem Christogramm auf die Brust gelegt worden war. Münzbeigaben weisen bei diesem Grab auf die Zeit Kaiser Valentinians II. und auf eine Bestattung nach dem Jahre 388, also fast zwei Menschenalter nach dem Märtyrertod Florians, aber rund 75 Jahre vor dem ersten Auftreten Severins, hin. Es ist die Zeit einer ersten Blüte des Christentums in unserer Heimat. 1952 fand man bei systematischen Grabungen zwischen Jem Eichberg und dem Ennser Stadtberg ein Holzsarggrab eines ungefähr 16jährigen Mädchens, das neben zahlreichen anderen Beigaben einen Fingerring mit einem Christogramm trug. Im gleichen Gräberfeld fand man schließlich ein drittes frühchristliches Grab nit einem schmucklosen Siiberring, Jessen kleine Zierplatte ebenfalls Jeutlich das Christuszeichen erkennen läßt.

III.

Weit mehr wissen wir aus den folgenden Jahrzehnten, über das Leben les heiligen Severin, das Leben und Wirken der zeitgenössischen Christen, iber aüch die wechselvollen Geschicke les Landes an der Donau durch die *Vita Severini“, die Eugippius, Abt des (losters zu Lucullanum bei Neapel,11, also nur 29 Jahre nach dem Tod les Heiligen, geschrieben hat. Aus iieser „Vita“ erfahren wir, daß Lorch- Lauriacum von den Rügern nicht zerstört worden war, daß es wahrschein- ich immer noch Hauptstadt der von len römischen Truppen bereits gebäumten einstigen Provinz Ufernoricum var; wir erfahren von einem „Ponti- :ex" Constantius, einem Bischof von Lorch, wir sehen mit diesem Hinweis iber auch, daß Severin nach Ufer- loricum nicht als Glaubensbote kam, sondern bei seinem Eintreffen um 460 bereits ein eingewurzeltes und organisiertes Christentum vorgefunden hat.

Auf Grund zahlreicher, bereits ins 19. Jahrhundert zurückreichender Hinweise und Vermutungen führte man 1936 in Lorch, rund 600 Meter östlich der alten Laurentiuskirche, an der Stelle, an der einst die berühmte und unter Kaiser Joseph II. aufgelassene Wallfahrtskirche Maria am Anger gestanden hatte, Grabungen durch, die bald ein bedeutsames Ergebnis zutage brachten: Innerhalb der gotischen und romanischen Grundmauern der alten Wallfahrtskirche fand man die Reste einer frühchristlichen Basilika; sie war kein freistehender Bau, sondern durch Adaptierung eines Traktes des großen römischen Legionsspitals entstanden und stellte bei einem Umfang von 18,2 mal 7,3 Metern den Typus einer apsidenlosen Saalkirche dar. Um 370 dürfte diese frühchristliche Kirche, deren halbkreisförmige Priesterbank und Altarfundament noch gut erhalten war, entstanden sein, die auch die Römerherrschaft überdauert hat. Um 530 übernahmen die Bayern, die das Gebiet von Ufernoricum besetzten, das schwerbefestigte, von den römischen Soldaten allerdings schon vor 488 verlassene Lager von Lauriacum, um sich hier ihre „Pfalz“ einzurichten, ein Name, der noch im 14. Jahrhundert für diesen Platz üblich war. Lind hier, in dieser frühchristlichen Kirche, die nunmehr zur Pfalzkapelle geworden war, tauften Eustasius und seine burgundischen Mönche den Herzog von Bayern und leiteten knapp nach 600 das erste Bekehrungswerk der Bayern ein. dem allerdings kein dauernder Erfolg beschießen war. Um 700 wurde die Pfalz Lorch im Awarensturm endgültig zerstört, der Bayernherzog flüchtete nach Regensburg und bemühte sich mit der Gründung der Passauer Diözese um eine neuerliche Bekehrung der Bayern. Um 700 dürfte übrigens auch die Martinskirche am Linzer Römerberg, ein Nischenbau aus vorromanischer Zeit, entstanden sein. Glaubhaft ist die Annahme, daß Karl der Große, als. er im Zusammenhang mit den Vorbereitungen des Awarenfeldzuges 791 persönlich nach Linz kam, die Kapelle gestiftet hat. Eine Urkunde vom Jahre 799 besagt, daß Karl die Kapelle des heiligen Martin zu Linz seinem Bruder Rodland und nach ihm Bischof Waltrich von Passau verliehen hat.

IV.

Nach den systematischen Grabungen auf dem Gelände der Zivilstadt von Lauriacum, die vor allem im letzten Jahrzehnt von dem inzwischen verstorbenen Linzer Museumsdirektor Dr. Jenny, von Dozent Dr. Kloiber und Dr. Vetters durchgeführt wurden, hoffte man, durch die Grabungen im Innenraum der Laurentiuskirche einen Höhepunkt und Schlußpunkt zu setzen.

Die von Dr. Eckhart vorgenommenen Grabungen des Jahres 1960 im Presbyterium der Kirche haben alle Erwartungen übertroffen. / ' 1 jš bhžehft-* wöchiger Arbeit fand man die Reste von'Kirchenbäuten auš'den verschiedensten Epochen, die die Kontinuität von der Römerzeit bis zur Gegenwart aufzeigten.

Zunächst wurde ein doppelter Apsidenring aufgedeckt, zwischen dessen Mauern zwei verschieden hohe Estriche festgestellt werden konnten, von denen der ältere mit Sicherheit auf eine karolingische und der jüngere auf eine vorromanische Bauepoche, etwa auf die Zeit Bischof Pilgrims von Passau (971 bis 991) schließen läßt. Damit dürfte auch dieser Ringapsidenbau in seiner älteren Schicht auf Karl den Großen zurückgehen, der hier in Lorch am Ennsübergang vor dem Awarenfeldzug mit seinem Heer ein Triduum abhielt. Unter diesen Resten einer karolingischen Kirche wurden wuchtige Mauerzüge aus der Römerzeit, Elemente eines Rechteckbaues mit ein-- geschriebener Ostapside, ausgegraben. Diese güt erhaltene Anläge entspricht nach dem Urteil der Fachexperten Dr. Lothar Eckhart und Dr. Benno Ulm dem bekannten Typus der frühchristlichen Saalkirche. Auch an dieser Basilika lassen sich zwei Bauabschnitte feststellen, deren jüngerer Beheizungskanäle nach römischer Art aufweist. Darunter fand man aber noch ältere Reste eines Großbaues aus der römisch-heidnischen Zeit. Damit scheint außer Zweifel zu stehen, daß die heutige Laurentiuskirche auf dem Komplex des einstigen Kapitols von Lauriacum steht. Schon 1910 hat man ja in unmittelbarer Nähe der Kirche Weihealtäre von Jupiter, Juno und Minerva gefunden.

Viele Urkunden aus dem Mittel- alter bestätigen das hohe Ansehen, das die Lorcher Laurentiuskirche im christlichen Abendland besaß. Erst die Übertragung der Pfarrechte von der Laurentiuskirche an die im Stadtkern von Enns gelegene und 1553 ihrer Konven- tualen beraubte, leerstehende Minoritenkirche ließ das Bewußtsein um die einzigartige kirchengeschichtliche Bedeutung des Gotteshauses vorübergehend zurücktreten.

V

Durch die umfassenden wissenschaftlichen Arbeiten über die Einführung des Christentums in Noricum vom Linzer Landesarchivdirektor Doktor Ignaz Zibermavr sowie durch die erfolgreichen archäologischen Grabungen im Bereich der Laurentiuskirche und nicht zuletzt durch die nach Kriegsende im Gedenken an die in Lauriacum geübte karitative Wirksamkeit Severins von Msgr. Pfeiffer, Linz, und Dr. E. K Winter ins Leben gerufene ..Arbeitsgemeinschaft Sankt Severin", die sich vor allem auch um Jie Pflege severinischer Kultstätten bemüht, ist St. Laurenz wieder in helles Licht gerückt worden. Eben jetzt ernannte der Bischof von Linz Doktor Eberhard Marckhgott, der initiativ bei Jen Lorcher Grabungen mitwirkte, zum Kirchenrektor in St. Laurenz zu Lorch, womit der erste Schritt für die Wiedererrichtung der Lorcher Pfarre, zweifellos der ältesten der Diözese, getan ist.

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