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Goldschätze im Sand

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Der Besitzer eines Gartenhäuschens auf Gotland fand in dem Sand, den er aus einer Grube hatte heranfahren lassen, einige Gegenstände aus Metall, die er erst achtlos zur Seite legte, etwas später jedoch als kostbare goldene Schmuckstücke erkannte. Er fand in seinem Sand nicht weniger als sechs verschiedene wertvolle Gegenstände, die heute Prachtstücke der Museen auf Gotland und in Stockholm sind. Doch wo der Rest des Goldschatzes geblieben ist — denn man vermutet, daß er weitaus größer gewesen war! — das weiß niemand zu sagen!

Bei einem Straßenbau, ebenfalls auf Gotland, stieß man erst kürzlich auf Sfceletteile und mußte fest- stelien, daß man ein Feld von mindestens 50 Gräbern aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. angeschnitten und teilweise schon zerstört hatte. In den zwei nun sorgfältig geöffneten Gräbern fand man den schönsten römischen Glasbecher, den man im Norden jemals entdeckt hat; er stammt mit größter Gewißheit aus einer römischen Werkstatt im Rhein- oder MoseMand. Goldfunde aus jener Zeit hat man zu Tausenden gemacht, Glasbecher dieser Art gibt es insgesamt nur zehn im Norden. Dabei wurden allein an dieser Stelle einige andere schöne Gefäße durch Steine zerschlagen und es steht leider auch fest, daß hier Grabräuber am Werk gewesen sind.

Auf Öland nimmt zur Zeit eine internationale Forschergruppe Ausgrabungen vor, deren Ergebnis den Forschem Rätsel über Rätsel aufgibt und die eine wichtige Epoche der nordischen Geschichte in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Schon jetzt steht als neue Erkenntnis fest, daß auf der Insel Öland durch einige Jahrhunderte ein slawischer Volksstamm festen Fuß gefaßt hatte und hier eine Art von stark befestigten Brückenkopf im Norden hielt —•, mitten im Herrschaftsbereich der mächtigen Wikingerstämme! Eine große ringförmige Mauerruine hielt man durch lange Zeit für den Überrest einer jener germanischen Fluchtburgen, von denen man viele kennt, und die einmal errichtet worden waren, um der Landbevölkerung bei drohenden Überfällen zeitweise Zuflucht zu gewähren. Diese Ruine war deshalb auch niemals ausgegraiben worden. Nun fand man hier den Überrest einer völlig fremdartigen Befestigungsanlage, von einer doppelten Mauer umgeben und mit einer Bebauung, die aus kreisförmig angeordneten dicht nebeneinanderstehenden Häusern bestand, die sich gegen die Mitte des Kreises verjüngten und einen runden Platz freiließen. Die Anlage erinnert an die Wagenburgen der Hussiten, und es waren auch zweifellos Slawen, die hier -gehaust haben.

Mitteleuropäische Herkunft

Ihre Herrschaft scheint über vier Jahrhunderte bestanden zu haben, -geigen Ende des ersten Jahrtausends aber ging sie in einem Feuersturm und einer Metzelei unter, deren stumme Zeugen die Forscher das blutige Geschehen wie in einem Buch lesen lassen. Doch die Vernichtung dieser Herrschaft erfolgte keineswegs durch einen Wikinger-

stamm! Tausende von Waffenresten, die mit verbrannten Skelett- und Holzresten die oberste und letzte Schiebt bilden, Schemen auf ein Volk mitteleuropäischer — awarischer oder ungarischer Herkunft — him- zudeuten.

Die Vernichtung der öl ändi sehen Siedlung aber lenkt die Gedanken auf den Untergang einer anderen Kultur, auf deren Existenz die schwedischen Forscher erst in den letzten Jahren aufmerksam geworden sind: Auf die sonderbare Handels- und Industriegesellschaft, von der man durch die Ausgrabungen auf der Insel Helgön westlich von Stockholm eine erste Kunde erlangt hat. Hier bestand durch mindestens fünf Jahrhunderte ein reiches und blühendes Gemeinwesen, das aus unbekannter Ursache ebenfalls im 9. oder 10. Jahrhundert untergegangen ist. So vollständig wurden seine Spuren beseitigt, daß man bis vor zehn Jahren nicht die geringste Ahnung von seinem Bestehen gehabt hatte. Viele tausende seither gemachte Funde ließen hier ein in mancher Beziehung überraschendes Bild entstehen.

Wieder begann die Geschichte einer großen Entdeckung damit, daß ein biederer Bürger zum Spaten -griff, um den Grund zu einem Som- merhäuseben auszubeben. Er fand dabei einige Blechteile, die er zur Seite warf. Als er seinem Werk gleichsam die Krone aufsetzte — und das 'bedeutet in Schweden, daß er ein Loch für die obligatorische Fahnenstange aushob — bemerkte er, daß einige der ärgemiserreigenden „Schrottreste“ Darstellungen von Figuren enthielten. Es dauerte jedoch noch eine -ganze Wei-le bevor ihm aufging, daß dieses „Blech“ etwas wert sein könnte; schließlich ging er -doch zum Telefon und rief das Nordische Museum an, dem er schon früher einige bei den Erd arbeiten gemachte Funde übergeben hatte. Endlich bequemite sich auch das Museum dazu, einen Fachmann an die Fundstelle zu entsenden — alte Gräber befinden sich auf allen diesen Inseln und ein einzelner Fund ruft noch keine Aufregung hervor! — und nach den ersten Versuchsgrabungen wurde dann Groß- alanm gegeben: In Goldblech gestanzte Darstellungen erotischer Szenen, wie man sie füher nur aus indischen Tempeldarstellungen kannte, können auch schwerblütige schwedische Museumsdntendanten in Bewegung setzen!

Ein Handelsplatz der Wikinger

Die Insel Lillön (wie der Fundort damals noch hieß, der Name 'bedeutet nur „die kleine Insel“) wurde vorerst einmal als die Insel Helgön erkannt, von der in alten Schriften die Rede ist, deren Lage man jedoch vergessen hatte. Die Ausgrabungen der ersten Jahre ließen darauf schließen, daß man hier einen ehemaligen Handelsplatz von größter Bedeutung für das damalige Wikingerreich gefunden haben mußte. Die nahegelegene Insel Björkön enthielt mit Birka die erste Hauptstadt des alten Svea-Reiches; dort befand sich die volksreichste Siedlung, die militärische und wohl auch politische Metropole. Auf Birka 'hat man im völligen Jahrhundert die Lage der alten Stadt, der Ringbefestigung auf der höchsten Stelle der Insel und das Vorhandensein von etwa 6000 GrabsteUen feststelden können. Man konnte dort einzigartige Funde machen, vor allem aber reinigte man den größten Teil der Insel von dem nahezu undurchdringlichen Gestrüpp, das sich dort breitgemacht hatte und gab der Landschaft jenes Aussehen, das es vor 1500 Jahren gehabt haben dürfte. Es ist eigentlich erstaunlich, daß man der etwa 30 Kilometer westlich von Stockholm gelegenen Insel erst so spät größere Aufmerksamkeit widmete. Seit etwa 20 Jahren aber wurde auch dort kein Spaten mehr in die Erde gesetzt und mehr als 2000 Gräber sind niemals geöffnet worden! Björkön ist heute eine wunderbar Stille, reine und lichte schwedische Inlandinsel, bezaubernd in ihrer Einsamkeit und zeitlosen Schönheit und die Ge-

schlechter, die einmal dort bestattet worden sind, will man in Frieden ruhen lassen!

Die in der Nähe liegende „kleine Insel“ hatte man überhaupt nicht beachtet; die Ausgrabungen zeigten nun, daß von dort aus die Handelswege der Wikinger nach England und Irland, nach Südrußla-nd und vielleicht sogar bis nach Persien geführt haben mußten. Einer der ersten Funde war ein indischer Buddha etwa aus dem 5. Jahrhundert nach Christus, und es ist begreiflich, daß dieser Fund nun wirklich die Archäologen auf den Plan rief.

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