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Stadttor geopfert

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Immer wieder siegt die aktuelle Nutzung geschichts-trächtigen Bodens über die denkmalschützerische Bewahrung historischer Areale und allfälliger archäologischer Funde.

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Immer wieder siegt die aktuelle Nutzung geschichts-trächtigen Bodens über die denkmalschützerische Bewahrung historischer Areale und allfälliger archäologischer Funde.

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Viel wird geredet vom gestiegenen Interesse an der Archäologie, an der Erhaltung unseres kulturellen Erbes. Daß die Wirklichkeit anders aussieht, haben erst jüngste Vorkommnisse in Eisenstadt und im Ennser Stadtteil Lorch bewiesen. Da wie dort geht es aber nicht etwa um die Etablierung eines kostenaufwendigen archäologischen Parks. Die Archäologen des Bundesdenkmalamtes wollen in Eisenstadt und in Enns/Lorch lediglich noch vorhandene Relikte aus der Vergangenheit untersuchen und sie vor der Zerstörung bewahren.

Doch in der burgenländischen Landeshauptstadt scheint man dazu entschlossen, Reste eines mittelalterlichen Stadttores dem Bau einer Tiefgarage zu opfern, weil man meint, diese in unmittelbarer Nähe einer Geschäftsstraße errichten zu müssen. Ob die PKWs dann aber auch unterirdisch parken werden, bleibt die Frage.

In Oberösterreich hingegen ist man nicht bereit, das Terrain des drittgrößten römischen Legionslagers auf österreichischem Boden unter Denkmalschutz zu stellen, was bedeuten würde, daß in Hinkunft jedes Bauvorhaben dem Denkmalamt zu melden ist, das dann vor Baubeginn das Gelände nach eventuell vorhandenen Funden untersuchen läßt.

Als im Juni 1990 die Spatenforscher des Denkmalamtes Gelegenheit erhielten, in Eisenstadt Notgrabungen durchzuführen, erhofften sie sich davon neue Erkenntnisse über die urkundlich nur mangelhaft dokumentierte Geschichte vom Schloß und der Stadt zu gewinnen. Tatsächlich konnten sie entlang der Südfront der ehemaligen Esterha-zy-Residenz den zehn Meter breiten und vier bis viereinhalb Meter tiefen Burggraben freilegen, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Zuge der klassizistischen Neugestaltung des im 17. Jahrhundert barockisierten Schlosses zugeschüttet worden war. Er stammt ausdem späten 14. Jahrhundert und umschloß die damals zu einer repräsentativen Residenz von europäischem Rang umgestaltete Wasserburg.

Wie die Wissenschaftler im Westteil des Schloßplatzes feststellten, hatte man im 14. Jahrhundert die mit monumentalen Ecktürmen ausgestattete Burg in die neugeschaffene Stadtbefestigung miteinbezogen und so Stadt und Residenz zu einer Einheit verschmolzen.

Der im 13. Jahrhundert entstandene Vorgängerbau der Burg hatte sich isoliert von der Siedlung befunden und war Sitz eines Grafengeschlechts mit zentraler Funktion im Burgenland gewesen- vergleichbar mit den Burgen von Hainburg, Lockenhaus und Köszeg.

Wenn es auch von dem Bau aus dem 14. Jahrhundert alte Ansichten gibt, die ihn als mehrgeschossige Anlage ausweisen, hat man über die an den Südwestturm anschließende Stadtmauer und deren Stadttor bislang keine Informationen besessen. Erst die vorjährigen Grabungen haben erste Erkenntnisse erbracht. Dabei konnte das Stadttor angeschnitten, aber innerhalb der zur Verfügung gestellten Zeit nicht vollständig aufgedeckt und dokumentiert werden. Für die Kosten einer weiteren Grabungskampagne will die Betreiberfirma der Tiefgarage nicht aufkommen, noch scheint sie in der Planung Rücksicht auf zutage tretende Mauerwerke zu nehmen und auf einige

Abstellflächen zu verzichten.

Im Ennser Stadtteil Lorch wiederum, diesseits und jenseits der Westbahntrasse gelegen, geht es um die Erforschung des römischen Legionslagers Lauriacum. Auf dem Areal, auf dem rund zweihundert Einfamilienhäuser stehen, haben wohl bereits frühere Generationen von Archäologen gegraben, aber dies mit den Methoden des 19. Jahrhunderts. Man begnügte sich damit, Grundrisse zu eruieren und bemerkenswerte Funde zu bergen. Eine nach einzelnen Schichten orientierte Untersuchung unterließ man ebenso wie Grabungen bis hinunter zum gewachsenen Boden. So kennt man beispielsweise die Maße des Lagers mit 540 mal 400 Metern, weiß, daß das Lager wie alle Kastelle an den vier Seiten je ein Tor besaß und sich im Innern rechtwinklig zwei Hauptstraßen kreuzten. Am Kreuzungspunkt stand die Kommandantur mit dem Fahnenheiligtum, davor lagen Appellplatz, Schreibstube und Zahlmeisterei. Über bauliche Veränderungen während der mehrhundertjährigen Existenz des Lagers ist man aber so gut wie nicht informiert.

Die Archäologen des Denkmalamtes, die seit zwanzig Jahren im Bereich der gleichzeitig mit dem Lager entstandenen Zivilstadt von Lauriacum graben, beantragten nun eine Unterschutzstellung von Lorch wie sie in Petronell und Deutsch-Altenburg (Carnuntum) seit langem besteht. Immerhin war das Kastell von Lauriacum an der nördlichen Staatsgrenze des römischen Weltreiches neben Carnuntum und Vindobona eines der großen Bollwerke gegen die immer wieder anstürmenden Germanen. Hinter seine Mauern flüchteten sich nach 400 auch die Bewohner der unter Kaiser Caracalla (212 bis 217) zum Municipium erhobenen Zivilstadt.

Die oberösterreichische Landesregierung wies den diesbezüglichen Antrag des Bundesdenkmalamtes trotzdem ab. Weiterhin sind Wissenschaftler vom Interesse oder Desinteresse der einzelnen abhängig und davon, ob er von sich aus den Weg zu den staatlichen Pflegern unserer Bodendenkmäler findet.

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