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Römisches Erbe an der Donau

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Konserviert, restauriert und rekonstruiert wurden die antiken Bauwerke der Militär- und Handelsstadt, die Funde im Museum neu präsentiert.

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Konserviert, restauriert und rekonstruiert wurden die antiken Bauwerke der Militär- und Handelsstadt, die Funde im Museum neu präsentiert.

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Land und Leute sind in der mehr als fünfhundert Jahre dauernden Zugehörigkeit Österreichs zum Imperium Roma-num nachhaltig geformt worden. Am 9. Juni 1996 wird daher im Rahmen der „Namenstagsfeiern" Österreichs auch der römischen Vergangenheit gedacht, indem der aus den Ruinen der seinerzeitigen Römerstadt Carnuntum errichtete Archäologie- und Freizeitpark zwischen Petronell und Bad Deutsch Altenburg offiziell eröffnet wird. Gezeigt wird zu diesem Anlaß außerdem die Ausstellung „Bömische Paraderüstungen in Carnuntum" und eine Parade „Römischer Reiter".

Nach den Worten seiner „Erfinder" besteht die Aufgabe des Archäologieparks einerseits in der Aufwertung der Region östlich von Wien andererseits in der Sicherung eines rund zweitausend Jahre alten Erbes. Denn schon um Christi Geburt kamen die Römer in unser Land und machten die Donau zur Nordgrenze ihres Reiches. Der letzte Romane verließ dann 488 n. Chr. die durch kaiserliche Verfügungen gegründeten Städte der Austria Romana mit den Provinzen Noricum, Raetia und Pannonia.

Carnuntum, Hauptstadt der um 300 in Ober- und Unterpannonien geteilten Provinz Oberpannonien, Aufenthaltsort mehrerer römischer Regenten von Marc Aurel über Valenti-nian I. und Septimus Severus bis zum Kurzzeitkaiser Publius Regalianus und dessen Gattin Sulpicia Dryantil-la, wurde zur bedeutendsten Militär-und Handelsstadt an der mittleren Donau. In ihr fand denn auch 308 unter dem Vorsitz Diokletians die berühmte Kaiserkonferenz zur Schlichtung der Machtkämpfe seiner Nachfolger statt.

Als dann 488 n. Chr. die letzten Romanen von der Donau nach dem bilden zogen, war Carnuntum nur noch „ein stinkendes Nest", wie es in einer schriftlichen Quelle heißt. Seine Bauwerke standen zwar noch aufrecht, verfielen aber zusehends. Sie bildeten ein riesiges Trümmerfeld, das man jahrhundertelang als Steinbruch von ungeahnter Größe nutzte. Trotzdem gab der geplünderten Ruinenstadt der deutsche Geschichtsforscher den Beinamen „das Pompeji vor den Toren Wiens".

1885 begannen dann mit der Gründung des Vereins Carnuntum (jetzt Gesellschaft der Freunde Carnun-tums) die wissenschaftlichen Ausgrabungen der inzwischen vielfach unter der Erde verborgenen Mauern des römischen Legionslagers und der Zivilstadt. Um für die geborgenen Funde eine Heimstatt zu schaffen, wurde schließlich 1904 das durch Kaiser Franz Joseph eröffnete Museum Carnuntum der Öffentlichkeit übergeben.

Bis 1914 wurde ein Großteil der heute sichtbaren Buinen aufgedeckt. In der Zwischenkriegszeit legten die Archäologen des Österreichischen Archäologischen Institus das Amphitheater der Zivilstadt frei. Ab 1948 arbeiteten sie und - etwas später -auch Doktoranden der Wiener Universität in den Festungsanlagen, in der Lagerstadt, in der Zivilstadt und im Tempelbezirk auf dem Pfaffenberg. Herma Stiglitz vom Österreichischen Archäologischen Institut entdeckte -welche Sensation! - westlich vom Standlager der Legion ein zweites Lager: ein Hilfstruppenkastell für ein Reiterregiment.

Dennoch hat die versunkene Römerstadt nicht jene finanzielle Unterstützung gefunden, wie es ihrer Bedeutung entsprochen hätte. So hat man es verabsäumt, die seit 1885 ausgegrabenen Stadtteile einschließlich des Heidentores, der beiden Amphitheater und der sogenannten Palastruine (große Therme) sowie der Festungsanlagen entsprechend zu schützen und zu präsentieren. Zudem war schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein heftiger Gelehrtenstreit um die in Carnuntum angewandte Restaurierungsmethode entbrannt. Sie bestand nämlich in der Zubetonierung der freigelegten Mauerzüge des Wohnviertels bei Schloß Petronell.

Eine 1987 veröffentlichte Zu-standsanalyse deckte schließlich sowohl den Grad des Verfalls als auch die mangelhaft durchgeführte Feldforschung früherer Tage auf, die sich auf die Freilegung der Steinarchitektur des dritten und vierten Jahrhunderts beschränkte, die ältere Baugeschichte aber unberücksichtigt ließ.

1988 beschloß deshalb die Niederösterreichische Landesregierung, nach dem Vorbild erfolgreicher archäologischer Parks im Ausland auf dem Boden von Carnuntum einen archäologischen Park zu schaffen. Mit der Projektleitung wurde der langjährige Carnuntum-Forscher Werner Jobst betraut. In drei Bealisierungsphasen sollten die aufgedeckten antiken Bauwerke offengehalten und konserviert, restauriert oder rekonstruiert werden. Für die nun abgeschlossene Projektstufe I wurden 154 Millionen Schilling aufgewendet.

Das Museum Carnuntinum Bad Deutsch Altenburg, ein Bau des Architekten Friedrich Ohmann, wurde vorbildlich saniert, die Schausammlung neu aufgestellt und 1992 wieder eröffnet. Das zwischen 1948 und 1958 ausgegrabene, desolate Wohnviertel im Spaziergarten des Schlosses Petronell wurde neu untersucht, der Verfall gestoppt.

Die Baugeschichte des Stadtviertels konnte im wesentlichen geklärt werden. Die an der Nordstrecke des Viertels festgestellten Mauerzüge einer Straßenhalle und eines dahinterlie-genden Dianatempels aus dem vierten Jahrhundert wurden hochgezogen und entsprechend dem Bauvorschriften des römischen Architekten Vitru-vius rekonstruiert. Tempel und Straßenhalle erfüllen jetzt die Funktion eines Ausgrabungsmuseums.

Erbaut wurde nicht zuletzt in unmittelbarer Nähe und zwar an der Hauptstraße von Petronell ein großes Informationszentrum, das von April bis Oktober zugänglich ist.

Und für Radfahrer hat man in Petronell und Bad Deutsch Altenburg einen Fahrradverleih etabliert, damit der Besucher nicht nur zu Fuß, sondern auch per Rad die neu beschilderten sanierten und noch nicht sanierten Ausgrabungsstätten besichtigen kann. Schließlich aber wurde, auf daß in der nächsten Projektstufe des Regionali-sierungsprogrammes mit dem Bau eines Lagermuseums (Schwerpunkt Pfaffenberg) begonnen werden kann, ein Grundstück in Deutsch Altenburg erworben.

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