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Mehr als nur ein „Umschlagplatz“

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Die Funde des letzten Jahres aber zeigen immer deutlicher, daß hier mehr als nur ein Umschlagplatz war, hier lagen auch umfangreiche Produktionsanlagen der Metallverarbeitung, Schmelzöfen und Bearbeitungswerkstätten in einer Zahl, wie man sie niemals zuvor im Norden hat feststellen können. Auf Helgö sind im -letzten Jahr tausende Schmelztiegel und Gußformen gefunden worden. Gebrauchsgegen-

stände aus den verschiedensten Metallen und Schmuck jeder Art ist hier in Mengen erzeugt worden. Bereits im Jahre 400 nach Christus — und möglicherweise auch schon Jahrhunderte früher — gab es hier ein blühendes Zentrum der Metallgewinnung und Metallverarbeitung! In den Schmelztiegeln fanden sich Reste von Eisen, Kupfer, Bronze, Silber und Gold! Im 5. Jahrhundert muß diese Industriesiedlung schon ihren Höhepunkt erreicht haben. Hier erzeugte man Waffen, Werkzeuge, Spielwaren, Kleiderzubehör, Schiffszubehör, Geräte für den Fischfang und natürlich auch Schmuck. Viele der berühmten Gürtel- und Kragenspangen, die man in Gräbern des Nordens gefunden hat, dürften aus dien Werkstätten von Helgön stammen. Nirgendwo in Schweden hat man so viele vorzeitliche Funde dem Boden entnehmen können wie hier, nirgendwo in ganz Europa aber hat man auch so umfassende Funde einer lebendigen und phantasievoilen Metallmanufaktur machen können wie auf dieser so lange unbeachtet gebliebenen Insel. Hier bestand ein Gegenstück zur Magdalensbergsiedlung in Kärnten, dd-e ja auch durch Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war, oder auch ein kleines nordisches Ruhrgebiet, das — von den Größenausmaßen natürlich abgesehen! — sich noch dadurch vom deutschen Ruhngebi-et unterschied, daß man es klugerweise abseits der großen menschlichen An- siediung errichtet hatte. Auf Birka lebte man, sammelte man die Reieh- tümer, feierte man seine Feste zu Ehren der hed-dnischen Götter, und wurde man schließlich in hohen Hügelgräbern begraben. Am gegenüberliegenden Ufer des breiten Sees aber rauchten die Hütten und dröhnten die Hämmer. Es war eine kluge Trennung zwischen Wohnsiedlung und industriellem Zentrum, wie sie den Städtebauern des 19. Jahrhunderts leider unbekannt geblieben ist!

Wer hat den Untergang verursacht?

Als dite große Bedeutung der Entdeckungen von Helgön für die Geschichte der industriellen Arbeit im Norden erkannt wurde, fanden sich auch endlich jene Geldgeber, die ein Weiferführen der Ausgrabungen ermöglichten.. Die Regierung, große Wirtschaftsverbänd-e und bedeutende Unternehmen der Metallindustrie stellen nun den Forschem ansehnliche Beträge zur Verfügung. Die Zeit, da ein Professor und zwei Studentinnen auf Helgön die ersten Ausgrabungen machten, ist vorbei. In absehbarer Zeit wird man wissen, wie die Menschen vor 1500 Jahren im alten Wikingerreich gearbeitet und -gelebt haben.

Auf eine Frage aber dürfte man keine Antwort bekommen: Durch welche Kräfte wurde der Untergang dieser Kultur herbedigeführt? Wer hat ihre äußeren Wahrzeichen dem Erdboden gleich-gemacht, so gründlich, daß sie ein Jahrtausend lang unentdeckt bleiben konnten?

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